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Sonstiges und Experimentelles Andersartige, experimentelle Texte und sonstige Querschläger.

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Alt 04.02.2022, 21:43   #1
männlich Henkerchen
 
Benutzerbild von Henkerchen
 
Dabei seit: 01/2021
Beiträge: 190

Standard Ein Jahr

Dieser Text ist Tupaia gewidmet

Ein Jahr.
Was ist das schon?
Ein Jahr im Gefängnis -
eine lange Zeit.
Ein Jahr lang seinen Liebsten nicht sehen-
eine schier unendlich lange Zeit.
Ein Jahr in einen fremden Land-
viel zu kurz um sich einzuleben.
Ein Jahr voller Abenteuer und neuer Freunde-
ist verdammt schnell um.
Aber ein Jahr älter?
Was bedeutet das?
Kann ich mich noch daran erinnern, was für ein Mensch ich vor einem Jahr war?
Wahrscheinlich war ich nicht viel anders als heute.
Kann ich mich noch an alles erinnern, was in diesem Jahr alles passiert ist?
Nicht im Geringsten.
90% dieser Zeit habe ich vergessen.
Belangloser Alltag.
Das spielt kaum eine Rolle in meinem Leben.
Oder?
Es sind die bedeutsamen Dinge, an die ich mich erinnere.
Der Tag, an dem ich der Druck nicht mehr ausgehalten habe,
Der Tag, an dem ich das erste Mal zum Messer gegriffen haben:
Der Tag, an dem ich im Regen auf der Brücke stand und weinend in die Tiefe geschaut habe.
Der Tag, an dem ich es geschafft habe nicht zu springen.
Der Tag, an dem ich mir Hilfe geholt habe.
Der Tag, an dem ich diese eine Person kennen gelernt habe.
Der Tag an dem ich diese Person geküsst habe.
Es sind die großen Erinnerungen,
schöne, wie schlechte.
Da machen die gewöhnlichen Tage keinen Unterschied.
Oder?
Wenn diese Tage keinen Unterschied machen, warum blicke ich dann manchmal zurück und frage mich, warum mein Leben so trostlos und langweilig ist?
Weil es so voll an stumpfen, grauen Tagen ist?
90% des Jahres.
90% alltäglicher Schwachsinn
90%, die mich manchmal zu Boden drücken.
Es ist die schiere Menge an langweiligen, stumpfen Tagen, die zum Problem werden kann.
Es sind diese 90% des Jahres, die darüber entscheiden, wie lang das Jahr ist.
Es sind diese 90%, die mir nach einem Jahr zeigen, wie sehr ich mich verändert habe.
Vielleicht sind es nächstes Jahr nur 80%.
Ich wäre glücklicher.
Deshalb werde ich ausbrechen.
Aus der stumpfen Trostlosigkeit.
Aus meinem Alltag.
Ich will lachen
Ich will lieben
Ich will die Nacht durch machen
Ich will weinen
Ich will aus tiefster Seele hassen
Ich will die Nacht in der Ausnüchterungszelle verbringen.
Ich will etwas erleben.
Denn ich will leben.
Willst du mit-leben?
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