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Alt 23.05.2023, 23:41   #1
männlich dr.Frankenstein
 
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Standard Ragnarrök

Halter. - Im Vergleich zu unseren höheren, wahreren Vorstellungen von Gott war der Begriff, den sich die alten Religionen, einschließlich des nordischen Glaubens, von ihren Göttern gemacht haben, äußerst schwach und unzureichend. Diese Unzulänglichkeit zeigt sich besonders in den Eigenschaften, die diesen Göttern zugeschrieben wurden, die sich in ihren Namen ausdrücken. Unter diesen Namen sticht besonders der Begriff der Gottheit als "Halter" hervor, der bereits annähernd die wahre moralische Vorstellung von Gott ausdrückt - als das Wesen, das das Universum durch Ordnung zusammenhält und vereint, im Gegensatz zu den rohen Naturkräften der Riesen, die ohne Intelligenz und Neigung danach trachten, das physische und moralische Leben zu untergraben und zu zerstören. Ähnlich sind Mimirs Eigenschaften zerstörerisch für Odin und gleichzeitig das Tor zu Mimirs Brunnen und zu seiner Frau Frigga.

Der Name "Halter" passt besonders gut als Bezeichnung für Baldur, in dem der Odinismus seine ideale Seite besonders hervorkehrte. Baldur, Odin und Friggas Sohn, ist der repräsentative Vertreter des höheren nordischen Ideals von Schönheit, Güte und Gerechtigkeit. Er nimmt den Platz Mimirs im Löwen ein und verbindet das Solarplexuschakra mit dem musikalischen Denken aus dem Temporallappen um eine tiefere Harmonie in die Musik zu bringen.

In dieser tiefgründigen Vereinigung umfasst das Konzept des "Halters" die Essenz göttlicher Harmonie und Bewahrung und umschließt die moralische Grundlage, die die Reiche der Götter und Sterblichen verbindet. So wie der Halter das umfangreiche kosmische Gewebe mit göttlicher Bestimmung zusammenhält, verkörpert auch Baldur die Ideale von Güte, Gerechtigkeit und Harmonie.

Durch seine strahlende Präsenz erleuchtet Baldur den Weg zu einem tugendhafteren Dasein und spendet Göttern und Sterblichen gleichermaßen Inspiration. Sein göttliches Licht durchdringt die Reiche und erfüllt sie mit Hoffnung und der Erinnerung an die innewohnende Göttlichkeit, die in allen Wesen ruht.

Es ist Kraft und Verantwortung, die damit einhergeht, die Fäden des Daseins in den Händen zu halten. Mögen wir, wie Baldur, danach streben, Schönheit zu pflegen, Mitgefühl zu fördern und Harmonie zu schaffen.

Es ist seltsam, wie die erste Vorahnung des nahenden Untergangs der Götter und Welten sich in den Träumen manifestiert, die Baldur träumt. Das feinere Gefühl für die Harmonie der Musik und des Lebens bewirkt psychologisch eine höhere Auffassungsgabe zwischen den Zeilen, die prophetisch die natürliche Entwicklung der Dinge besser erahnt und klarer voraussieht. Denn wahre Prophezeiung ist ebenso sehr, wenn nicht sogar mehr, eine Angelegenheit des Gefühls für die Atmosphäre die geschaffen werden sollte. Baldur wird jedoch nicht als bewusster Prophet betrachtet, der mit Wissen und Sprache handelt. Er ist der Vorausfühler, einer, der unbewusst das zukünftige Schicksal ahnt, weil ihm unbekannte Kräfte schreckliche Träume schicken. In dieser Auffassung, wie auch im Ausspruch "Träume kommen von den Göttern", vermischt sich Mythologie mit Fantasie, Psychologisch betrachtet ist es wahr, dass ein einfühlsames, moralisches und sensibles Gemüt sowohl im Schlaf als auch im Wachzustand die natürlichen Konsequenzen der Dinge in der Weltordnung erfühlt indem er spürt welches Geräusch die Melodie fortführen könnte und in einem dunklen Gefühl erahnt er es dann. Aber diesmal, wenn diese Träume aus dem Nichts kommen. Wo soll er sich diese Beobachtung einer Melodie zugezogen haben oder ist es eine dunkle Melodie die kaum hörbar, unbewusst wahrgenommen wird?

Unter diesem Einfluss der Inspiration findet, auch das Dunkle platz:

Träume, in denen retuschierte Informationen erfasst werden, stammen vielleicht von den Haltern des Universums, die das innere Gefüge zusammenhalten.

Einige Individuen sind dazu auserwählt, aus ihren Träumen die Zukunft durch Inspiration kundzutun.
In diesen magischen Momenten der Nacht werden die Schleier gelüftet und sie empfangen Botschaften aus den anderen Sphären, die sie in das Geheimnis des Kommenden einweihen. Es ist eine mystische Verbindung zwischen dem Halter des Universums, dem Träumenden und den Geheimnissen der Zeit.

In diesen Träumen wird das Unsichtbare sichtbar und das Unbekannte bekannt. Es ist ein Geschenk, das den Auserwählten gewährt wird, um ihre Rolle als Vermittler zwischen den Welten zu erfüllen und uns einen flüchtigen Blick in die geheimnisvolle Zukunft zu gewähren.

Baldur findet keinen gesunden Schlaf mehr, sondern verfällt lediglich in eine krankhafte, leichte Trance, aufgrund der Aufregung, die ihm die schweren und beängstigenden Träume bereiteten.

Das antike Denken stellte sich den Menschen von unsichtbaren kleinen Geistern umgeben vor, Genien oder Elfen, die seine Schutzgeister sind und ihn mit Lebensfreude erfüllen. Diese kleinen Heilseelchen (heillir), schienen sich von Baldur zu entfernen, während er schlief, und ihm nicht mehr gnädig gesinnt zu sein, dass er umkreist von der Dunkelheit wurde. Das Gerücht von Baldurs schweren Träumen verbreitete sich unter allen Wesen des verwobenen Universums, sowohl unter denen, die Schlimmes befürchteten, als auch unter denen, die Schadenfreude hegten. Insbesondere die Jöten, die den Untergang der Asen, ihrer Feinde, herbeisehnten, ergriffen gierig diese Vorzeichen in Baldurs Träumen und hofften, Gewissheit zu erlangen. Mehr als andere Wesen waren die Jöten in der Lage, herauszufinden, ob Baldurs Träume auf Unheil hinwiesen. Sie befragten ihre Orakel, die als älteste Weisheit das Schicksal oder das Orlog aller Wesen zu kennen und vorherzusagen vermochten. Als Urwesen der Schöpfung waren die Jöten, sogar mehr als die Asen, mit diesem Schicksal vertraut.

Die Nornen, die dieses Orlog, wenn auch nicht im Einzelnen, doch als etwas Bestimmtes und Unabänderliches auf Tafeln einritzen, sind jötnische Jungfrauen.

Und das Hauptorakel Odins ist der Jöte Mimir, und später der abgetrennte Kopf dieses Jöten. Der ja die Urkräfte Balders symbolisiert.

Vorsicht ist geboten, denn nicht immer sind die Schatten der Zukunft klar und eindeutig. Sie tanzen und verschwimmen in den Träumen und prophezeien sowohl Licht als auch Dunkelheit.

Das Schicksal Baldurs, das sich in den Träumen ankündigte und schien, als würde Baldur sterben, sorgt für große Besorgnis und Unruhe bei Odin und Frigga. Als die Eltern des geliebten Baldur fühlen sie sich verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um ihren Sohn und sich selbst vor der drohenden Gefahr zu schützen. Sie suchen Rat bei den anderen Asen, um einen Weg zu finden, dem unabwendbaren Schicksal zu entgehen. Es ist ein Moment der Verzweiflung und des tiefen Nachdenkens, während sie gemeinsam über die Träume Baldurs diskutieren und nach Lösungen suchen.

In dieser Zeit der Unsicherheit wird Baldur bei den Jöten nur als Verwandter des Ullur betrachtet, des Gottes der Wintersonne, den die Jöten, als winterliche Macht, besser kennen. Als Bruder des Ullur wird Baldur als der liebenswürdigste Gott unter den Asen bezeichnet, dem das Schicksal des Todes (feigr) bestimmt ist, wie die von den Jöten befragten Orakel deutlich aussagen. Es wird jedoch noch nicht spezifiziert, auf welche Weise er sterben wird. Diese Aussage erfüllt alle mit Angst, insbesondere Baldurs Eltern, zuerst seine Mutter Frigga und dann sein Vater Odin, der treffend als "Sonnlicher" (svavnir) bezeichnet wird, aufgrund seiner Liebe zum Sonnengott Baldur.

In ihrer tiefen Herzensangst suchen sowohl Götter als auch Menschen nach Mitteln und Vorsichtsmaßnahmen, um dem unausweichlichen Schicksal zu entgehen. Daher beraten sich Baldurs Eltern mit den anderen Asen, um eine Möglichkeit zu finden, ihren Sohn und sich selbst vor der drohenden Gefahr zu schützen. Es ist ein gemeinsames Streben nach Sicherheit und Schutz, ein verzweifelter Versuch, dem Schicksal zu entkommen und das geliebte Leben zu bewahren. Doch inmitten der Dunkelheit der Prophezeiungen und der Sorge um Baldur bleibt eine zarte Hoffnung, dass vielleicht eine Lösung gefunden werden kann, die das drohende Unheil abwenden kann. Die Götter geben nicht auf und setzen ihre ganze Kraft und Weisheit ein, um ihre Lieben zu retten und die Welt vor dem bevorstehenden Untergang zu bewahren.

Mit großer Sorgfalt und Umsicht begibt sich Frigga auf eine Reise zu allen Wesen der Welten, um ihnen den Eid abzunehmen, dass sie Baldur keinen Schaden zufügen werden. Sie ergreift alle erdenklichen Maßnahmen, um diejenigen Wesen, von denen sie glaubt, dass sie eine Gefahr für ihren Sohn darstellen könnten, zu verpflichten, ihm keinerlei Schaden zuzufügen. Mit mütterlicher Vorsorge nimmt sie Versicherungen und Schwüre entgegen und sichert sich die Versprechungen, dass Baldur in keiner Weise geschadet wird.

Odin, der vorsichtige und umsichtige Vater, strebt nach einem einstimmigen Beschluss der Asen. Während Frigga die schwierige Aufgabe übernimmt, die Eide entgegenzunehmen, fürchtet Odin, der als der Bedachte (Yggr) treffend bezeichnet wird, dass möglicherweise eine Unterlassung oder Vernachlässigung stattgefunden haben könnte. Er befürchtet, dass das Heil Baldurs gefährdet sein könnte oder dass sich die Schutztöchter (Töchter des Hamr) oder die Heilseelchen von ihm abwenden könnten. Aus diesem Grund ruft er die Asen zusammen und bittet darum, dass der von ihm als unzureichend erachtete Beschluss erneut diskutiert wird. Besonderes Augenmerk soll darauf gelegt werden, welche Art von Gefahr durch die schweren Träume Baldurs angedeutet werden könnte.

Auf den Aufruf Odins hin versammelten sich alle Asen und Asinnen mit großer Bereitwilligkeit in der Götterversammlung, um über die Frage zu beraten, durch welche Art von Gefahr die Träume Baldurs eine so bedeutsame Bedrohung darstellten. Sie fragten sich, woher die Gefahr rührte, die in Baldurs Träumen vorausgesagt wurde. Um dies herauszufinden, beschloss die Versammlung, dass Odin, der klügste unter den Asen, das Geheimnis von der verstorbenen Seherin Angurboda in Helheim durch List entlocken sollte. Die Asen entschieden sich dafür, gerade bei Angurboda nach dem Orakel zu fragen, weil sie als Mutter der Ozeanschlange, des Fenriswolfes und der Hel am meisten zum Unglück und Untergang der Götter beitragen konnte und somit auch über das Schicksal der Götter informiert war. Außerdem glaubte man, dass die Orakel der Verstorbenen, wie Angurboda, weiser und wahrhaftiger seien als die Aussagen lebender Personen.

In der Atmosphäre der Zusammenkunft und des tiefen Nachdenkens, reflektieren die Asen darüber, welche Bedeutung die Träume Baldurs haben könnten und wie sie auf die bevorstehende Gefahr hinweisen.

Odin begibt sich auf einem magischen Ritt nach Helheim. "Gauti", eine andere Form von "Güti" (Erguss, Quell, Ursprung), bezeichnet hier Odin als den Ursprung aller Wesen. Dies unterscheidet sich von "goð" und "geð" (Geist der Erkenntnis, Intelligenz), durch die die Gotogermanen die Gottheit als die Intelligenz bezeichneten. "Alda Gauti" bezieht sich hier auf Odin als den Urheber, Vater und Beschützer der Götter und des Menschengeschlechts. Odin trägt die Verantwortung für ihre Entstehung, ihr Wohlergehen und ihren Schutz. Es ist eine Reise in die Unterwelt, um das Wissen und die Prophezeiungen von Angurboda zu erlangen, die das Schicksal der Götter und der Menschen beeinflussen können.

"Sleipnir" ist der Name des wilden achtbeinigen Ross von Odin, das er als seinen Herrn bezeichnet. "Schlüpfrig" flog es gerne, das bedeutet glatt, ohne Stöße, und trug Odin wunderbar schnell durch die Luft.

Die tief gelegene nördliche Welt jenseits von Jötunheim ist der Aufenthaltsort von Hel, der Totengottheit, und trädt den Namen Helheim. Nördlicher und tiefer als Helheim liegt Nebelheim, der finstere Heimatort der Verstorbenen.

Obwohl der Name "Welf" nicht nur das Junge des Wolfes (ulfr, lat. lupus, sl. vluk), sondern auch des Hundes bezeichnet, hat er ursprünglich nichts mit dem Wort "Wolf" gemein. "Welf" bedeutet ursprünglich den bellenden Kläffer. Der "Belferer", von dem gleich die Rede ist, ist der Höllenhund Garmur, dessen Name wahrscheinlich gleichbedeutend ist mit "gierig verschlingend" und dem griechischen Kerberos, der ebenfalls diesen Hund als den Verschlinger bezeichnet.

Zur Pforte der Hel oder zur Leichentür Nágrindr führt ein enger Talweg, zu dessen beiden Seiten sich hohe, schroffe Felsenwände erheben, in denen sich die Absturzhöhle (Gnipahellir) befindet, vor der der Höllenhund haust. Jeder, der nach Helheim geht, muss also an dem Belferer vorbeikommen.

Die Brust und der Rachen des Belferers sind ganz blutig von den Angriffen, die er an denen begangen hatte, die unberufen an ihm vorüberziehen wollten. Das Knurren, Bellen und Schnappen des Belferer konnte Odin jedoch nichts anhaben, da er sich durch Galdr (magische Gesänge) besser als jeder andere gegen alle Ungeheuer und Gefahren, einschließlich des Belferer, zu schützen wusste. Daher wird Odin bei dieser Gelegenheit mit Recht besonders als der Vater der Zaubersprüche bezeichnet.

Odin ritt vor dem Höllenhund vorbei zum Grab der Angurboda in Helheim. Es ist ein mythologischer Glaube und ein Charakterzug der epischen Erzählung, dass die Götter ihre Ankunft äußerlich durch erderschütternde Pferdegeräusche ankündigen, die ihre überlegene, gewaltige und alles erschütternde Natur widerspiegeln. So erzittert der Erdboden. So dröhnt auch hier donnernd der Erdweg, als Odin sich der hohen Behausung der Hel nähert.

Der Empfang Odins bei Hel ist kaum beleuchtet, aber Odin hat in dieser Behausung etwas gesehen, was auf den Empfang einer herausragenden Person hinweist. Er sah nämlich im Saal der Hel das Metfass, die Becher bereits gefüllt damit, auf den Bänken die verschiedenen Plätze durch darauf gelegte kleine Schilde (baugr) gekennzeichnet, einen größeren Schild (skiöldr) über dem Hauptsitz (öndvegis-setr) aufgehängt und sogar die untersten Pritschen oder Sitze mit goldenen Ringen geschmückt. Was Odin jedoch genau gesehen hat, wird an dieser Stelle nicht erzählt.

Odin, der vorsichtige und bedachtsame Gott mit dem Namen des Scheuen (Ygg) bezeichnet, reitet von der Behausung der Hel aus in die östliche Umgebung, um den Ort zu erreichen, an dem sich das Grab der Angurboda befindet.

Da der Mensch in seiner Religion, wie in allen Dingen, nie über die eigenen Begriffe, die Weisheit und die Lebensverhältnisse seiner Zeit hinauskommt, ist alles, was er von seinen Göttern und übermenschlichen Wesen erzählt, stets den Sitten, Gebräuchen, Lebensverhältnissen und Bedürfnissen seiner Zeit entlehnt.

Wenn ein Mensch (der nicht gerade ein Kämpfer war) starb, glaubte man, dass er nach Hel fahre. Daher glaubte man auch, dass die verstorbene Angurboda, bei ihrem Tod in Jötunheim, nach Helheim gereist sei.

Man stellte sich also vor, dass die Menschen, die in einem Grab beigesetzt wurden, dennoch persönlich die Reise zu Hel antreten mussten. Die Kämpfer, die zu Odin kommen, um die Welt vor Ragnarök zu schützen, und die Kämpfer, die zu Freya auf die Volkswiese kommen, werden bereits auf dem Schlachtfeld abgeholt. Aber in Helheim hat man es auch gut, da herrscht eine verdumpfende Atmosphäre, und man lebt in seinen Kreisläufen im Tod weiter, ähnlich wie die Ahnen der Indianer, die in den Bräuchen und in der Natur weiterleben. Ihr Vermächtnis bleibt, ihre Art zu leben wiederholt sich in den Nachkommen. Und in Helheim bleiben die Menschen wie in einem Speicher, in dem die Möglichkeit ihres Lebens wieder abgerufen werden kann, für das Universum.
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Alt 24.05.2023, 01:14   #2
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Es war selbstverständlich, dass man Hel als den Aufenthaltsort der Toten betrachtete. Doch trotzdem glaubte man, dass man selbst in Hel sterben und dort sein Grab finden müsse. Daher ist hier von dem Grab der Angurboda die Rede. Da die Menschen ihre Gräber ebenso wie ihre Wohnungen meist nach Osten, in Richtung der aufgehenden Sonne, ausrichteten, erzählt die mythologische Erzählung, dass das Grab der Angurboda vor dem östlichen Tor, also im ersten Teil des Hel-Gebietes, liegt.

Um das Sterben zu bezeichnen, hatte man den schönen euphemistischen Ausdruck "abgehen" oder "abfahren". Daher erhielt das Grab, wohin der Tote abging oder abreiste, den passenden Namen "Leiði" (Abfahrt oder Abfahrtsort), der nicht unbedingt immer einen Grabhügel, sondern hier eher das flache Grab der Angurboda in der Erde bezeichnet.

Da Angurboda zum Jöten- oder Thursengeschlecht gehörte, das im Besitz von Weisheit und Prophezeiung war, galt sie als Seherin oder Weissagerin und erhielt daher den Namen Völva, was die Menschen für die Weissageweiber verwendeten. Man glaubte, wie bereits erwähnt, dass die Verstorbenen Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges besser kennen als die Lebenden. Daher versuchte man, die Toten aus dem Grab heraufzubeschwören, um von ihnen Aufschlüsse über Unbekanntes und Schicksalsrätsel zu erhalten. Insbesondere die Weissageweiber, die schon zu Lebzeiten in der Lage waren, Orakel zu geben, galten nach ihrem Tod als noch befähigtere und klügere Frauen.

Frühzeitliche Grabhügel waren einst weite Plaggenschalen, deren Durchmesser großzügige 10 Meter überschritten. Doch mit der Zeit wurden die kleinen Hügel bescheidener, maßen nur noch 5 bis 10 Meter im Durchmesser. Ihre Höhe überragte selten die 0,5-Meter-Marke. Diese friedlichen Ruhestätten fanden sich oft in der unmittelbaren Umgebung älterer Grabhügel und majestätischer Großsteingräber. Es geschah auch, dass nachträgliche Bestattungen in den älteren Hügeln stattfanden, als eine Art Ehrerbietung an vergangene Generationen.

Viele dieser Hügel wurden von kunstvoll geformten Gräben umgeben, deren Gestalt an Schlüssellöcher erinnerte. In der Tat handelte es sich bei diesen "Schlüssellöchern" um Kreisgräber, deren runde Form eine rechteckige Erweiterung aufwies, die meist nach Osten ausgerichtet war. Doch nicht nur rechteckige Erweiterungen waren beliebt, sondern auch längliche und ovale Grabformen fanden Anklang. Im Laufe der Zeit gewannen Brandbestattungen zunehmend an Bedeutung. In der jüngeren Bronzezeit setzten sie sich als Urnenbestattungen und Leichenbrandlager durch, eine neue Sitte, die den Menschen zu Ehren gereichte.

Auf dem Gipfel des 252 Meter hohen Mittelbergs, dem Fundort der geheimnisvollen Himmelsscheibe von Nebra, offenbart sich eine Welt jenseits der Zeit. Hier, umgeben von einem verwunschenen Kreis aus Stein, entfaltete sich einst das Wissen der Sternenmagier, die in goldenen Gewändern den Mond in den Tempeln der Hinkelsteine anpeilten. Eine verschollene Hochkultur enthüllt sich plötzlich in all ihrer Pracht.

Diese uralte Sternwarte aus der Bronzezeit, ein Ort voller Geheimnisse und Mysterien, wurde von einem kreisrunden Wall mit einem Durchmesser von 160 Metern umgeben. Inmitten dieses Astro-Tempels, behutsam in einer Steinkiste verborgen, ruhte die Himmelsscheibe und barg das Wissen der alten Priester.

Von hier aus bot sich den Druiden ein atemberaubender Ausblick auf die Welt. Im Westen erstrahlte der Kyffhäuser, dessen Gipfel am 1. Mai von der Sonne in goldenes Licht getaucht wurde. Auch der Harz mit seinem berühmten »Hexentanzplatz von Thale« war in greifbarer Nähe.

Die bronzezeitlichen Hüter des Himmels, die Astro-Späher vom Mittelberg, scheinen ihre Kunst im Verborgenen ausgeübt zu haben. Zwei lange Erdwälle, die sich etwa 300 Meter lang am Fuße des Berges erstreckten, zeugen davon, dass die Sternwarte weiträumig abgesperrt war - eine Andeutung darauf, dass der Zugang zu diesem heiligen Beobachtungsbezirk nur den Auserwählten vorbehalten war. Hier offenbarte sich das Geheimnis des Himmels und die Weisheit der Sterne.

Wie ein Flüstern aus längst vergessenen Zeiten erzählt uns die Geschichte von den ersten Bauern Europas, die vor Tausenden von Jahren bereits die Sprache des Himmels verstanden. Im sanften Licht der Morgenröte und dem schimmernden Glanz der Sterne entzifferten sie die geheimnisvollen Bewegungen der Planeten. Venus und Merkur wurden zu ihren treuen Begleitern, während sie ihre Felder bestellten und sich von den strahlenden Konstellationen lenken ließen.

Ein magischer Ort in Carnac, in der zauberhaften Bretagne, bot ihnen eine Verbindung zum Himmel. Dort erhoben sich majestätische Hinkelsteine in den Himmel, ihre Spitzen schienen die Sterne zu berühren. Bis zu 20 Meter ragten sie empor und dienten als himmlische Peiler für die Weisen dieser Zeit.

Während der faszinierenden Bronzezeit, die sich von etwa 2200 bis 800 v. Chr. erstreckte, erlebte Europa eine wahre astrale Revolution. Hier entfalteten sich die dunklen Seiten der Wissenschaft: Hexerei, Prophetie, Wahrsagekunst. In dieser Ära scheint der Ursprung all jener geheimnisvollen Künste und magischen Weisheiten zu liegen, die uns bis heute faszinieren und in ihren Bann ziehen. Die Grenzen zwischen Himmel und Erde verschwammen und die Menschen ergriffen die Chance, die Geheimnisse des Universums zu ergründen und sich von der Magie der Sterne leiten zu lassen.

In den fernen Tagen vergangener Mythen und Legenden war der Glaube an die zauberhafte Macht der gesprochenen Worte tief verwurzelt. Man glaubte fest daran, dass Gebetsformeln, die mit leisen Worten oder geflüsterten Melodien ausgesprochen wurden, eine magische Kraft besaßen. Diese Worte hatten die Fähigkeit, die Zwischenräume zu beeinflussen, auch die zwischen Leben und Tod.

In jenen alten Zeiten glaubte man auch daran, dass eine in einem Grab ruhende Leiche durch die Macht bestimmter Zaubergesänge erweckt und aus dem Jenseits heraufbeschworen werden konnte. Diese Gesänge wurden "Erschlagenergesänge" genannt, denn sie waren ursprünglich dazu gedacht, erschlagene Krieger zum Leben zurückzurufen. Doch bald fanden sie auch Anwendung bei anderen Verstorbenen, die durch Krankheit ihr Leben verloren hatten.

Einer der bemerkenswertesten Totengesänge zur Wiederbelebung erschlagener Krieger war laut der mythischen Sage der Gesang, den Hildur jeden Abend anstimmte. Hildur war die Geliebte von Hédinn und sang, um sämtliche Krieger des Heeres ihres Vaters Högni und ihres geliebten Hédinn, die jeden Tag im Kampf gegeneinander gefallen waren, wieder zum Leben zu erwecken. So konnten sie jeden Morgen den Kampf von Neuem beginnen und ihn Tag für Tag bis ans Ende der Welt fortsetzen.

In diesen uralten Gesängen lag eine geheimnisvolle Magie verborgen, die die Grenzen zwischen Leben und Tod zu verwischen schien. Die Seelen der Gefallenen wurden von den Klängen erfasst und erneut zum Leben erweckt, während die Welt in einem endlosen Tanz von Kämpfen und Wiederauferstehung gefangen war.

In den düsteren Sphären dieser Szene erwachen die geheimnisvollen Totengesänge zum Leben. Odin selbst erhob seine Stimme, um die schicksalhafte Angurboda aus ihrem Grab heraufzubeschwören. Magische Worte, Galdr genannt, und mystische Handlungen, Seidr genannt, waren erforderlich, um die Tote zu beschwören.

Diese magischen Handlungen umfassten das Schauen in die heilige Himmelsgegend und das Werfen von Runenstäben. Die Urvölker hatten einst Tiergottheiten verehrt, die später in menschliche Gestalt verwandelt und zu einer Götterfamilie vereint wurden. Diese Götter hatten ihren gemeinsamen Sitz oder ihre göttliche Wohnstätte auf einem erhabenen Berg. Je nachdem, ob dieser Berg im Norden oder Süden, Westen oder Osten des Landes lag, galt die Himmelsregion, in der die Götter ihren Sitz hatten, als heilig.

In den Gebeten richtete man den Blick nach dieser Region und betrachtete die Zeichen, die aus dieser Himmelsgegend kamen, als Botschaften der Götter. Von dort aus entsandten sie ihre mystischen Boten, die durch die Schleier der Dunkelheit brachen und die Menschen in ihren magischen Bann zogen.


Es offenbart sich uns das auserwählte Geschlecht der Jöten als Hüter der Prophetie. Man glaubte fest daran, dass ihre Weisheit im Norden beheimatet war, und so knüpfte man auch alle divinatorischen und magischen Handlungen an den hohen Norden an. Das Ausschauen nach Norden, das Odin am Grab von Angurboda vollzog, war eine der zauberhaften Handlungen, mit denen er die Erweckung der Toten herbeiführen wollte.

Die gesprochene Sprache oder der Zauberwort, als Ausdruck des Willens oder Wunsches, wurde nach bestimmten Regeln festgelegt und auf feierliche Weise ausgesprochen. Sie besaß eine magische Kraft, die das Schicksal bezwang. Doch neben den gesprochenen Worten schrieb man auch anderen Ausdrucksformen eine ebenso hohe magische Kraft zu, wie zum Beispiel der Schrift oder den eingeritzten Zeichen. Den gesprochenen Worten, deren Eindruck genauso flüchtig war wie ihr Ausdruck, zog man die geritzten Zeichen vor. Diese galten als aktiver und dauerhafter Ausdruck, als mächtigeres Mittel, das das Schicksal bezwingen konnte. Für die skandinavischen Völker, die noch keine eigene Buchstabenschrift besaßen, öffneten sich die Tore der Divination, wenn sie dem Gott ihre Pfeile oder Stäbchen weihten und sie mit rituellen Zeichen versehen.
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