Die Neuordnung der Welt

[Cornelius]

Eines Morgens hat Herr Graf
nach doch viel zu kurzem Schlaf
und noch etwas traumumnachtet
seinen Globus lang betrachtet
und beim Anblick festgestellt,
dass ihn langweilt, wie die Welt
sich in ihre Länder teilt.
Darauf hat er sich beeilt,
ihre Grenzen neu zu ziehen
und ihr frischen Glanz verliehen.

"Wär es nicht von großem Reiz,
läge Tokio in der Schweiz?
Und was wäre schon dabei,
strömt' der Rhein durch Uruguay?

Wenn in den Vereinten Staaten
sich erhöben die Karpaten
und dafür die Appalachen
zögen um ins Reich des Drachen?

Wenn von Köln man mit der Tram
führe flugs nach Vietnam
und in Fedderwardersiel
wär des Jakobsweges Ziel?

Wärs nicht allerliebst, wenn Mailand
Hauptstadt würde nun von Thailand?
Wenn man am Mount Everest
feiert das Oktoberfest?

Oder nein, doch lieber so:
Wäre Deutschland Mexiko,
stiege Hans mit seiner Gretel
auf den Popocatepetl.

Tauschte Transsylvanien
mit dem stolzen Spanien,
wär die Burg von Dracula
dann dem Mittelmeere nah,
oder aber dem Atlantik,
denn auch der ist voll Romantik.

Lägen dann die Niederlande
noch am Südsee-Palmenstrande
und wär Kairo schneebedeckt,
ja, dann wär die Welt perfekt."

Sein Genie kennt keine Schranken.
Wird es ihm die Welt auch danken?
Bald der Geo-Graf es ahnte:
Was er da am Schreibtisch plante,
könnt' in vielen Weltbezirken
auch kein Eildekret bewirken.

Andrer Leute Interessen
hat er dabei schlicht vergessen.
Die Ägypter würds nicht freuen,
auf dem Südpol Salz zu streuen,
und so mancher murrte schon,
läge Rostow nicht am Don.

Also wird nichts umgeschichtet,
alles bleibt, wie es gesichtet.
Nur er selbst hat sich zuletzt
still nach Tonga abgesetzt...