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Alt 02.06.2023, 00:24   #1
weiblich Ex-LetterLady
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Standard Ich - und Friedrich der Zweite.

Wenn man Abbildungen Glauben schenken darf, ritt der Alte Fritz – als er noch nicht so hieß – mit einem Dreispitz auf dem Kopf in seine Kriege. Eine solche Bedeckung sieht gut aus, und die Perücke darunter schützt ja auch noch. Aber damals fielen die Töt-Ursachen noch nicht von oben, da konnte man sich es noch leisten, auf Stahl zu verzichten und statt dessen den Kopf mit weichen Stoffen und Litzen zu bedecken. Ich suchte einmal im Internet nach einer „Waffen-Geschichte“, einer Aufstellung, wer wann welche Waffen benutzt hatte Nach einigen Stunden gab ich auf: zu sehr wurde ich bis in die Steinzeit geführt, und wie sie sich da bekämpft haben, kann man sich ja denken.

Ich bin ein Mensch, der sich erst jetzt – in höherem Alter – ganz viele Gedanken über ganz viele Dinge macht. In der Schule war ich ein „Weiß-nix“, und wo ich etwa nicht gleich etwas verstehen konnte, war ich auch noch faul. Deswegen erschlägt mich jetzt das Internet mit seinen unzähligen Informationen. Ich lese, klicke unterwegs Links an, lese dann dort und komme immer noch auf andere Themen, die mich interessieren. Zeit zum Nachdenken bleibt da wenig. Aber abends kann ich nicht einschlafen. Es gab schon Kriege und Waffen im Jahr dreitausend vor Christi Geburt? Wenn man davon absieht, dass manchmal ums Überleben gekämpft wurde, sind die Gründe sicherlich immer die gleichen gewesen wie bei Kindern, die sich gegenseitig Bauklötze auf den Kopf hauen. Und es wird immer, immer Bauklötze geben. Waffen sind dann das Spielzeug der Narren. Manche kämpfen mit Worten. Das sind die, denen der Weg zur Front zu beschwerlich ist. Sie gehen lieber in ein „Forum“.

Bewusst konfrontiert mit Friedrich von Hohenstaufen (manno, hat der viele Bezeichnungen!) wurde ich später, als meine Schwiegermutter krank war. Sie kam aus einer anderen Stadt in unser Haus, um sich von unseren Ärzten untersuchen und von uns bedienen zu lassen. Kaum hatte sie die Reisetaschen in der Diele abgestellt, als sie sich in die Küche setzte, mir den Speiseplan für drei Wochen diktierte und Anweisungen gab, wie die einzelnen Gerichte zubereitet zu sein hatten. Dann klaubte sie ein fettes Buch aus ihrem Gepäck, setzte sich ins Wohnzimmer und stellte die Heizung so hoch, dass ich zu meinem Mann sagte: „Wenn das so bleibt, gehe ich in Unterwäsche rein.“ Dann wäre sie natürlich „peinlich berührt“ gewesen.

Sie war so völlig anders als eine richtige Oma, denn sie las immer nur selbst und schickte unsere Kinder weg, wenn sie etwas vorgelesen haben wollten. - Während eines ihrer Arzt-Besuche krallte ich mir – ziemlich sauer - das Buch, sah auf dem Einband eine Reiterfigur und darüber die Überschrift „Friedrich II“. Ich schwor mir, mich niemals mit dieser Person aus der deutschen Geschichte näher zu befassen.

Die Schwiegermutter war gar nicht krank gewesen. Als sie abreiste, drehten wir die Heizung wieder herunter und aßen, was uns schmeckte. Nach diesem Besuch konnte sie mich noch weniger leiden als vorher. Unsere Kinder merkten sich das alles: immer, wenn sie wieder kam, zogen sie zu Freunden.

Zwei ererbte Zinnteller mit Reliefs von Friedrich dem Preußen, der an einer Malaria erkrankte, hängte ich in einen dunklen Flur.
Er war eine faszinierende Persönlichkeit.
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Alt 02.06.2023, 02:15   #2
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
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Aber damals fielen die Töt-Ursachen noch nicht von oben, da konnte man sich es noch leisten, auf Stahl zu verzichten und statt dessen den Kopf mit weichen Stoffen und Litzen zu bedecken.
Eiserne Schwerter gab es schon bei den Hethitern, durch deren Eroberungskriege diese Waffen Verbreitung im westlichen Europa fanden. Das war aber noch nicht der gehärtete Stahl, wie wir ihn seit der Industrialisierung kennen. Trotzdem reichten sie aus, "von oben" zu kommen undeinem Gegner bildschön den Kopf zu spalten, oft auch durch den eisernen oder ledernen Schutzhelm hindurch. Nicht jeder Krieger oder Ritter konnte sich nämlich hochwertige Schwerter oder Rüstungen leisten, sie kosteten ein Vermögen. Da mussten die billigeren Varianten oder auch nur Teilstücke reichen.

Übrigens wurde zur Zeit des Preußenkönigs kräftig mit Kanonenkugeln geschossen, die kamen auch von oben. Schießpulver aus Vorderladern und Pistolenkugeln müssen nicht von oben kommen, um einen Kopf zu demolieren, das geht auch etwas flacher zwischen die Augen oder in die Schläfe. Dann gab es noch die Armbrustschützen. Da jedoch ein König nicht selber am Kampf teilnimmt, sondern die Führung der Truppen seinen Generälen überlässt, braucht er sich um seinen Schutz keine allzu großen Gedanken zu machen.


Zitat:
Zitat von LetterLady Beitrag anzeigen
Während eines ihrer Arzt-Besuche krallte ich mir – ziemlich sauer - das Buch, sah auf dem Einband eine Reiterfigur und darüber die Überschrift „Friedrich II“. Ich schwor mir, mich niemals mit dieser Person aus der deutschen Geschichte näher zu befassen.
...
Zwei ererbte Zinnteller mit Reliefs von Friedrich dem Preußen, der an einer Malaria erkrankte, hängte ich in einen dunklen Flur.
Er war eine faszinierende Persönlichkeit.
Ein bisschen sollte man schon über Friedrich den Großen wissen. Wie erfolgreich er einmal werden würde, konnte zur Zeit seiner Jugend niemand ahnen. Während sein Vater (der "Soldatenkönig") der eigentliche Militarist war, zeigte Fritzchen keine Amibitionen zum Herrschen und zur Kriegsführung. Er kleidete sich geziert, sprach Französisch, musizierte und komponierte Stücke, die als kompliziert und schwer spielbar galten. Mit Voltaire, den er zeitweise an den preußischen Hof holte, gab er sich die Aura des Philosophen. Die beiden kamen nicht gut miteinander aus, hielten später aber brieflichen Kontakt. Obwohl Friedrich heiratete, vermutete man darin eine Scheinehe und stellte sich die Frage, ob er möglicherweise homosexuell veranlagt war. Jedenfalls könnte seine enge Jugendfreundschaft mit Katte, den Friedrichs Vater nach einem misslungenen Fluchtversuch der beiden Jungs vor den Augen seines
Sohnes hinrichten ließ, ein Hinweis darauf sein.

Die beiden letzten Sätze deines Textes kann ich nicht einordnen. Offensichtlich hast du dich entgegen deines Vorsatzes doch mit Friedrichs Biografie befasst. Woher sonst weißt du über seine Malariaerkrankung Bescheid? Und wie könntest du ihn sonst für faszinierend halten?
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.06.2023, 09:19   #3
weiblich Ex-LetterLady
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Beiträge: 108

Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
.................................................. ...

Die beiden letzten Sätze deines Textes kann ich nicht einordnen. Offensichtlich hast du dich entgegen deines Vorsatzes doch mit Friedrichs Biografie befasst. Woher sonst weißt du über seine Malariaerkrankung Bescheid? Und wie könntest du ihn sonst für faszinierend halten?

Diese beiden letzten Sätze sind - als Anhang an den Text davor - gedacht als Ausdruck dessen, wie man als Autor manchmal eine 'verunsicherte Person' sein kann, wenn man nach dem Schreiben noch einmal liest, was man da von sich gegeben hat.
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