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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 16.01.2023, 09:23   #1
männlich Epilog
 
Dabei seit: 10/2019
Ort: in den Wolken
Alter: 56
Beiträge: 525

Standard auferstehung

auferstehung

(das war am 18.04.2022)

der ostermontag gab sich klar und kalt
ließ dich und mich sich doch zusammenraufen
als wollten wir uns alltags trott erkaufen
so fuhren wir zum parkplatz hoch, am wald

wo es dann bald schon zu entscheiden galt
recht steil bergan oder bergab zu laufen
doch wanderwege sind wie große schlaufen
so machten wir auf freier strecke halt

und haben platz auf einem baum genommen.
"es wär mir leicht, weiter bergab zu gehen
doch unmöglich, dann wieder hoch zu kommen"

hast du gesagt. "war nur ein kurzes stück."
dann schafften wirs, vom stamm-sitz aufzustehen
und schweigend gingen wir den weg zurück
Epilog ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.01.2023, 10:05   #2
weiblich Donna
 
Dabei seit: 02/2020
Beiträge: 406

Lieber Epilog
Bei einer so netten Auferstehung lacht das Herz. Drama im Kleinen und in der Banalität von Gedanken, die zur Alltagsphilosophie hinführt. Wie das LI muss man schon eine Ahnung von verschlungenen Pfaden haben, um zu wissen, was man sich zumuten kann und eine Ahnung von Sonetten. Ist die letzte Strophe der Epilog? Für das LI ist es eine Auferstehung. Vielleicht der erste Spaziergang nach einer Krankheit. Dabei will sich mir die die Rolle des LD's noch nicht sofort erschließen: "war nur ein kurzes Stück"- Warum erwähnt er das ausdrücklich? Die Kürze eines Weges ist ja immer relativ. Ist er unzufrieden, weil ihm der Weg doch unverhältnismäßig kurz für einen Osterspaziergang erschien? Im Verständnis zur anzunehmenden Gehschwäche des LI hätte man ihn in aller aufmunternden Empathie in etwa sagen lassen: "Toll, dass du dieses große Stück wieder geschafft hast, und dass wir gemeinsamen Zeit gefunden haben, über die einstigen verschlungenen Pfade nachzudenken"
Aber das LD sagt: "war nur ein kurzes Stück" und das LI weiß, dass beide gerne mehr gegangen wären, dass sie in Gedanken auf ihrem Stamm-Platz viel größere Wege zurücklegen.
Für das LI war es bestimmt ein großes Stück, wenngleich Wille und die körperliche Kraft nicht übereinstimmen. Es war sogar eine Auferstehung.
Nun, der "Stamm- Sitz" deutet zumindest ein Ritual an, welches beide im inneren Einverständnis um die Situation zurückkehren lässt.
Und manch trainierter Wandersmann wird vermtl. forschen Schrittes an der scheinbaren Banalität des Sonettes vorbei staksen.
Stark geschrieben. Donna
Donna ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.01.2023, 16:25   #3
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.082

Zitat:
Zitat von Epilog Beitrag anzeigen
als wollten wir uns alltags trott erkaufen
so fuhren wir zum parkplatz hoch, am wald
So stellt man sich den Alltagstrott vor, den man sich erkaufen will: Nicht in der S-Bahn und an der Werkbank oder am Schreibtisch, sondern auf einem hochgelegenen Parkplatz im Wald


Zitat:
Zitat von Epilog Beitrag anzeigen
wo es dann bald schon zu entscheiden galt
recht steil bergan oder bergab zu laufen
Was gibt es denn, wenn man schon so weit "hoch" ist, noch zu entscheiden? Da steigt man halt ab, und dan wieder auf, um zum Parkplatz zurückzukommen. Oder man macht einen Rundgang. Ist doch ganz einfach.

Zitat:
Zitat von Epilog Beitrag anzeigen
und haben platz auf einem baum genommen.
"es wär mir leicht, weiter bergab zu gehen
Wie die Affen? Aha, jetzt ist klar: Man wandert bergab. Da ist es natürlich sinnvoll, mal auf einem Baum Platz zu nehmen, um die Landschaft zu überschauen. Man will ja wissen, wo man ist.

Zitat:
Zitat von Epilog Beitrag anzeigen
dann schafften wirs, vom stamm-sitz aufzustehen
Was ist ein "stamm-sitz"?

Lustiges Gedicht. Geeignet als Fanal in die Narrenzeit. Helau!
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.01.2023, 18:31   #4
männlich Epilog
 
Dabei seit: 10/2019
Ort: in den Wolken
Alter: 56
Beiträge: 525

Standard Vielen Dank

liebe Donna, für Deine Aufmerksamkeit und Deine Kommentierung. Ich freue mich vor allem, dass mein Geschreibsel wiederum für viele Deutungen offen bleibt, auch hintergründige oder sogar humoristische (siehe ein anderer Kommentar ...). Tatsächlich ist das meiste was ich seit Juli 2021 hier eingestellt habe, als Trauerarbeit zu verstehen - tatsächlich auch dieser Text, der aber durchaus gewollt auch leicht satirische Aspekte enthält: das mühsame Hochwuchten vom Baum (der natürlich gefällt am Wegrand liegt) als "Auferstehung" (weil es wirklich am Ostermontag war), auch Alltags Trott und Stamm-Sitz haben so ihre Bedeutungen, um unterschiedliche Assoziationsketten auszulösen.

Zitat:
Zitat von Donna Beitrag anzeigen
Vielleicht der erste Spaziergang nach einer Krankheit.
Tatsächlich war es der letzte gemeinsame Spaziergang mit meiner Frau, bevor sie keine zwei Wochen später endgültig zum Pflegefall wurde und drei Monate später starb. Ihre fast wörtlich zitierte Aussage, als es nach kurzem Wegstück nicht mehr weiterging, fasst (für mich) durchaus auch die Synthese des Sonetts zusammen: Wenn man immer (oder auch nur heute) den Weg des geringsten Widerstands wählt, kommt es später doppelt und dreifach dicke. "Es geht bergab" kann dabei ja auch wieder eine vielsagende Bedeutung annehmen. Wir sind halt den kurzen Weg zum Parkplatz zurückgegangen, weil wir da irgendwie das Ende akzeptiert haben. Für Deine Deutung, die wahrscheinlich eher in Richtung "Beziehungsarbeit" (mit "Höhen und Tiefen") geht, wäre ein abschließender Vers im Sinne von "um voller schwung die steigung anzugehen" sicherlich passender gewesen.

@Ilka-Maria: "Lustiges Gedicht."
Freut mich - denn der Unterhaltungswert ist doch das höchste Qualitatätskriterium. Und:

Ist die Komik unfreiwillig
kommt das Lachen doppelt billig

Schönen Abend, Epilog
Epilog ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.05.2023, 20:47   #5
Ex-Pennywise
abgemeldet
 
Dabei seit: 12/2020
Beiträge: 599

Moin Epi,

ich weiß genau, was Du Dir hier von der Seele geschrieben hast. Du hast das bildlich gut umgesetzt. Auch sollte irgendwie klar sein, dass es sich hier um einen umgekippten oder gefällten Baum handelt. Das kann man schon durch den Stamm-Sitz ableiten. Sehr nachdenkliche Zeilen von Dir, die ich noch ein paar Mal lesen werde. Auch um letztlich alles, was dazwischen steht zu erkennen. Ich hoffe, das Schreiben hilft Dir.
Jedenfalls ist es gut. Aber das ist es bei Dir im Grunde immer. Nicht auf Anhieb zu verstehen, aber es lohnt sich, Deine Texte zu entschlüsseln.

Gruß

Pennywise
Ex-Pennywise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.05.2023, 21:47   #6
männlich Epilog
 
Dabei seit: 10/2019
Ort: in den Wolken
Alter: 56
Beiträge: 525

Lieber Pennywise,

herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Ja, es sind immer so "Jahrestage", die ich irgendwie lyrisch verarbeiten muss - "Was, ist das schon wieder ein Jahr her?". Man möchte irgendwie die Zeit anhalten, wie Du es auch gerade "im Hinterland" auf faszinierende Weise getan hast. Was dabei herauskommt, ist (bei mir) oft schwachsinnig und unverständlich, aber deshalb immerhin auch manchmal unterhaltsam.

Weil Du die Dinge zwischen den Zeilen ansprichst, die in meinen Texten eigentlich immer vorhanden sind: Kennst Du den Titel "Halt auf freier Strecke", der in S2 V4 angedeutet ist? Falls nicht, google mal danach ...

Eine angenehme Nachtruhe

wünscht EPI
Epilog ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.05.2023, 23:44   #7
Ex-Pennywise
abgemeldet
 
Dabei seit: 12/2020
Beiträge: 599

Sorry, aber das wird deinen Texten nicht gerecht. Schwachsinnig ist da gar nichts. Ich finde diesen Tiefgang halt extrem krass und bewundernswert. Etwas so zu verschleiern ist eine Kunst für sich. Ich könnte es nicht. Dafür denke ich nicht komplex genug. Ich würde mich immer einfacher ausdrücken, weil sonst mein Hirn explodieren würde.
Den Titel google ich gleich mal. Und eben so etwas meine ich... Bei Dir hat wirklich jedes Wörtchen und jeder Hinweis einen tiefen Sinn.
Danke übrigens für die Blumen bzgl. Hinterland. Für meine Verhältnisse ein sehr komplexer Gedankengang, den ich da zu Papier gebracht habe. Ich mach es normalerweise einfacher.

Gruß

Penywise

PS
Du meintest den Film richtig?
Ex-Pennywise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.05.2023, 12:33   #8
männlich Nöck
 
Benutzerbild von Nöck
 
Dabei seit: 12/2009
Ort: In den Auen des Niederrheins
Beiträge: 2.662

Hallo Epilog,

es ist alles gesagt und erläutert worden, das macht deinen Text im Nachhinein zu etwas ganz Persönlichem. Wie schön, dass du diese Momente aufbewahren und mit uns teilen konntest.

Liebe Grüße
Nöck
Nöck ist offline   Mit Zitat antworten
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