Gott und Poet

[Heinz]

Zeus bin ich, ein Gott, und teils zufrieden, teils erschüttert
blicke ich erstaunt auf das, was meinem Haupt entsprungen.
Mir ist, als ich von meinem eignen Geist umwittert,
die Welt erfand mit lässig göttlicher Gebärde,
so manches miserabel, vieles gut gelungen.
Der Fehler größter war der Mensch auf dieser Erde.

Ich dachte „faciamus homines“ und augenblicklich
entstand aus der Idee die Tat, ich war fürwahr erschrocken;
da stand es nun, mein Ebenbild - zum ersten Mal entdeckt ich mich
und fragte - WEN?, es war ja außer mir in jenen ersten Stunden
noch niemand da und Adam? - Der war hintern Ohren noch nicht trocken.
Die Frage war: Wer hat hier wen und überhaupt warum erfunden?

Ich sags mal so: Bei mir ist nichts von Zeit und Raum begrenzt,
drum schuf ich, Adam, dich, auf dass du meinen Schaffensdrang
bewunderst und ihn dann mit deinem Tatendurst ergänzt,
Du wirst der neuen Welt die größten Wunderdinge schenken -
vernimm mein Gotteswort, befolg es treu und lebenslang!
Gehorchst du nicht, werd ICH den goldnen Götterdaumen senken.

Ganz nebenbei, ICH hab so meine göttlichen Gedanken,
erschuf ich Lilith, diese fleischgewordne Poesie,
und Adams Lobgesänge fanden anfangs keine Schranken.
Aus unermesslich weiten Fernen schau ich auf mein Meisterstück,
den Solitär des Alls - in meiner kühnsten Phantasie
erträumt ich für die Menschenkinder Frieden, Freude, Liebsglück.

Was ist aus meinem genialen Plan geworden?
Nur selten sehe ich die Menschen fröhlich lachen;
so viele Erdenwürmer lügen, stehlen, morden -
weshalb hab ich die ganze Brut mit einem Donnerwort noch nicht vernichtet?

Prometheus wagte es ein Feuer zu entfachen, und heller wurde es im Kopfe von Poeten und -
ein Mensch, der dichtet, Erschaffer ganzer Welten ist, der darf sein Haupt bekränzen,
als Genius auf dem Olymp an meiner Seite sitzen.
Die Musen küssen ihn, Apollon schleift die ird‘schen Grenzen,
die Welt wird schöner durch Gedichte - heller strahlt die Sonne,
auf meinem Pupurmantel tausend goldne Sterne blitzen -
und allem Ungemach zum Trotze siegen Glück und Liebeswonne.

[Ilka-Maria]

Herrgott nochmal, Heinz! Müssen es immer derart ausladende Verse sein?

Ich mag sie nicht, ich mag sie nicht, ich mag sie in drei Teufels Namen nicht. Aber sie sind einfach toll, und deine Sprachverliebtheit und Virtuosität sind einfach betörend. Sei's drum, mir musst du es nicht recht machen. Jeder nach seinen Leidenschaften.

Es gibt Schlimmeres . Ich habe heute den Lanz-Talk von gestern nachgeholt, und da stellte Grönemeyer (für mich ein "Grölemeyer") einen Song aus seinem neuesten Album vor. Keine Ahnung, warum Menschen es sich antun sollen, so etwas zu hören, sowohl musikalisch wie textlich, von der Präsentation ganz zu schweigen. Wenn ich zwischen deinen und seinen Werken zu wählen hätte, fiele mir die Entscheidung leicht. Finde ich, Freund des knappen und nüchternen Stils, selber komisch - ist aber so.

Liebe Grüße
Ilka

[Heinz]

Liebe Ilka-Maria,
ich habe es Silbermöwe gegenüber schon erwähnt: Du trägst die Schuld an der vor mir liegenden, schlaflosen Nacht.
So eine vernichtende, lorbeerumkränzte Kritik haut mich aus den Socken (aber die wollte ich vor meinem Gang zur nächtlichen Ruhestatt sowieso ausziehen).
Dass Du Dich, Obwalterin des lapidaren, klaren Wortes, trotzdem zu Bemerkungen wie "betörend" und "toll" hinreißen lässt, sprengt die eisernen Ringe um meine stolzgeschwellte Brust. Merci! Danke!
Mit Deiner "Grölemeyer"-Kritik rennst Du bei mir offene Türen ein. Wer findet solche rausgehusteten Knarrlaute schön? So weit geht mein Masochismus nicht, dass ich mir das eine Stunde vor Mitternacht noch antue.
Deine Distanz zu überschwänglichem Schreibstil kann ich verstehen und lese deshalb nach fast einem halben Jahrhundert die Kalevala (ich will nicht alles wiederholen, was ich Silbermöwe geschrieben habe). Die Sprachgewalt dieses finnischen Nationalepos setzt sich auch in der deutschen Übersetzung durch (ich bin des Finnischen nicht mächtig). Aber ich habe einen finnischen Sänger einige Runen aus der Kalevala singen hören - mit unerwartet mächtiger Stimme (auffällig bei dem von leisen Tönen bestimmten Volksfest) - und nun merke ich, wie sehr das laute Lesen der Runen (wir würden sagen: Kapitel) die ersten Verse eines neu begonnen Gedichts beeinflussen.
Lieben Dank noch einmal,
Heinz

[Georg C. Peter]

Zitat von Heinz

die Welt wird schöner durch Gedichte - heller strahlt die Sonne,
auf meinem Pupurmantel tausend goldne Sterne blitzen -
und allem Ungemach zum Trotze siegen Glück und Liebeswonne.

Lieber göttlicher Zeinz...äh...Heuns...äh...HEINZ (jetzt hab ich's )!

Dass manche Dir die ausgedehnten Zeilen argen,
dass auch mitan die Wortwahl wird verlacht,
dies lasse Dir das Leben nicht verzargen:
Ersinne weiter! Weit hast Du's gebracht!

Holder Dichter,
des Reimes schwurbeliger Bandwurm ist mir die höchste Labsal,
ich trink sie gierig wie Ambrosia-Schorle!
Und kriege NIE genug!

Göttliches Prösterchen,
Schorsch vom Olymp

[Heinz]

Danke,lieber Freund! mehr bringe ich heutenicht zustande.
Liebe Grüße,
Dein Heinz

[dr.Frankenstein]

Hat nicht eigentlich Prometheus die Menschen erschaffen?

[Heinz]

Lieber dr.Frankenstein,
dem griechischen Mythos zufolge hast Du natürlich Recht!
Ich dreh die Sachen gerne u und behaupte: Götter gibt es nur, wenn sie von Menschen erschaffen wurden.
Liebe Grüße,
Heinz

[Nöck]

Lieber göttlicher Dichter der Langverse,

Zitat von Heinz

Götter gibt es nur, wenn sie von Menschen erschaffen wurden.

und wer hat dich erschafft?

Lieben Gruß
Nöck

[Heinz]

Lieber Nöck,
Deine Frage verführt dazu, in unerforschliche Tiefen zu blicken. Ich kann sie jedenfalls nicht beantworten.
Liebe Grüße,
Heinz