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Kapitel 15: Der Pilot
Der Himmel über der Insel war an diesem Nachmittag von ungewöhnlicher Stille erfüllt. Kein Wind, kaum Wellengang, nur das Summen der Insekten in den Feldern. Dann kam das Donnern – erst fern, dann ohrenbetäubend nah. Ein schwarzer Punkt zog eine glühende Spur über das Blau. Ein Kampfjet, brennend, taumelnd, Rauch und Funken hinter sich herziehend. Für einen Moment hielt die ganze Insel den Atem an. Das Dröhnen vibrierte durch den Boden, als die Maschine über die Berge raste, tiefer und tiefer sank – und schließlich in der Ferne, hinter den Klippen, mit einem gleißenden Feuerball zerschmetterte. Doch kurz davor öffnete sich ein Feuerschirm. Ein Pilot, kaum mehr als ein dunkler Punkt am Himmel, trieb im Wind und landete unsanft auf einer Weide unweit der Wälder. Die Wächter erreichten ihn zuerst, ihre Hunde bellten, Gewehre im Anschlag. Der Mann war schwer verletzt, aber lebendig. Sein Helm zerbeult, sein Gesicht blutverschmiert, die Uniform eindeutig militärisch. Er röchelte, während man ihn zum Wohnhaus trug. Die letzten Nachrichten Im Speisesaal versammelten sich alle, als der Pilot, notdürftig verbunden, mit brüchiger Stimme sprach. Seine Worte waren das letzte Stück Welt, das die Inselbewohner erfahren würden: „Der Himmel gehört niemandem mehr. Überall Kampfjets, Drohnen, Raketen. Die Amerikaner kämpfen verzweifelt im Pazifik, aber sie verlieren. Die Flotten sind zerschlagen… die Versorgungslinien tot.“ Er hustete Blut, redete weiter: „Europa existiert nicht mehr. Russland hat alles verschlungen. Amerika ist allein… und selbst dort… die Städte… Hamsterkäufe, Panik…“ Ein Raunen ging durch die Gefangenen und Schiffbrüchigen. Manche pressten die Hände vors Gesicht. Andere starrten stumm. „Wir… wir sind abgeschnitten,“ flüsterte der Pilot, „und niemand wird kommen. Nicht mehr.“ Die Insel nach der Nachricht Die Worte schlugen tiefer als jede Peitsche, tiefer als jede Hinrichtung. Selbst die härtesten unter den Gefangenen spürten, dass es nun keine „Außenwelt“ mehr gab, an die man sich klammern konnte. Jonas Keller sah die Chance: „Jetzt müssen wir handeln. Es gibt niemanden mehr, der uns kontrolliert außer Hartmann. Wir sind die Insel.“ Rafe Ortega, gefesselt und bewacht, grinste blutig: „Dann ist es so, wie ich immer sagte. Wer hier die Macht nimmt, der hat die Welt. Mehr bleibt nicht.“ Lina Varga schwieg, doch ihre Augen glitten zu Hartmann – sie wusste, er wusste mehr. Hartmanns Entscheidung Im Direktorenhaus war die Stimmung eiskalt. Elena blickte ihren Mann an. „Jetzt ist es soweit. Es gibt kein Festland mehr, keine Regierung, die uns befehligt. Nur wir.“ Hartmann nickte, sein Gesicht grau. „Dann ist es Zeit, den Bunker vorzubereiten.“ Sein Blick war schwer. „Aber wir müssen klug sein. Wenn sie erfahren, dass es diesen Ort gibt, werden sie uns zerreißen.“ Elena legte ihre Hand auf seine Schulter. „Dann müssen wir wählen, Aurelian. Wer wird mit uns überleben – und wer wird fallen?“ Die Insel bebte unter zwei Wahrheiten: Draußen war die Welt in Flammen. Drinnen begann das Ringen um die Zukunft – auf einer Insel, die nun vielleicht der letzte sichere Ort auf dem Planeten war. Zwischenspiel: Das Gespräch über Atomwaffen Die Nacht war still, nur das Rauschen der Brandung gegen die Klippen war zu hören. Im Büro des Direktorenhauses brannte eine einzelne Lampe, die den Tisch in gelbes Licht tauchte. Hartmann saß am Fenster, die Hände schwer auf den Armlehnen, während Elena schweigend Tee einschenkte. „Er hat es gesagt,“ murmelte Hartmann, „der Pilot. Amerika steht allein. Und wenn sie fallen, fällt alles.“ Elena stellte die Tasse ab, ihre Augen ruhig und scharf. „Du glaubst nicht, dass sie noch eine Chance haben?“ Hartmann schüttelte den Kopf. „Nur eine. Die Atomwaffen. Sie haben die größte Abschreckung der Welt. Aber wenn sie die einsetzen, wenn sie diese letzte Karte spielen, dann…“ – er brach ab, seine Stimme brüchig – „…dann gibt es kein Amerika mehr. Kein China. Kein Russland. Keine Welt.“ Er sah sie an, sein Blick tief und schwer. „Und wir… wir wären vielleicht die Letzten. Hier. Auf dieser Insel.“ Elena legte ihre Hand über seine. „Dann müssen wir den Bunker vorbereiten. Wir dürfen nicht zögern. Wenn die Bomben fallen, bleiben uns vielleicht nur Minuten.“ Hartmann nickte langsam. Doch in seinen Augen lag nicht nur Angst, sondern auch Entschlossenheit: die bittere Erkenntnis, dass er nun Gott und Henker zugleich war. Kapitel 16: Die Spaltung Die Worte des Piloten hatten die Insel erschüttert, und nun zeigte sich offen, was längst gärte: Die Gemeinschaft zerfiel in Lager. Lager 1 – Hartmanns Ordnung Hartmann sammelte die Wächter, alte wie neue, und erklärte, dass nur strikte Disziplin das Überleben sichern könne. Für ihn war klar: Wer arbeitete, durfte leben. Wer rebellierte, starb. Der Bunker blieb sein Geheimnis – doch er begann Listen im Verborgenen zu schreiben, wer „würdig“ wäre, wenn der Tag kam. Lager 2 – Jonas und die Funkhoffnung Jonas, trotz seiner Verletzung, war getrieben von einer fixen Idee: „Wenn wir ein Signal hinausbekommen, vielleicht irgendwohin, wo noch Menschen sind – dann haben wir eine Chance. Wir müssen nicht nur Hartmanns Bauern sein.“ Einige politische Gefangene und zwei Schiffbrüchige folgten ihm, in der Hoffnung auf eine Stimme aus der Leere. Lager 3 – Rafe und die Ausgestoßenen Rafe, von Becker nach der blutigen Revolte gefangen, hatte Wege gefunden, heimlich Botschaften ins Dorf zu schmuggeln. Er versprach den Ausgestoßenen, dass bald der Moment für einen großen Schlag käme. „Hartmann kann nicht alle schützen,“ flüsterte er. „Und wenn draußen alles in Flammen steht, dann gehört diese Insel dem, der sie nimmt.“ Lager 4 – Die Verzweifelten Zwischen den Fronten standen viele, die einfach überleben wollten: Bauern, Viehzüchter, Handwerker. Manche schlossen sich still an Hartmann an, andere lauschten heimlich Jonas’ Worten. Doch über allen lag ein wachsender Druck, eine Angst, die wie ein unsichtbarer Nebel alles durchdrang. Die erste offene Konfrontation Eines Abends, als im Speisesaal wieder Brot und Eintopf verteilt wurde, brach der Streit offen aus. Ein Schiffbrüchiger rief: „Wir sollten uns auf Hartmann verlassen, er hat Recht – das hier ist der einzige sichere Ort!“ Ein Gefangener schrie zurück: „Er hält uns wie Vieh! Er wird uns opfern, wenn es ihm passt!“ Fäuste flogen, Stühle krachten, der Saal explodierte in Chaos. Wächter stürmten hinein, zogen Gewehre, Jonas’ Anhänger schrien „Freiheit!“, während Rafes Leute aus dem Dorf zeitgleich einen nächtlichen Überfall auf die Stallungen wagten. Es war der Moment, in dem klar wurde: Die Insel war kein Gefängnis mehr. Sie war ein Schlachtfeld. Und über allem hing die unausgesprochene Wahrheit: Wenn Amerika die Atomwaffen einsetzte, wenn draußen das Ende kam – dann entschied sich hier, auf diesem Stück Land im Pazifik, wer die letzten Überlebenden der Menschheit sein würden. Kapitel 17: Der Bürgerkrieg Die Insel, die einst wie ein Paradies wirkte, war nun von Rauch, Schreien und Blut erfüllt. Was mit Schlägereien und kleinen Aufständen begann, hatte sich zu einer offenen Spaltung entwickelt. Die Fronten Hartmanns Lager: Wächter, Schiffbrüchige in Uniform und jene Gefangenen, die in Ordnung und Disziplin die einzige Chance sahen. Sie kontrollierten den Hafen, das Direktorenhaus und die Funkstation. Jonas’ Lager: Politische Gefangene und einige Schiffbrüchige, die an die Hoffnung eines Signals glaubten. Sie hielten die Werkstätten und versuchten, mit improvisierten Geräten Kontakt nach außen herzustellen. Rafes Lager: Die Ausgestoßenen aus dem Dorf, mit Messern, Stangen, gestohlenen Werkzeugen – wild, brutal, aber entschlossen. Sie nutzten die Wälder als Rückzugsort und griffen in schnellen Überfällen an. Die Neutralen: Bauern, Holzfäller, Viehzüchter – hin- und hergerissen, von allen Seiten gezwungen, Stellung zu beziehen. Das erste Blutbad Es begann mit einem Überfall. Rafes Männer aus dem Dorf griffen die Felder an, stachen Tiere nieder, um Nahrung und Chaos zu verbreiten. Jonas’ Leute sahen ihre Chance und stürmten zeitgleich ein Nebengebäude des Direktorenhauses, um an die Funkkabel zu gelangen. Hartmann reagierte eiskalt: „Schießt. Keine Warnung. Wer sich erhebt, stirbt.“ Kain Becker führte die Wächter, das Gewehr fest im Griff, seine Hunde kläffend an der Seite. Im Hof krachten Schüsse, Schreie hallten, und die Erde sog das erste Blut in Strömen auf. Ein Schiffbrüchiger in Uniform fiel getroffen neben dem Brunnen. Ein Gefangener, der eben noch ein Signalgerät trug, wurde durch eine Salve niedergestreckt. Rafes Leute warfen Fackeln in den Stall – Flammen leckten an den Holzwänden, Pferde wieherten panisch. Die Insel war nicht länger ein Gefängnis – sie war ein Kriegsschauplatz. Das Geheimnis im Untergrund Während über der Erde gekämpft wurde, schloss Hartmann im Direktorenhaus eine schwere Stahltür auf. Elena stand hinter ihm, eine Taschenlampe in der Hand. „Es ist soweit,“ sagte sie leise. „Sie bringen sich oben gegenseitig um. Wir… wir müssen uns vorbereiten.“ Sie stiegen hinab in den Atombunker. Beton, Stahl, Konserven in Regalen, Wasserfilter, ein eigener Stromgenerator. Platz für vielleicht dreißig Menschen – nicht mehr. „Wir müssen bald wählen,“ murmelte Elena. „Wer mit uns hinunterkommt. Wer draußen bleibt.“ Hartmanns Gesicht war hart. „Ja. Und diese Wahl wird grausamer sein als jede Hinrichtung.“ Die Insel brennt Am Strand flackerten Feuer, die Wälder hallten von Rufen wider. Jonas versuchte, mit einem kleinen Team die Funkanlage zu aktivieren – doch die Kabel waren beschädigt, und nur ein schwaches Rauschen antwortete. Rafe schrie im Wald, während er seine Leute zu neuen Angriffen antrieb: „Die Insel gehört uns! Reißt sie nieder!“ Hartmann ließ über die Lautsprecheranlagen rufen: „Alle, die nicht sofort die Waffen niederlegen, werden als Verräter behandelt!“ Doch niemand legte die Waffen nieder. Die Insel, die wie ein Paradies aussah, war zum Bürgerkrieg im Kleinen geworden. Und über allem stand die drohende Erkenntnis: Wenn draußen die Welt im Atomfeuer versank – dann entschied sich hier, wer übrig blieb. Kapitel 18: Der letzte Angriff Die Insel brannte. Überall loderten Feuer: Ställe, Felder, einzelne Hütten. Der Himmel war voller Rauch, und selbst die Windräder wirkten wie gespenstische Schatten, die sich in der glutroten Dämmerung drehten. Die Kämpfe hatten alle Seiten geschwächt. Doch nun sammelten sich zwei Lager für das, was unausweichlich war: die Entscheidungsschlacht. Jonas und Rafe – Feinde, die Verbündete wurden. Im Chaos hatten sich Jonas und Rafe gefunden. Misstrauen war noch immer zwischen ihnen, aber beide erkannten, dass Hartmann der eigentliche Gegner war. „Du willst die Funkstation,“ knurrte Rafe. „Und du willst die Macht,“ fauchte Jonas. „Also nehmen wir beides,“ sagte Lina Varga kalt, die mit ihnen stand, das Gesicht voller Dreck und Blut, die Augen so still wie Eis. Ihre Gruppen vereinigten sich: politisch motivierte Gefangene, wütende Ausgestoßene, ein paar Verzweifelte aus dem Wohnhaus. Mit improvisierten Waffen, gestohlenen Gewehren und brennenden Fackeln bewegten sie sich wie ein Schatten durch die Nacht – ihr Ziel: das Direktorenhaus. Hartmanns Bunker – die letzte Zuflucht Unterdessen stand Hartmann im Bunker. Regale voller Konserven, Wasserfilter, medizinische Vorräte – genug für Jahre. Elena überprüfte die Systeme, das Summen der Generatoren erfüllte den Raum. „Wir können dreißig mitnehmen,“ sagte sie. „Nicht mehr.“ Hartmann sah sie hart an. „Dann wählen wir. Die Wächter. Einige der Schiffbrüchigen. Vielleicht ein paar von den Gefangenen, die loyal waren. Aber Jonas, Rafe, Lina – niemals.“ Er atmete schwer. „Sie dürfen nicht einmal erfahren, dass es diesen Ort gibt.“ Die Schlacht um das Direktorenhaus Die erste Welle kam in der Nacht. Rafe führte die Angreifer, Jonas hielt sich im Hintergrund, fixiert auf die Funkanlage. Aus den Schatten stürmten sie, warfen brennende Stoffballen gegen die Mauern, drangen durch die Fenster. Wächter und Schiffbrüchige schossen zurück. Kugeln zersplitterten Stein, Schreie hallten durch den Hof. Ein Hund stürzte sich auf einen Angreifer, wurde im Gegenzug von einem Speer durchbohrt. Jonas erreichte das Nebengebäude, riss die Tür zur Funkstation auf – nur um Kabel zu finden, die hastig zerschnitten worden waren. Hartmann hatte vorgesorgt. Jonas brüllte voller Verzweiflung. Rafe hingegen schien in seinem Element. Mit einer Gruppe Ausgestoßener kämpfte er sich durch die Korridore des Direktorenhauses. Blut spritzte an die Wände, Schüsse hallten, bis er schließlich in den Vorraum des Büros gelangte. Hartmanns letzte Entscheidung Über den Lautsprecheranlagen hallte Hartmanns Stimme, kalt und fest: „Dies ist eure letzte Chance. Legt die Waffen nieder – oder ihr sterbt.“ Aber niemand legte sie nieder. Hartmann sah Elena an. „Es ist Zeit.“ Gemeinsam aktivierten sie den Mechanismus. Unten im Bunker begannen die Türen sich zu schließen – langsam, schwer, wie ein Herzschlag aus Stahl. Becker und Mira führten ausgewählte Wächter und Schiffbrüchige hinunter. Jeder, der nicht auf der Liste stand, wurde zurückgelassen. „Wenn wir das Tor schließen,“ sagte Elena leise, „gibt es kein Zurück.“ Hartmann nickte, während oben im Haus Kugeln einschlugen und Schreie lauter wurden. „Dann soll die Insel in Blut untergehen. Aber wir – wir werden überleben.“ Die Kulmination Die Türen des Bunkers schlossen sich mit einem metallischen Dröhnen. Rafe erreichte den Vorraum – zu spät. Er hämmerte mit blutverschmierten Fäusten gegen die kalte Stahltür, seine Schreie hallten durch die Gänge. Jonas, verwundet und halb wahnsinnig vor Verzweiflung, schrie in das tote Funkgerät. „Irgendwer muss uns hören! Irgendwer!“ Doch nur das Rauschen antwortete. Und draußen, über den Bergen, grollte ein ferner Donner – oder vielleicht das Echo einer Bombe, weit weg im Pazifik. Kapitel 19: Zwei Welten, eine Insel Oben – die Zurückgelassenen Das Direktorenhaus war eine Ruine, der Hof ein Schlachtfeld. Die Luft stank nach Rauch, Blut und verbranntem Holz. Pferde irrten verstört über die Felder, manche Hütten lagen in Schutt und Asche. Jonas, mit einem notdürftigen Verband über der Schulter, stand am Rand des Speisesaals, der nun als Lazarett diente. Verwundete lagen auf Strohmatten, Schiffbrüchige und Gefangene versorgten sie mit Wasser, Stofffetzen und Kräutern. „Wir haben überlebt,“ sagte er mit rauer Stimme, „aber Hartmann hat sich eingemauert. Er glaubt, er kann den Rest von uns hier verrotten lassen.“ Rafe lachte bitter. Er war blutverschmiert, aber lebendig, und in seinen Augen brannte der alte Hunger nach Macht. „Dann bauen wir unser eigenes System. Ohne Hartmann. Ohne Wächter. Wir nehmen, was wir brauchen, wir herrschen nach unseren Regeln.“ „Nein,“ widersprach Jonas heftig, „wir schaffen eine Ordnung, die gerecht ist. Jeder arbeitet, jeder hat seinen Platz. Wenn wir nicht zusammenhalten, gehen wir alle unter.“ Die beiden standen sich gegenüber wie Spiegelbilder einer gespaltenen Welt. Und Lina, schweigend zwischen ihnen, sah beide an – als ob sie bereits wusste, dass die Entscheidung nicht nur über die Insel, sondern vielleicht über die Menschheit fallen würde. Unten – die Auserwählten im Bunker Unter der Erde herrschte eine andere Realität. Das schwere Stahltor war geschlossen, die Welt draußen abgeschnitten. Der Bunker war hell, steril, voll Vorräten und Strom – und doch lag über allem ein Gefühl von Gefangenschaft. Hartmann saß mit Elena im zentralen Raum. Becker patrouillierte mit zwei Schiffbrüchigen, bewaffnet, misstrauisch. Mira Solberg hingegen wirkte ruhiger, doch ihre Augen beobachteten alles. „Wir sind sicher,“ sagte Hartmann. „Wenn die Bomben fallen, wenn die Welt draußen verbrennt – wir überleben. Wir sind die Arche.“ Doch selbst unter den Auserwählten begann es zu rumoren. Einige der Schiffbrüchigen wollten zurück nach oben, nach ihren Familien sehen, obwohl sie wussten, dass es unmöglich war. Andere flüsterten von Verrat, von der Frage, warum gerade sie ausgewählt wurden und andere nicht. Elena warnte Hartmann: „Du hast sie hier unten in Sicherheit gebracht, aber du hast auch den Samen des Misstrauens gesät. Sie werden fragen, warum so wenige Platz haben – und warum so viele draußen sterben müssen.“ Hartmanns Gesicht war kalt. „Dann sollen sie fragen. Ich habe das Recht zu entscheiden. Ich bin das Gesetz.“ Die Insel im Übergang Oben: Chaos, Freiheit, der Versuch, eine neue Gemeinschaft zu gründen – mit Jonas’ Gerechtigkeit und Rafes Hunger nach Macht. Unten: Sicherheit, Vorräte, aber eine klaustrophobische Enge und wachsender Argwohn gegenüber Hartmanns Entscheidungen. Und draußen, jenseits der Insel, war die Welt vielleicht schon im Feuer erloschen. Der Himmel blieb leer, nur Möwen kreisten. Aber jede Nacht grollte in der Ferne ein Donner, den niemand mehr als bloßes Wetter deuten konnte. Die Insel war nun mehr als ein Gefängnis. Sie war ein Mikrokosmos der Menschheit – gespalten, verfeindet, und doch das vielleicht letzte Stück Erde, das noch Leben trug. Kapitel 20: Zwei Kämpfe um die Zukunft Oben – Jonas gegen Rafe Die Tage nach dem Blutbad waren geprägt von Schweigen und Wundenlecken. Die Inselbewohner, die den Krieg überlebt hatten, sammelten sich langsam in Gruppen. Felder mussten neu bestellt, Tiere eingefangen, Häuser repariert werden. Doch niemand konnte vergessen, dass zwei Männer wie Schatten über allem standen: Jonas und Rafe. Jonas begann, eine provisorische Ordnung aufzubauen. Er sprach von Regeln, die auf Gerechtigkeit beruhen sollten, nicht auf Angst. Jeder, der arbeiten konnte, bekam ein Stück Land, Werkzeuge oder Aufgaben. Er predigte Zusammenarbeit, um eine neue Gesellschaft zu errichten. „Wir haben keine Nationen mehr, keine Armeen, keine Regierungen,“ sagte er in einer Versammlung. „Nur uns. Wenn wir nicht einander vertrauen, dann sterben wir.“ Viele hörten zu, erschöpft und müde vom Kämpfen. Aber Rafe stand am Rand, die Arme verschränkt, ein kaltes Lächeln im Gesicht. „Vertrauen?“ spottete er. „Vertrauen bringt dir kein Essen, kein Schutz. Stärke bringt das. Respekt bringt das. Wenn wir weich werden, reißt uns der Nächste die Kehle auf. Jonas will eine neue Welt bauen – ich will, dass wir die letzte überleben.“ Einige nickten zu Jonas, andere zu Rafe. Die Insel war nicht mehr nur zwischen „oben“ und „unten“ gespalten – sie war nun auch unter den Draußen-Gebliebenen zweigeteilt. Unten – Hartmanns Autorität bröckelt Im Bunker war die Luft kühl, aber schwer. Die ersten Tage waren ruhig gewesen, doch nun begann das Misstrauen zu wachsen. Warum hatte Hartmann gerade diese dreißig Menschen ausgewählt? Warum nicht andere? Warum sie eingeschlossen, während draußen ihre Freunde und Kameraden starben? Ein Schiffbrüchiger, der einmal Offizier gewesen war, sprach es offen aus: „Hartmann, du bist nicht Gott. Du hast kein Recht, über Leben und Tod zu entscheiden. Wenn wir wirklich die letzten Menschen sind, dann sollten wir gemeinsam bestimmen, wie wir überleben.“ Becker griff sofort nach seinem Gewehr, doch Mira stellte sich überraschend dazwischen. „Vielleicht sollten wir zuhören,“ sagte sie. Ihre Stimme war ruhig, aber ihre Augen funkelten. Elena spürte es sofort: Der Riss war da. Hartmanns eiserne Autorität begann zu bröckeln, und diesmal war es nicht draußen, sondern direkt in den engen Gängen des Bunkers. Hartmann aber blieb unerbittlich. „Ich habe die Insel geführt, als ihr noch nicht einmal wusstet, dass ihr hier sterben werdet. Ich habe das Recht, zu entscheiden. Wer das infrage stellt, stellt die Ordnung infrage.“ Er wusste nicht, dass genau diese Worte das Misstrauen nur noch tiefer machten. Zwei Spiegelwelten Oben: Jonas und Rafe, die einander misstrauen und doch gezwungen sind, dieselbe Gemeinschaft zu führen. Unten: Hartmann und seine „Auserwählten“, gefangen in Sicherheit, aber im Zweifel, ob ihre Ordnung überhaupt gerecht ist. Beide Seiten der Insel spiegelten denselben Konflikt wider: Wer hat das Recht, zu bestimmen, wie die Menschheit überlebt? Und während diese Fragen unaufhörlich gärten, zog am Horizont ein weiterer Sturm auf – kein Wetter, sondern ein fernes Grollen, das klang, als käme es von weit mehr als nur einer Explosion. Die Welt draußen war nicht tot. Sie starb gerade – und die Insel spürte jeden ihrer letzten Atemzüge. Kapitel 21: Machtproben Oben – Jonas und Rafe Die Felder lagen verwüstet, die Feldernte verbrannt, und die Inselbewohner mussten hungern. Holz wurde knapp, weil die Kämpfe so viele Gebäude zerstört hatten. In dieser Not war Zusammenarbeit überlebenswichtig – doch genau hier prallten Jonas’ und Rafes Visionen aufeinander. Jonas versammelte die Überlebenden beim alten Wohnhaus. „Wir müssen die Felder neu bestellen. Jeder trägt bei – Männer, Frauen, Kinder. Wenn wir uns gegenseitig beschützen, dann können wir überleben. Niemand darf hungern.“ Rafe lachte, laut und bitter, und trat aus der Menge. „Niemand hungert? Hör auf zu träumen, Jonas. Die Starken essen zuerst, die Schwachen sterben. So war es schon immer. Und so wird es bleiben.“ Er war nicht allein. Etwa zwanzig Gefangene, zäh und brutal, stellten sich hinter ihn. Viele von ihnen waren aus dem Dorf der Ausgestoßenen gekommen. In ihren Augen glomm etwas Wildes. Jonas spürte, dass dieser Moment alles entschied. Entweder er brach Rafes Anspruch jetzt – oder die Insel würde in Warlords zerfallen. Er trat vor, die Schulter noch verbunden, aber seine Stimme fest: „Du bist nicht stark, Rafe. Du bist nur gierig. Und Gier hat noch nie eine Welt gerettet.“ Ein Murmeln ging durch die Menge. Die Fronten waren gezogen. Die Insel stand kurz davor, in einen offenen Krieg zweier Ideale zu stürzen. Unten – Hartmanns Bunker Im Bunker herrschte unterdessen ein anderer, stiller, aber ebenso gefährlicher Kampf. Hartmann saß am Tisch, während der ehemalige Schiffsoffizier – sein schärfster Kritiker – aufstand. „Wir sitzen hier in diesem Betonloch,“ sagte er laut, „und oben kämpfen unsere Kameraden ums Überleben. Hartmann spricht von Ordnung, aber er meint Gehorsam. Wenn er uns weiter wie Gefangene behandelt, dann sind wir nicht besser dran als die da oben.“ Einige nickten. Selbst Mira Solberg schwieg und senkte den Blick. Elena beobachtete die Szene, die Finger verschränkt, ihr Gesicht reglos – aber in ihren Augen glomm Unruhe. Hartmann erhob sich, seine Stimme wie ein Messer: „Ihr glaubt, ihr könnt in dieser Stunde Demokratie spielen? Draußen verbrennt die Welt. Ich allein habe die Erfahrung, diese Gemeinschaft zu retten. Wer sich mir widersetzt, wird als Verräter behandelt.“ Becker trat einen Schritt nach vorne, das Gewehr in den Händen, bereit, auf Hartmanns Befehl zu schießen. Doch genau in diesem Moment stellte sich Mira dazwischen. „Wenn du jetzt schießen lässt, Aurelian,“ sagte sie leise, „dann wirst du diesen Bunker verlieren. Und mit ihm dein letztes Stück Macht.“ Das Schweigen, das darauf folgte, war so dicht, dass man das Summen der Generatoren hörte wie ein Schlagen von Herzen. Zwei Spiegelungen Oben: Jonas und Rafe stehen kurz davor, die Insel in einen offenen Bruderkrieg zu reißen. Unten: Hartmanns eiserne Hand beginnt zu zittern, als seine Auserwählten ihn herausfordern. Die Insel war mehr denn je ein Mikrokosmos der zerfallenden Welt: zerrissen zwischen Ordnung und Freiheit, zwischen Gier und Gerechtigkeit, zwischen Angst und Hoffnung. Und über allem lag ein neues, unheilvolles Dröhnen am Himmel – weit entfernt, aber klar genug, dass jeder es hören konnte. Kein Wetter. Kein Donner. Sondern das Echo von Bomben, die vielleicht schon die letzten Städte der Erde vernichteten. Kapitel 22: Zwei Schlachten Oben – Jonas gegen Rafe Der Hof vor dem Wohnhaus war voller Menschen. Es war keine geheime Versammlung mehr, sondern ein Aufmarsch. Auf der einen Seite Jonas und jene, die an seine Idee einer Gemeinschaft glaubten: Bauern, Schiffbrüchige, einige jüngere Gefangene, die genug von Gewalt hatten. Sie trugen Hacken, Holzstangen, Messer, manche nur bloße Fäuste – aber in ihren Augen lag Entschlossenheit. Auf der anderen Seite Rafe, flankiert von Karol Drenk und den Ausgestoßenen. Ihre Gesichter waren von Hunger und Hass gezeichnet, ihre Waffen roh, aber tödlich. Rafe stand vorn, mit einem gestohlenen Gewehr über der Schulter, und grinste Jonas kalt an. „Dies ist die Stunde, Jonas,“ rief er. „Es gibt keine Gleichheit, keine Gerechtigkeit. Es gibt nur Macht. Entweder du trittst zurück – oder wir nehmen uns, was uns gehört.“ Jonas trat einen Schritt vor, seine Stimme klar, trotz der Angst, die in ihm nagte. „Dann nimm es dir, Rafe. Aber du wirst nicht nur mich töten. Du wirst die letzte Chance der Menschheit töten.“ Für einen Moment herrschte Stille – dann krachte der erste Schuss. Die beiden Gruppen stürmten aufeinander zu, Schreie hallten, Holz splitterte, Blut spritzte auf den staubigen Boden. Jonas kämpfte mit einem Messer gegen Karol, während Rafe seine Leute antrieb wie ein Feldherr. Frauen schrien, Kinder rannten in Panik davon. Der Hof verwandelte sich in ein Schlachtfeld. Unten – Die Meuterei im Bunker Zur selben Zeit im Bunker: Das Schweigen war zerbrochen. Der Schiffsoffizier trat mit erhobener Stimme hervor. „Hartmann hat uns in diesen Betonkäfig gezwungen! Er entscheidet, wer lebt und stirbt! Aber wir haben das Recht, selbst zu bestimmen!“ Rufe brandeten auf: „Ja! Schluss mit Hartmann!“ – „Wir wollen Mitbestimmung!“ Hartmanns Gesicht war kalkweiß, aber seine Stimme hart wie Stahl: „Ich habe euch hierher gebracht. Ohne mich wärt ihr draußen tot. Ihr schuldet mir Gehorsam.“ „Wir schulden dir nichts,“ knurrte einer der jüngeren Wächter. Becker hob das Gewehr, doch Mira Solberg trat dazwischen. „Genug,“ sagte sie. „Wenn du jetzt schießen lässt, Aurelian, verlieren wir alles. Dann sind wir Gefangene in unserem eigenen Grab.“ Elena, bisher still, erhob nun die Stimme: „Wenn wir hier unten überleben wollen, dann brauchen wir Einheit. Nicht ein Diktat. Aurelian – hör endlich auf, der Direktor zu sein. Wir sind nicht mehr im Gefängnis. Wir sind vielleicht die Letzten auf der Welt.“ Hartmanns Hände zitterten. Für einen Moment wirkte er wie ein alter Mann, nicht mehr wie der Richter der Insel. Doch er presste die Lippen zusammen und schrie: „Ich bin das Gesetz!“ Der Offizier sprang vor – und plötzlich war der Raum voller Bewegung, Hände rangen um Waffen, Stimmen schrien. Ein Schuss krachte. Jemand fiel. Blut spritzte auf den grauen Betonboden. Die Meuterei hatte begonnen. Zwei Spiegelwelten Oben tobte der offene Kampf um die Zukunft der Insel – Jonas’ Traum von Gemeinschaft gegen Rafes Hunger nach Macht. Unten brach die Ordnung zusammen, als Hartmann sein letztes Bollwerk verlor: die Kontrolle über seine Auserwählten. Und draußen, fern am Horizont, glühte der Himmel. Kein Sonnenuntergang, sondern ein seltsames Licht – als würde irgendwo weit über dem Meer eine Stadt in Flammen stehen. Die Insel war nun endgültig der letzte Mikrokosmos einer sterbenden Welt. Kapitel 23: Der Sieg des Jonas Oben – Das Ende der Schlacht Der Hof war ein Hexenkessel aus Staub, Blut und Schreien. Jonas kämpfte sich durch das Chaos, das Messer fest in der Hand. Rafe schoss wild mit seinem Gewehr, seine Leute drängten die Jonas-Anhänger zurück, doch langsam begann sich das Blatt zu wenden. Jonas’ Gefolgsleute, verzweifelt, aber entschlossen, hielten stand. Frauen griffen mit Äxten an, Kinder warfen Steine, selbst Verwundete schleppte man zurück ins Getümmel. Jonas’ Vision – Gerechtigkeit statt Gewalt – hatte einen Funken entfacht, der stärker brannte als Rafes Hunger nach Macht. Schließlich trafen sie aufeinander, mitten im Hof. Jonas stürmte vor, wich einem Hieb aus, rammte Rafe die Schulter gegen die Wand. Das Gewehr fiel, beide rangen mit bloßen Händen. Rafes Gesicht war voller Blut, seine Augen wild. „Du bist schwach, Jonas!“ keuchte er. „Die Schwachen sterben immer!“ „Nein,“ fauchte Jonas, während er Rafes Arm auf den Boden presste, „nur die Gierigen sterben am Ende.“ Mit einem letzten Schlag schlug Jonas Rafe nieder. Seine Anhänger, die sahen, dass ihr Anführer gefallen war, warfen ihre Waffen weg oder flohen. Stille senkte sich über den Hof, unterbrochen nur vom Stöhnen der Verwundeten. Jonas stand schwer atmend über Rafe, dessen Hände gefesselt wurden. Der Mann, der das Chaos entfesselt hatte, war besiegt. „Die Kämpfe sind vorbei,“ rief Jonas, seine Stimme heiser, aber klar. „Ab jetzt leben wir – oder wir sterben – zusammen.“ Die Menge schwieg. Und dann, langsam, nickten die ersten. Unten – Hartmanns Sturz Im Bunker hallte das Echo eines Schusses. Der Schiffsoffizier lag blutend am Boden, doch er lebte noch. Becker hielt das Gewehr, aber Mira packte es ihm aus der Hand und stieß ihn zurück. „Genug!“ schrie sie. „Wenn wir uns hier unten töten, brauchen wir keinen Krieg draußen mehr – wir sterben von selbst.“ Hartmann aber stand, das Gesicht verzerrt, die Stimme brüllend: „Ich habe das Recht! Ich habe das Recht, über euch zu richten!“ Elena trat vor, ihre Stimme ruhig, aber tödlich ernst. „Nein, Aurelian. Dieses Recht hast du verloren. Du hast die Insel verloren, und jetzt verlierst du uns.“ Die Auserwählten, einer nach dem anderen, wandten sich ab von Hartmann. Mira trat neben Elena. Selbst Becker, zögernd, senkte schließlich sein Gewehr. Hartmann schrie, tobte, doch es half nichts. Der Mann, der einst Richter und Herrscher der Insel war, wurde entwaffnet. Die Macht lag nicht mehr in seinen Händen. Zwei Entscheidungen Oben: Jonas, der Gefangene, der zum Anführer wurde, hielt nun Rafe in Ketten und die Insel in einer fragilen Einheit. Unten: Hartmann, der Direktor, war gestürzt – seine Frau Elena und Mira Solberg führten nun die „Auserwählten“. Die Kämpfe waren beendet. Aber niemand wusste, wie lange Frieden möglich war. Denn über dem Meer, fern und flackernd, erschien erneut dieses unheilvolle Licht am Himmel – größer als zuvor, als hätte eine ganze Stadt in einem Feuerball gebrannt. Und jeder auf der Insel wusste: Vielleicht waren sie wirklich die Letzten. Kapitel 24: Aufbau und Rückkehr Oben – Jonas’ Gesellschaft Die Insel lag stiller da, nachdem das Blut vergossen war. Der Hof war gesäubert, die Leichen begraben. Rafe, in Ketten, wurde nicht getötet, sondern eingesperrt – nicht in einer Zelle, sondern in einer alten Hütte, bewacht von Gefangenen, die Jonas vertrauten. „Wir werden keine Tyrannen sein,“ erklärte Jonas in einer Versammlung. „Selbst Rafe lebt. Nicht, weil er es verdient, sondern weil wir anders sind. Wir bauen eine Gemeinschaft, die auf Regeln, auf Gerechtigkeit basiert. Nicht auf Angst.“ Er teilte die Überlebenden in Gruppen ein: Felder und Vieh: für Nahrung. Bau: für Häuser und Werkstätten. Wachen: um Überfälle aus dem Dorf der Ausgestoßenen zu verhindern. Und er führte etwas Neues ein: eine Versammlung. Jeder durfte sprechen, Vorschläge machen, Abstimmungen fanden statt. Es war roh, chaotisch, voller Streit – aber es war ein Anfang. „Wir sind vielleicht die Letzten,“ sagte Jonas, „aber dann lasst uns wenigstens besser sein, als die Welt, die sich selbst zerstört hat.“ Manche lächelten zum ersten Mal seit Wochen. Unten – Elena und Mira Im Bunker war die Stimmung anders. Hartmann war entmachtet, er saß nun schweigend in einer Ecke, ein Schatten seiner selbst. Elena und Mira führten die Auserwählten, hielten Ruhe und Ordnung, sorgten für Verteilung der Vorräte. Doch mit jedem Tag wurde die Luft schwerer, die Enge drückender. Menschen waren nicht für das Leben in einem Betonloch geschaffen. Eines Abends standen Elena und Mira am Schott, das nach oben führte. „Wir können nicht ewig hier unten bleiben,“ flüsterte Mira. „Wenn oben alles verbrannt ist, dann haben wir keine Zukunft. Wenn nicht… dann verpassen wir die Chance, neu anzufangen.“ Elena nickte langsam. „Die Frage ist nicht, ob wir zurückkehren. Sondern wann.“ Am nächsten Morgen öffneten sie das Schott ein Stück, vorsichtig, Schritt für Schritt. Warme Luft strömte herein, vermischt mit dem Geruch von Rauch und Salz. Ein fahler Sonnenstrahl fiel in die Dunkelheit des Bunkers. Die Auserwählten hielten den Atem an. Die Rückkehr an die Oberfläche hatte begonnen. Zwei Welten, die sich annähern Oben baute Jonas an einer neuen Gesellschaft – eine Gemeinschaft aus Ruinen. Unten entschieden Elena und Mira, das Versteck zu verlassen – und wieder Kontakt zur Oberfläche zu wagen. Die Insel, einst ein Gefängnis, war nun das letzte Labor der Menschheit. Doch niemand wusste, ob die beiden Welten – Jonas’ Hoffnung und Elenas Vorsicht – friedlich zueinanderfinden würden. Und über allem hing immer noch das leise Grollen vom Horizont, das niemand deuten konnte: war es Donner, oder das Echo einer Welt, die noch immer im Sterben lag? Kapitel 25: Rückkehr ins Licht Der Aufstieg Es war ein stiller Morgen, als Elena und Mira die schwere Stahltür des Bunkers öffneten. Begleitet wurden sie nur von einer kleinen Gruppe Auserwählter – still, gespannt, manche voller Furcht. Die Oberfläche roch nach Rauch, Salz und frischer Erde. Nach Wochen im Bunker blendete sie das Sonnenlicht fast, doch bald sahen sie die Insel, wie sie geworden war: Verwüstete Felder, verbrannte Ställe, notdürftig reparierte Hütten – und Menschen, die dennoch arbeiteten. Sie blieben zunächst verborgen, beobachteten vom Rand der Wälder. Sie sahen, wie Jonas auf dem Feld stand, die Ärmel hochgekrempelt, mit anderen pflügte. Kein Direktor, kein Herrscher – sondern einer, der arbeitete wie die anderen. „Er hat es wirklich getan,“ flüsterte Mira. „Er baut etwas Neues auf.“ Elena nickte. In ihren Augen lag Stolz, aber auch eine Spur von Sorge. „Dann ist er vielleicht die letzte Hoffnung. Aber er wird uns misstrauen. Wir waren Teil der Herrschaft, Mira. Teil von Hartmanns System.“ „Dann müssen wir ehrlich sein,“ sagte Mira ruhig. „Und ihn bitten, uns aufzunehmen – nicht als Anführerinnen. Sondern als Menschen.“ Die Begegnung Am Nachmittag traten sie aus dem Wald. Einige Gefangene schrien auf, griffen nach Waffen. Jonas selbst eilte herbei, sein Blick scharf, die Hand am Messergriff. „Elena. Mira,“ sagte er langsam, „ihr lebt.“ Elena hob die Hände, um zu zeigen, dass sie keine Waffe trug. „Ja. Wir waren im Bunker. Hartmann… hat keine Macht mehr. Er ist gebrochen. Wir… wir wollen uns anschließen.“ Ein Murmeln ging durch die Menge. Viele Gefangene knurrten vor Zorn: „Sie waren mit Hartmann! Sie haben uns unterdrückt!“ Andere waren still, gespannt. Mira trat vor, ihre Stimme fest: „Wir haben gesehen, was ihr hier aufgebaut habt. Und wir wollen Teil davon sein. Wir wollen arbeiten, nicht herrschen. Aber wir bitten um eine Chance.“ Jonas starrte sie lange an. In seinem Gesicht kämpften Erinnerung und Hoffnung miteinander. Schließlich nickte er. „Dann werdet ihr nicht als Direktorin oder Wächterin unter uns leben. Sondern als Teil der Gemeinschaft. Ihr arbeitet. Ihr teilt. Ihr gehorcht den gleichen Regeln wie alle anderen.“ Elena lächelte schwach. „Das ist mehr, als wir verdient haben.“ Ein neues Gleichgewicht So schlossen sich Elena und Mira Jonas’ Gemeinschaft an. Für manche war es Verrat, für andere Hoffnung. Die Frau, die einst an der Seite des Direktors stand, und die Wächterin, die einst Befehle erteilte, standen nun mit Hacke und Schaufel auf dem Feld. Jonas wusste, dass dies ein heikler Moment war: Mit Elena und Mira kam Wissen aus dem Bunker, vielleicht auch Vorräte – aber auch das Erbe Hartmanns. Und tief unter der Erde, verlassen in den grauen Korridoren, saß der ehemalige Direktor allein. Niemand hörte seine Stimme mehr, wenn er schwor: „Ich bin das Gesetz.“ Die Insel hatte ein neues Kapitel aufgeschlagen. Nicht mehr ein Gefängnis. Nicht mehr ein Schlachtfeld. Sondern vielleicht der letzte Ort, an dem die Menschheit lernen konnte, anders zu leben. Kapitel 26: Stimmen im Rauschen Jonas’ Ziel Die Tage auf der Insel waren wieder ruhiger geworden. Felder wurden bestellt, Vieh gesammelt, Hütten repariert. Doch in Jonas’ Kopf blieb eine einzige Idee: die Außenwelt. Er stand oft auf den Klippen, starrte hinaus auf den endlosen Pazifik. War dort noch jemand? War die Menschheit wirklich ausgelöscht, oder gab es noch Inseln, Städte, Schiffe irgendwo da draußen? Eines Abends rief er Elena und Mira zu sich. Sie hatten als ehemalige Bunker-Bewohner mehr Wissen über die Technik als die meisten. „Wir müssen das Funkgerät wiederherstellen,“ sagte er. „Nicht nur, um gerettet zu werden. Sondern um zu wissen. Wenn wir die Letzten sind, dann will ich nicht im Ungewissen sterben.“ Elena nickte langsam. „Der Bunker hat Ersatzteile. Batterien, Kabel, sogar ein Notmodul. Aber wir müssen vorsichtig sein. Die Anlage im Direktorenhaus ist beschädigt – vielleicht absichtlich.“ Mira fügte hinzu: „Und wenn du ein Signal hinausschickst, weißt du nicht, wer es empfängt. Vielleicht Freunde. Vielleicht Feinde.“ Jonas’ Augen brannten. „Lieber eine Antwort von Feinden, als ewiges Schweigen.“ Die Arbeiten Unter Jonas’ Leitung begann eine kleine Gruppe – Schiffbrüchige mit technischem Wissen, ein ehemaliger Radiomechaniker unter den Gefangenen, Elena und Mira – damit, die Funkstation im Direktorenhaus zu reparieren. Kabel wurden verlegt, alte Batterien ersetzt, Solarpanels neu ausgerichtet. Es war mühsam, improvisiert, gefährlich – aber jeden Abend, wenn das Gerät rauschte und knackte, hörten sie gebannt zu. Bisher: nur Stille. Nur das endlose Rauschen einer Welt, die vielleicht nicht mehr antworten konnte. Die Gemeinschaft Währenddessen festigte sich Jonas’ Führung. Er ließ Rafe in Ketten am Leben, zeigte damit, dass sie anders sein wollten als Hartmann. „Wir bestrafen, wir töten nicht,“ sagte er. Manche stimmten zu, andere hielten ihn für zu weich. Doch niemand wagte, seine Autorität offen infrage zu stellen. Elena und Mira fügten sich ein – sie arbeiteten auf den Feldern, halfen in den Werkstätten. Doch jeder wusste, dass sie Wissen hatten, das noch wichtig werden konnte. Das erste Signal Und dann, eines Nachts, als der Regen gegen die Fenster peitschte und der Himmel voller fernem Grollen war, knackte das Funkgerät plötzlich. Ein Brummen. Ein Rauschen. Und dann – eine Stimme. Abgehackt, verzerrt, kaum verständlich, aber menschlich. „… hier… Überlebende… Position… Pazifik…“ Die Stimme brach ab. Nur ein Fetzen. Doch es war genug, um das Herz aller Anwesenden stillstehen zu lassen. Jonas griff nach dem Mikrofon, die Finger zitterten. „Hier Inselgemeinschaft, Überlebende im Pazifik! Wir hören euch! Bitte, antwortet!“ Nur Stille. Rauschen. Und dann wieder Schweigen. Doch es war der Beweis: Sie waren nicht allein. Irgendwo draußen, zwischen den Ruinen der Welt, lebten noch Menschen. Die Insel, die für viele das Ende war, war nun vielleicht ein neuer Anfang. Doch niemand wusste, ob die Stimme am anderen Ende Rettung versprach – oder neue Gefahr. (Fortsetzung folgt) |
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