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Rollenspiele und Bühnenstücke Eigene Bühnenstücke, Rollenspiele und Dialoge.

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Alt 01.10.2025, 14:40   #1
männlich RolandK
 
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Standard Die zweite Chance mit Epilog überarbeitet

Bühnenstück
Titel: Die zweite Chance
________________________________________
Figuren
Lehrer (Mitte 40–50, erschöpft, schuldbeladen, schwankend zwischen Strenge und Schwäche)
Mädchen (17, klug, verletzlich, trotzig, schwankend zwischen Sehnsucht, Aggression und Verführung)
Erzähler
________________________________________
Bühnenbild
Ein Klassenzimmer.
• Zwei Stühle, ein Tisch.
• Umgefallene Stühle, Tische mit liegengebliebenen Schulsachen
• Neonlicht, das kalt wirkt.
• Rollos sind bei den Fenstern runtergezogen
• Im Hintergrund eine große Schuluhr (5 vor 12 eingestellt)
• Requisiten: Schultasche, Apfel, Pistole.
Geräusche: Tropfen, lautes Ticken der Uhr, später Polizeisirenen.
________________________________________
(Dunkelheit. Nur das Ticken einer Uhr. Ein Tropfen fällt.
Langsam geht das Licht an. Lehrer und Mädchen sitzen einander gegenüber.
Das Mädchen hat den Kopf gesenkt. Der Lehrer starrt sie an.)

Lehrer: Warum?
(Schweigen. Tropfen. Die Uhr tickt. Der Lehrer lehnt sich vor.)

Lehrer: (nachdrücklicher) Warum?

(Schweigen, dann reagiert das Mädchen. Sie hebt den Kopf und schaut den Lehrer an.)

Mädchen: Was warum?

Lehrer: Sie waren doch immer eine gute Schülerin!

Mädchen: (äfft ihn nach)
„Sie waren doch immer eine gute Schülerin.“

(sachlich)

Jetzt bin ich halt keine gute Schülerin mehr, na und? Geht deswegen die Welt jetzt unter?

Lehrer: Sie hatten das ganze Leben noch vor sich.

Mädchen: Wollen Sie wieder einmal meine Eltern informieren?
Lehrer:

(seufzt)

Das würde auch nichts mehr ändern, sie wissen es schon, alle wissen es jetzt.

Mädchen: Oder mich Nachsitzen lassen? – Wie so oft in letzter Zeit.
(Schweigen. Das Mädchen schaut wieder auf den Boden.

Der Lehrer trommelt nervös mit den Fingern auf den Tisch. Sein Gesicht ist schmerzverzerrt.

Die Uhr tickt. Es ist 5 vor 12.)

Lehrer:
(leise)

Was ist passiert? – Was ist passiert, dass Sie sich so verändert haben?

(Wieder ein Tropfen. Das Mädchen hebt den Kopf und schaut ihm ins Gesicht.)

Mädchen: Nichts und doch so viel. Banale Geschichten. Das Leben ist eben passiert.
(hebt den Kopf)

Ich habe mich verliebt, ich wurde gemobbt, ich wurde verlacht. Das ist passiert.
(Schweigen.)

Lehrer: Und Sie glaubten, dass ihre – unter Anführungszeichen – Riesenprobleme nicht lösbar waren?
(lächelt gequält)

Mädchen: Vielleicht, vielleicht auch nicht.
(Schweigen, das Mädchen blickt den Lehrer herausfordernd an.)

Mädchen: Finden Sie mich eigentlich schön?
(Das Mädchen streicht die Haare aus dem Gesicht.)

Mädchen: Ich glaube, Sie haben mich immer nachsitzen lassen, weil ich Ihnen gefalle.
(Schweigen. Er schwitzt.)

Lehrer: Ich habe nie ….. ich, . ich wollte dir wirklich helfen.

Mädchen: Ich weiß, aber ist es so?
(Lehrer streicht sich mit der Hand den Schweiß von seiner Stirn.)

Mädchen: Ich meine, findest du mich schön? Meine Lippen, mein voller Busen.
(Ein Tropfen ist zu hören)

Lehrer:
(mit rauer, brüchiger Stimme)

Ja.

(Das Mädchen streckt die Beine. Sie hat einen Rock an.)

Mädchen: Und meine Beine? Sind sie lang genug und gefallen sie dir?
(Er leckt sich über die Lippen. Seine Hemdsärmel sind verschwitzt.)

Mädchen: Und??
(Der Lehrer sieht das Mädchen schmerzverzerrt an.)

Mädchen: Geht es dir nicht gut? Du schaust so blass aus? Hast du Schmerzen?

Lehrer: Geht schon wieder. Mir war nur für einen kurzen Moment schwindelig.

Mädchen: Gefallen sie dir, ich finde sie sexy. Was meinst du?

Lehrer: Sie sind ok.

Mädchen: Was nur ok? Schau mal genauer.

Lehrer: Lassen Sie mich in Ruhe, bitte. Warum gehen Sie nicht einfach!
(Wieder ein Tropfen. Das Mädchen nimmt einen Apfel aus ihrer Schultasche.)

Mädchen: Weil ich dich liebe. Schon vom ersten Tag an, als du in die Klasse kamst.

(Sie beißt genüsslich in den roten saftigen Apfel.)

Mädchen: Möchtest du probieren? Schmeckt vorzüglich.
(Sie reicht dem Lehrer mit ausgestreckter Hand den angebissenen Apfel.)

Lehrer: Lassen Sie es sein – lass du es sein, höre einfach mit deinen verdammten Psychospielen auf.

Mädchen:
(beißt noch einmal in den Apfel, spricht mit vollem Mund)

Welche Spiele? Es ist alles tot, meine Gefühle, einfach alles ist tot. Es gibt nur mehr tot, tot und tot.
(lacht schmerzlich)

Lehrer: Gehen Sie einfach und wir vergessen alles. Gehen Sie bitte, schnell.

Mädchen: Wir waren schon beim DU. Ich soll jetzt einfach gehen, einfach so? Wo ich mich doch so bemüht habe, alles richtig zu machen?
(Das Mädchen stellt den Apfel auf den Tisch. Der Lehrer lächelt mühsam.)

Mädchen: Wir sind alleine. Keiner wird uns stören. Wir können uns endlich einmal frei aussprechen.

Lehrer: Es gibt nichts mehr zu besprechen, es wird auch nichts mehr gut. Die Realität hat alles überrollt. Es ist alles gesagt. Und nichts kann mehr geändert werden. Gehen Sie, geh du bitte.

Mädchen: Ich bin sehr enttäuscht von dir. Ich habe mir mehr Gefühle vorgestellt, für das, was ich für dich getan habe.

Lehrer: Für mich???
(Lehrer schüttelt schmerzlich den Kopf.)

Mädchen:
(ärgerlich)

Dann wollen wir halt das Gespräch beenden. Eigentlich ……. sollten wir alles beenden.
(schneidend)

Ich glaube, die Liebe zu Ihnen ist jetzt gerade in meinem Herzen …… zerbrochen.
(lächelt grimmig und steht vom Sessel auf.)

Lehrer: Ich habe eine Tochter. Sie ist so alt wie du.

Mädchen: Ein Grund mehr. Jemand, der seine Liebe nicht zeigen kann, der ….der …. gehört bestraft.

Lehrer: Hast nicht schon genug angerichtet?
(Mädchen zieht eine Pistole aus ihrer Tasche und richtet sie auf den Lehrer)

Lehrer:
(zögerlich, brüchig)

Ich, … ich …. liebe dich.

Mädchen: Zu spät, ich glaube dir nicht mehr.
(ihre Augen werden feucht.)

Mädchen: Andererseits.
(sie steckt die Waffe in ihre Tasche.)

Mädchen: Ich habe alles nur für dich getan. Du weißt es! Ich liebte dich, mehr als du dir vorstellen kannst.

(Stille)

Die Anderen haben es nicht verstanden. Ich wollte nur mit dir alleine glücklich werden.
(Sie geht zur Tür. Dreht sich noch einmal um, lächelt.)

Mädchen: Vielleicht erinnerst du dich, im Unterricht?
Mein Lieblingsgedicht.

(leise)
„Traust du dich hinaus
Traust du dich hinein,
was könnte dein Verlust,
was dein Gewinn wohl sein?“
(Das Mädchen öffnet die Tür und geht. Man hört ihre Stimme am Gang. Polizeisirenen ertönen.)

Mädchen:
(am Gang, rezitiert weiter)

„Und gehst du hinein
gehst du nach links oder rechts,
oder nach rechts und dreiviertel,
oder tust du doch nichts.“

(Der Lehrer steht unter Schmerzen auf.
Seine linke, blutüberströmte Hand drückt auf den blutenden Unterbauch.
Eine Lache hat sich gebildet. Ein Tropfen fällt in die Lache.)

(Er schaut sich im Klassenzimmer um: umgefallene Stühle, liegengebliebene Schulsachen.

Er schüttelt verzweifelt den Kopf.)

Mädchen:
„Und du rennst los,
bist ganz bang,
durch verschlungene Wege,
gefährlich und lang.“

Mädchen:
(mit Tränen in den Augen)

Ich liebe ihn noch immer.
(Tränen kullern über ihre Wangen. Sie geht den Gang entlang. Blaulichter schimmern durch die Fenster.)

Mädchen:
„Und schindest dich mühsam,
durch Wildnis hinfort,
an einen – ich fürchte –
völlig nutzlosen Ort.“

Lehrer, Mädchen zusammen:

„Den Warteort, wo Menschen nur warten,
warten auf einen Zug der geht,
oder einen Bus der kommt,
oder ein Flugzeug das geht,
oder Post die kommt,
oder den Regen, der aufhört,
oder das Telefon, das klingelt,
oder den Schnee der schneit …“

Mädchen:
„… oder sie warten auf ein Ja oder Nein,
auf Schmuck, auf Kleider,
warten wie in Trance,
und im Grunde nur …“

Lehrer und Mädchen zusammen:
„… auf die zweite Chance.“
(Der Lehrer schleppt sich zur Klassentür und öffnet sie.
Die Tür schließt sich. Er ruft verzweifelt.)

Lehrer: Bleib hier, bitte! Geh nicht.

(Ein Schuss. Dunkelheit. Nur das Ticken der Uhr. Dann Stille.)

Epilog
(Dunkelheit. Nur das Ticken der Uhr. Dann ein einzelner Scheinwerfer, der den Erzähler beleuchtet. Er spricht ruhig, eindringlich, fast wie ein Richter oder ein Chronist.)

Erzähler:
„Die Uhr ist stehengeblieben.
Doch die Zeit … sie läuft weiter.
Für ihn, für sie?

Zwei Menschen, gefangen in einem Klassenzimmer,
verloren zwischen Sehnsucht und Schuld,
zwischen Strenge und Verführung,
zwischen Leben und Tod.

Manchmal, so sagt man, bekommt jeder im Leben eine zweite Chance.

Doch was, wenn man sie verpasst?

Was, wenn sie sich verwandelt –
in eine Kugel,
in ein letztes Wort,
in eine Erinnerung, die niemand mehr zurückholen kann?

Vielleicht war das hier gar keine Geschichte von Lehrern und Schülern.

Vielleicht war es die Geschichte von uns allen:
dem ewigen Ringen um Anerkennung, um Berührung, um Bedeutung.

Wir warten,
und hoffen,
und glauben an ein Morgen.

Aber die Wahrheit bleibt:
Die Uhr tickt.

Und manchmal ist es fünf vor zwölf –
ohne dass wir es merken.

Die zweite Chance …
kommt selten.

Und wenn sie kommt,
ist es nie so, wie wir es uns erträumt haben.“

(Stille. Der Erzähler tritt zurück ins Dunkel. Nur das Ticken der Uhr. Dann: völlige Stille. Der Vorhang fällt.)
RolandK ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.10.2025, 14:57   #2
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Lieber Roland,

du gibst zu viele psychische Regungen vor. Manchmal ist das notwendig, aber man sollte damit sparsam umgehen. Wenn du zu viele Vorgaben machst, engt das den Schauspieler ein, der seine eigenen Vorstellungen einbringen will, wie er die Figur entwickelt und darstellt. Er hat bereits genug damit zu tun, sich über diese Dinge mit dem Regisseur bzw. Intendant zu streiten. Es ist z.B. verständlich, wenn in einem Dialog nachgeäfft werden soll, das kann man vorgeben, um den Unterschied zwischen zwei Sätzen gleicher Wortwahl kenntlich zu machen. Aber ob ein Charakter wegen einer Sache seufzt, uninteressiert abwinkt oder in Zorn gerät, sollte der Schauspieler entscheiden. Der merkt dann schon, ob es passt oder nicht.

Den Epilog würde ich ersatzlos streichen. Du nimmst den Zuschauern die eigene Nachdenkarbeit ab und somit die Möglichkeit, selber an dem Stück weiterzuarbeiten. Der Zuschauer will sein eigenes Verständnis des Stückes (oder einer Szene) herausarbeiten und ein eigenes Resümee entwickeln.

Jetzt könntest du sagen: Aber im klassischen Theater gibt es auch einen Prolog und einen Epilog. Richtig. Oder auch: Schiller hat im Theater eine moralische Anstalt im Sinne einer Erziehung des Menschen gesehen. Ebenfalls richtig. Aber danach gab es Büchner, Brecht, Dürrenmatt, Sartre und noch viele andere Schreiber für die Bühne. Wir leben nicht mehr in der Antike, in der die Stücke auf eine Katharsis abzielten, und auch nicht mehr in der Weimarer Klassik mit ihrem selbst aufgebürdeten Erziehungsauftrag.

Dies nur mal zur Anregung.

LG
Ilka
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Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.10.2025, 15:15   #3
männlich RolandK
 
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Liebe Ilka,

danke für deine Anregungen. Ich habe schon viel an mir gearbeitet um den Schreibstil zu verbessern.

Der Epilog lässt doch einiges noch offen und ehrlich gesagt gefällt er mir.

Servus

Roland
RolandK ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.10.2025, 15:20   #4
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Zitat:
Zitat von RolandK Beitrag anzeigen
Der Epilog lässt doch einiges noch offen und ehrlich gesagt gefällt er mir.
Na schön, dann lass ihn drin (bzw. dran). Aber wundere dich nicht, wenn das Publikum, während der Erzähler spricht, den Saal verlässt. Es ist wie bei den End Credits nach einem Kinofilm: Niemand will sie lesen.

Nach eineinhalb bis zwei Stunden haben die Zuschauer genug gesehen. Sie sind satt und erschöpft. Deshalb achtet z.B. Woody Allen strikt darauf, dass seine Werke nicht länger als 90 Minuten dauern. Und dann: Vorhang! Blende aus!
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