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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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13.04.2010, 21:28 | #1 |
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August '59, barfuß
Extremsommer,
hitzegeladene Luft. Klingeln von der Straße, hart und energisch. Schnell, der Eismann! Vater und ich laufen auf nackten Sohlen über sengenden Asphalt. Barfußlaufen ist gesund. Eine Gestalt in weißer Kluft mit Schiffchenmütze. Der Fahrradbauch: ein Kasten mit blanken Metallhauben. Ein Groschen die Kugel. Mit kühlen Kostbarkeiten in Waffeltüten gedrückt schlendern wir nach Hause. Der Eismann fährt weiter Richtung Schillerschule, wir halten ihn nicht auf. Mutter hat verzichtet. Wir müssen sparen für Haushaltswäsche. Stettiner Ehrgeiz gegen Offenbacher Genußsucht. Am Nachmittag das Jahrhundertgewitter. Himmlisches Farbenspiel in Blau, Gelb und Grün. Vater öffnet ein Fenster. Riecht ihr's auch? Schwefelgestank! Die Hitze ist geblieben. Gelüst nach Speiseeis. 13. April 2010 © by Ilka-M. |
13.04.2010, 22:04 | #2 |
Hi Ilka-Maria,
da spult sich beim lesen ein gut vorstellbarer Film ab, wie deine ganze Offenbach-Reihe sehr authentich, gefällt mir gut, vorallem da es mich an die Mittage erinnert mit meiner Uroma im Hof auf den Eismann wartend, während sie ihre Schürze anhat und wir dann beide Zitroneneis essen, ah ich schweife ab . Die Hitze ist geblieben. Gelüst nach Speiseeis. Ich weis nicht wirklich warum, aber diese letzten beiden Zeilen find ich einfach nur toll. Grüße Neny |
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13.04.2010, 22:14 | #3 |
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Hoppla, Du bist 23 und kannst damit etwas anfangen - so mit Eismann usw.? Da bin ich jetzt überrascht!
Nein, Du kannst meine Zeit nicht gekannt haben, aber es scheint Parallelen zu geben, die ich nicht mehr wahrgenommen habe. Da hatte bei mir schon die Versteinerung eingesetzt, die ich erst in den späten 80ern lösen konnte. Aber ich sage Dir: Da fing mein Leben erst richtig an! Danke für den Kommentar und ein gute Nacht, LG, Ilka-M. |
13.04.2010, 22:40 | #4 |
Nun zumindest bei uns gabs seit ich denken kann einen Eismann, wobei der bereits nen Kleintransporter oder so etwas in der Art hatte. Vielleicht liegt es daran das ich in nem recht kleinen Dorf aufgewachsen bin und noch lebe. Eine richtige Eisdiele gibt es z.B. erst seit ein paar Jahren ^^.
Dir auch eine gute Nacht, Grüße Neny |
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15.04.2010, 20:20 | #5 |
Ach,was fürn Luxus so ein Eis sein kann...Kann man sich kaum in der heutigen Zeit vorstellen:"Mama,darf ich ein Eis?"Wir hatten als Blagen immer 50 Pfennig in der Tasche.Also eher selbstverständlich,als aussergewöhnlich!
Dein Gedicht hinterlässt einen kühlenden Genuss auf den schwirrenden Gedanken... Der Leser versucht ja meißtens zu projezieren;ich fühlte mich sofort wie 8.Du schaffst eine vertraute Situation,mit der viele etwas anfangen können.Die eingefangene Atmosphäre,nicht nur in diesem Gedicht,so authentisch,real,einsaugend lässt mich nicht unberührt.Ehrlich! Eine Frau mit diesem Ehrfahrungsschatz,und der Fähigkeit des Ausdrucks der Gefühle,sollte mal an dieser Stelle gelobt werden Gruß,pathos |
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15.04.2010, 21:44 | #6 |
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Ich staune, daß ich als Kind der 50er und Teenager der 60er Jahre Menschen erreichen kann, die heute in ihren Zwanzigern und Dreißigern sind - und ich freue mich natürlich darüber.
Der Sommer 1959 war übrigens wirklich brutal heiß. LG Ilka-Maria |
16.04.2010, 08:06 | #7 |
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Liebe Ilka,
ich habe ja schon alles gesagt zu deinen "Neuen Gedichten"". Dieses hier: Wunderbar! Ach eins noch! Pathos79 hat da einen wichtigen Punkt angesprochen. "Vertrautheit". Die Gedichte rufen "Vertrautheit" hervor. Nochmals: Wunderbar! Gruß B. |
16.04.2010, 10:33 | #8 |
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Freut mich, Bullet, danke.
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16.04.2010, 10:50 | #9 |
Dabei seit: 07/2006
Ort: Mauritius, stella clavisque maris indici
Beiträge: 4.889
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Liebe Ilka-Maria,
noch ein sehr schönes deiner Kleinode über deine Erinnerungen, deine Kindheit und Offenbach. Stettin, ist das nicht Polen? Heute? War das früher beim Deutschen Reich, Schlesien oder so? Da kommt deine Mutter her? Hoffentlich musste sie nicht vor den Russen flüchten im Krieg, was die Menschen durchgemacht haben...grausam. Nicht die russischen Soldaten, das waren ja keine Menschen. (Hab so meine Probleme mit Russen). Na ja, auf alle Fälle wieder ein sehr gefühlvoller Text der hochwertigen Art. Sehr schön. Liebe Grüsse Corazon |
16.04.2010, 11:30 | #10 |
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Liebe Corazon,
meine Mutter ist in Stettin geboren, das gehörte damals zu Pommern und wurde nach 1945 polnisch. Die Familie brach erst in Richtung Westen auf, als der Krieg schon zu Ende und Pommern von den Russen besetzt war. Bis auf ein Baby, für das keine Milch aufgetrieben werden konnte und das deshalb unterwegs verhungerte, waren alle unbeschadet durchgekommen. Danke für Deinen Kommentar. Liebe Grüße Ilka-M. |
16.04.2010, 12:01 | #11 | |||
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Mir ist beim Lesen des Textes, als würde jemand eine Tür in meine eigene Vergangenheit aufschlagen... LG Abendstern |
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