Ein Leben ohne "chen" bei Poetry.de

Merith · 30.11.2014, 01:32

Immer war ich nur dein Liebchen,
nie bekam ich einen Brief, nur Briefchen,
heimlich zugesteckt.
Zum Trost gab es Pralinchen.

Am Morgen schenkst du mir ein Küsschen,
"Du warst so lieb mein Häschen".
Heute rede ich bestimmt mit ihr,
bitte bring mich noch zur Tür.

So vergingen ein paar Jährchen,
endlich wurden wir ein Pärchen.
"Willst du werden nun mein Frauchen,
dich kümmern um mein Häuschen ?"

"Leb wohl, mein Männchen".

23.11.14
Merith

Ilka-Maria · 30.11.2014, 05:27

Das ist stark!

Und raffiniert. "Heute rede ich bestimmt mit ihr ..." droht beim ersten Lesen unterzugehen, wenn sich der Leser zu sehr auf das "...chen", also auf die Verkleinerung einlässt. Das liest sich niedlich-verliebt und somit harmlos.

Zunächst.

Aber wenn der Sinn erfasst ist, die Hinhaltetaktik, das lange Warten, das Zulangewarten, bis die Ehefrau nicht mehr präsent ist und die Geliebte in die Funktion eintreten soll, das Haus zu verwalten, läuft das Gedicht auf seinen Höhepunkt zu.

Die Geliebte ist kein Häschen, sie ist keine Verkleinerung, sondern ein autarkter Mensch. Und in dem Augenblick, in dem sie den Geliebten haben kann, erteilt sie ihm eine Absage.

Es erinnert mich an "Marjorie Morningstar", die jahrelang um ihre Liebe kämpfte. Als sie schließlich gefragt wurde: "Willst du mich heiraten?", war ihre Antwort: "Definitly not!"

Ein wirklich gutes Stück.

Gylon · 30.11.2014, 10:35

Liebe Merith,
ein so starkes Textchen am Morgen vertreibt Gedanken an eigene Sorgen.

Liebe Grüße Gylon

Caliban · 30.11.2014, 17:22

Im Prinzip hat Ilka ja alles dazu gesagt.

Man wird vom anfänglichen Eindruck der Harmlosigkeit in Sicherheit gewiegt und plötzlich der Schlag in die Magengrube.

Gut.

Merith · 30.11.2014, 20:36

Hallo Ilka,

Du hast auf deine gekonnt durchdachte Art mein "chen" seziert, und alle Gedanken, die mich "beflügelten" aufs Papier gebracht, danke dir dafür!

Welchem Frauchen unter uns das nicht schon mal passiert ist, das werfe das erste Steinchen

Liebes Grüßchen
Merith

Merith · 30.11.2014, 20:42

Lieber Gylon, lieber Caliban,

da scheint mir ja wirklich wieder mal etwas gelungen zu sein, wenn's dem einen die Sorgen vertreibt und dem anderen in die Magengrube fährt !

Ich bedanke mich für Eure "Wahrnehmungen"

Merith

30.11.2014, 01:32	#1
Merith R.I.P. Dabei seit: 10/2013 Ort: Im Isental Alter: 83 Beiträge: 3.380 Meine Gedichte Meine Favoriten	Ein Leben ohne "chen" Immer war ich nur dein Liebchen, nie bekam ich einen Brief, nur Briefchen, heimlich zugesteckt. Zum Trost gab es Pralinchen. Am Morgen schenkst du mir ein Küsschen, "Du warst so lieb mein Häschen". Heute rede ich bestimmt mit ihr, bitte bring mich noch zur Tür. So vergingen ein paar Jährchen, endlich wurden wir ein Pärchen. "Willst du werden nun mein Frauchen, dich kümmern um mein Häuschen ?" "Leb wohl, mein Männchen". 23.11.14 Merith

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30.11.2014, 05:27	#2
Ilka-Maria Forumsleitung Dabei seit: 07/2009 Ort: Arrival City Beiträge: 31.104 Meine Gedichte Meine Favoriten	Das ist stark! Und raffiniert. "Heute rede ich bestimmt mit ihr ..." droht beim ersten Lesen unterzugehen, wenn sich der Leser zu sehr auf das "...chen", also auf die Verkleinerung einlässt. Das liest sich niedlich-verliebt und somit harmlos. Zunächst. Aber wenn der Sinn erfasst ist, die Hinhaltetaktik, das lange Warten, das Zulangewarten, bis die Ehefrau nicht mehr präsent ist und die Geliebte in die Funktion eintreten soll, das Haus zu verwalten, läuft das Gedicht auf seinen Höhepunkt zu. Die Geliebte ist kein Häschen, sie ist keine Verkleinerung, sondern ein autarkter Mensch. Und in dem Augenblick, in dem sie den Geliebten haben kann, erteilt sie ihm eine Absage. Es erinnert mich an "Marjorie Morningstar", die jahrelang um ihre Liebe kämpfte. Als sie schließlich gefragt wurde: "Willst du mich heiraten?", war ihre Antwort: "Definitly not!" Ein wirklich gutes Stück.

30.11.2014, 10:35	#3
Gylon Dabei seit: 07/2014 Beiträge: 4.269 Meine Gedichte	Liebe Merith, ein so starkes Textchen am Morgen vertreibt Gedanken an eigene Sorgen. Liebe Grüße Gylon

30.11.2014, 17:22	#4
Caliban Dabei seit: 02/2007 Ort: Zuhause in jeder guten Bar Beiträge: 555 Meine Gedichte Meine Favoriten	Im Prinzip hat Ilka ja alles dazu gesagt. Man wird vom anfänglichen Eindruck der Harmlosigkeit in Sicherheit gewiegt und plötzlich der Schlag in die Magengrube. Gut.

30.11.2014, 20:36	#5
Merith R.I.P. Dabei seit: 10/2013 Ort: Im Isental Alter: 83 Beiträge: 3.380 Meine Gedichte Meine Favoriten	Hallo Ilka, Du hast auf deine gekonnt durchdachte Art mein "chen" seziert, und alle Gedanken, die mich "beflügelten" aufs Papier gebracht, danke dir dafür! Welchem Frauchen unter uns das nicht schon mal passiert ist, das werfe das erste Steinchen Liebes Grüßchen Merith

30.11.2014, 20:42	#6
Merith R.I.P. Dabei seit: 10/2013 Ort: Im Isental Alter: 83 Beiträge: 3.380 Meine Gedichte Meine Favoriten	Lieber Gylon, lieber Caliban, da scheint mir ja wirklich wieder mal etwas gelungen zu sein, wenn's dem einen die Sorgen vertreibt und dem anderen in die Magengrube fährt ! Ich bedanke mich für Eure "Wahrnehmungen" Merith