Das Fenster

[Roman Speta]

Das Fenster

Eben noch trank ich den jubelnden Tag
und war guter Dinge.
Da quoll der Himmel zu.
Und es herrschte tiefe Finsternis
weithin im Land.
Und eine schwarzviolette Wolke,
schwärzer als alles Schwarz,
schwoll drohend an
und barst.
Und es öffnete sich ein Fenster.
In grellem, gleißendem Licht
erblickte ich eine zeitlose Welt.
Da standen meine Eltern
fröhlich am Traualtar
und gleich dahinter lagen
Vater und Mutter als Säuglinge
und nicht weit entfernt
saßen sie als zitternde Greise.
Ja und auch mich erkannte ich
in etlichen Abschnitten
meines Lebens.
Da waren auch meine Großeltern
und alle anderen Ahnen.
Und weiter hinten im stets
sich erweiternden Raum
sah ich das Wimmeln der Menschheit
und aller lebenden Wesen
aller Zeiten.
Voll Schaudern, voll banger
Seligkeit starrte ich zitternd empor.
Da schloss sich mit einem
dröhnenden Ruck
das Fenster der Ewigkeit.
Bald glitt die Sonne wieder hervor
und wärmte die Fluren.
Auf Fliederpfaden schritt ich heimwärts.
Da sah ich am hellen Himmel
alle Erscheinungen nochmals,
doch in veränderter Form, als hätten
sie die Gelegenheiten des Lebens
und alles Glück genützt.
Wohl eine der zahllosen Wirklichkeiten
im Strom der Unendlichkeit.
Als gegen Abend der Himmel
im Feuer loderte,
fand ich wieder zu mir.