Der Speiseabfallwagen

[Stefan Ziegenhagen]

Der Speiseabfallwagen.

'' Mama, der Mann mit dem Speiseabfall ist da! '',
ruft der kleine Junge seiner Mutter entgegen.
Und die Mutti freut sich: ''Das ist ja wunderbar,
endlich können auch wir mal wieder sattsam leben! ''

Der Sohn strahlt über das ganze Gesicht
und winkt dem LKW - Fahrer begeistert zu.
Der aber sieht das einfach nicht
und brummt stattdessen: '' Laßt mich bloß in Ruh! ''

Gelangweilt klappt er eine Platiktonne auf
und langt mit einer hölzernen Kelle hinein.
Die Mutter reicht ihm eine Schüssel hinauf,
in der Hoffnung, es wird was leckeres drinnen sein.

Der Junge streckt triumphierend seinen Löffel empor,
quiekt: '' Wie schön, daß wir nicht hungern müssen! ''
Auch die Mutter holt ihr abgenutztes Besteck hervor,
genießt im Geiste schon jetzt jeden Bissen.

Das Kind stürzt sich zuerst auf den Nahrungsschlamm
und bekommt kaum Luft, während es hektisch schlingt.
Mama fragt böse: ''Wann bin ich endlich dran
oder willst du, daß dich dein Onkel wieder zu Doktorspielen zwingt? ''

Der Sohn weicht mit bleicher Miene zurück
und gibt kleinlaut die Schüssel frei.
Mutti stopft sich ein kleines Bratenstück
in den Schlund und hofft, daß es nicht überaltert sei...

Nach ein paar Minuten ist das Gefäß leer
und die zwei fordern einen Nachschlag.
Mißbilligend gibt der Fahrer noch etwas her:
''Dankt den Reichen für diesen Schlemmertag! ''

Recht hat er. Jeden Dienstag steht er hier
mit seinem bunt bemalten Speiseabfallwagen.
Ihm erscheinen die Bedürftigen wie Getier,
nur laut darf er so etwas nicht sagen...

Auf seinem LKW hat er zwanzig blaue Kunststofftonnen zu stehen.
In ihnen befinden sich die Essensreste Stadtbekannter Lokalitäten.
Man kann ihn täglich an diesen beliebten Orten sehen,
wo er alles sammelt: von Kartoffelschalen bis hin zu unerwünschten Gräten.

Und einmal in der Woche kommt er zu diesem Platz,
den die Sozialschwachen zugewiesen bekommen.
Dann wird sein Fahrzeug zu einem Jedermanns Schatz,
so hat es die Regierung vor langem ersonnen.

Jeder Bedürftige erhält eine Schüssel, die zwei Liter faßt,
denn was in der Tonne ist, muß für viele genügen.
Und wenn in einen Magen weniger hineinpaßt,
so muß entweder der Staat oder der Hungernde lügen...

Aber die Reichen lassen gerne etwas mehr auf ihren Tellern liegen,
schließlich dient es ja alles einem guten Zweck.
Sie sagen sich: der LKW, der wird das alles schon kriegen,
denn bei uns, da kommt rein gar nichts weg.

Seit fünf Jahren läuft jetzt diese Aktion
und die Stadtväter sind aufrichtig zufrieden.
Wer satt ist, der zahlt einen guten Wählerlohn
und Verteilungskämpfe werden ganz vermieden.

Mutti streichelt dem Sohn über das Haupt
und sagt: '' Heute ist mal wieder ein schöner Tag.''
Sie weiß, daß ihr Kind das auch glaubt,
weil es den LKW mehr als den eigenen Vater mag...

Schon mehrfach mußte sich der Fahrer übergeben
beim öffnen der blauen Plastiktonnen.
Aber er sagt sich, auch die Schwachen müssen leben,
so ein Dasein ist doch schnell zerronnen.

Recht hat er. Früher waren es nur ein paar,
heute kommen sie dutzendfach angelaufen.
Sicher, jeder hat einmal ein schlechtes Jahr,
aber jene hier, die können sich gar nichts mehr kaufen.

Also kippt er alles in seine Tonnen rein,
was die Besserverdienenden nicht mehr runterkriegen.
Es kann auch mal etwas ganz einfaches sein,
auch an Imbissbuden bleibt viel liegen.

Nach drei Stunden wird die Fütterung für beendet erklärt.
Zurück bleibt eine Mutter und ihr lachendes Kind.
In zwei Tagen kommt ein ähnliches Gefährt:
Es verschenkt die Kleidungsstücke, die von Sterbefällen übrig sind.

19.10.2004

[Candlebee]

Stefan Ziegenhagen,

sag mal, welchen Film hast du gesehen? Das ist grauenvoll. Mich erinnern die Worte zum Teil an "Der Schacht" und an eine Folge aus der Serie "Stargate". Absolute Sience Fiction!!!
Das die Oberen Verteilungskämpfe vermeiden, stimmt ja nicht ganz. Denn die Mutter blafft den Kleinen an, wann sie endlich wieder an der Reihe ist. Sie droht sogar mit den Doktospielen des Onkels. Hallo???

Ich mag dieses Gedicht in keiner Weise. Du solltest im Titel auch darauf hinweisen, dass es schaurig zugeht und keinesfalls für jedermann zum lesen gut ist. Die Kategorie ist falsch gewählt.

Candlebee