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Alt 20.10.2006, 17:29   #1
Colegiada
 
Dabei seit: 10/2006
Beiträge: 9


Standard Das Haus am Waldesrand

Es war eine laue Herbstnacht. Der Himmel hatte sich schon längst verdunkelt. Die kleine acht-jährige Hannah lag in ihrem Bett und wartete, wie jeden Abend, auf ihre Großmutter Meredith, die ihr eine ihrer legendären Gute-Nacht-Geschichten erzählen würde. Sie hatte keine Eltern mehr. Ihre Oma hatte ihr erzählt, dass sie bei einem schweren Autounfall vor ein paar Jahren ums Leben gekommen sind. Sie konnte sich kaum an ihre Eltern erinnern. Seit dem ihrem Tod lebte sie bei ihrer Großmutter. Obwohl die Müdigkeit sie fast übermannte, versuchte Hannah sich wach zu halten. Ihre Augen beobachteten den Mond, der durch das Fenster ihr Zimmer erhellte. Ihre Gedanken schweiften zu dem Vorfall, der sich am gestrigen Abend ereignet hatte.

Gegen ungefähr 18.00 Uhr wollten sie und ihre Großmutter gerade zu Abend essen, als das Telefon klingelte. Meredith verdrehte die Augen. Es würde bestimmt ihre Nachbarin sein, die alle anderen für verrückt und paranoid hielten. Das war auch der Grund warum so gut wie niemand mehr mit ihr sprach. Meredith war die Einzige, die es noch tat. Leider bedeutete das, dass Pat Johnson sich fast an sie klammerte. Und doch erbarmte Meredith sich immer wieder. Sie hätte einfach ein schlechtes Gewissen dabei, sich nicht zu melden. Heute jedoch gehörte wenigstens die Zeit des Essens nur ihr und ihrer Enkelin. Das war sie dem kleinen Mädchen schuldig. Und ehrlich gesagt hatte sich auch keine Lust sich mit Pat Johnson zu beschäftigen. Deswegen blieb sie auch sitzen.
„Warum gehst du nicht ans Telefon, Granny?“ Meredith lächelte der Kleinen zu.
„Beim Essen lassen wir uns doch jetzt nicht stören, oder Hannah?“
Hannah lachte laut auf. Dann verebbte auch endlich das nervende Telefonklingeln. Jedoch war es damit noch nicht getan, denn gerade als sie sich wieder ihrer Mahlzeit zuwenden wollten, klingelte es abermals. Der Anrufer schien sehr hartnäckig zu sein. Und möglicherweise war es ja sogar wichtig. Mit einem Seufzer beschloss Meredith dieser Ruhestörung auf den Grund zu gehen und sie zu unterbinden. Sie erhob sich und ging hinüber zum Telefon. An ihrem Tonfall würde der Anrufer schon erkennen, dass er im Moment unerwünscht war um sich dann hoffentlich kurz zu fassen. „Burdens?“ Mehr konnte Hannah nicht mehr hören, denn ihre Großmutter war mit dem Telefon im Nebenraum verschwunden. Hannah war ein von Natur aus sehr neugieriges Kind. Sie musste einfach immer wissen, was vor sich ging. Auch in diesem Fall war das nicht anders. Sie stand auf, ging zu Tür und legte ihr rechtes Ohr daran, in der Hoffnung, dass ihre Großmutter sie nicht beim lauschen erwischte, denn Meredith hieß Lauschen für alles andere als gut. Die Stimme ihrer Oma war so leise, dass sie nur Bruchstücke mitbekam, jedoch nicht genug, um sie in einen größeren Zusammenhang zu bringen. Hannah war für ihr Alter äußerst intelligent und keineswegs auf den Kopf gefallen. Sie war anderen immer einen Schritt voraus. Mit ihren Freunden ging sie immer auf „Abenteuerreise“. Die plötzliche Stille im Nebenraum ließ sie aufmerksam werden. Sie konnte Schritte hören. Schnell rannte sie wieder an ihren Platz am Tisch zurück und versuchte ihren Atem zu kontrollieren. Kaum hatte sie sich beruhigt betrat Meredith auch schon die Küche. Tief durchatmend stellte sie das Telefon wieder in die Station. Hannah konnte spüren, dass etwas nicht stimmte...
„Wer war das, Granny?“
„Ach du, das war nur eine Bekannte.“
„Was wollte sie denn?“
„Du bist ganz schön neugierig, Hannah, weißt du das?“
Hannah griente über das ganze Gesicht. Sie wusste, dass sie den Grund des Anrufes nicht erfahren würde und sie versuchte es auch nicht weiter. Ich Großmutter war stur. Wenn sie nicht wollte, dass Hannah etwas erfuhr, dann half auch keine hartnäckige Nachfragerei. Damit riskierte sie nur, dass sich heute Abend nicht mehr mit ihren Freunden treffen durfte und das wollte sie unbedingt vermeiden. Dennoch...irgendwie verhielt ihre Großmutter sich komisch. Sie sah es in ihren Augen. Irgendetwas war in den letzten Minuten passiert.
„Wann kommen denn deine beiden Freunde?“
Hannah warf einen Blick auf die Küchenuhr, als es auch schon an der Tür klingelte. „JETZT!“ Schrie sie, sprach auf, ließ ihr Brot achtlos liegen und stürmte zur Tür. „Aber Kind, du musst doch dein Brot essen!“ Rief Meredith ihr hinterher, jedoch war die Antwort darauf nur: „Keinen Hunger mehr!“ „Lauft nicht zu weit weg! Es wird bald dunkel. Und bleibt weg vom Wald!“ Und schon hörte sie die Tür ins Schloss fallen. Der Wald...hoffentlich blieb Hannah ihm fern.

Hannah, Jeremy und Denise liefen über die Wiese hinterm Haus. Erst an der großen alten Eiche, die sie zu ihrem geheimen Treffen bestimmt hatten, blieben sie völlig außer Puste stehen und ließen sich fallen. Hier beratschlagten sie immer, welches Abenteuer sie nun als nächstes angehen würden.
„Ich habe da eine Idee...“ Grinste Jerry.
„Und die wäre?“ Fragte Denise neugierig.
„Wir gehen in den Wald!“
„Auf keinen Fall. Meine Gran hat mir verboten in den Wald zu gehen. Das ist zu gefährlich, sagt sie immer!“ Protestierte Hannah.
„Du bist doch nur ein Angsthase!“
„Das ist doch gar nicht wahr, Jerry!“
„Also, ich finde die Idee toll.“ Schloss sich Denise Jerry an und stellte sich somit auf seine Seite. Beide blickten sie erwartungsvoll an. „Was ist nun? Kommst du mit?“
Hannah dachte nach. Würde sie ‚nein’ sagen würde sie als Feigling dastehen... Das wollte sie nicht. „Okay...ich komme mit!“ Allerdings hatte Hannah in diesem Moment noch nicht die geringste Ahnung, wie sich dieses Abenteuer entwickeln würde.

Meredith räumte die Küche auf. Innerlich war sie aufgewühlt. Sie dachte an Hannah. Ein unruhiges Gefühl machte sich in ihr breit. Pat hatte sie vorhin angerufen und um etwas gebeten. Doch Meredith konnte und wollte dieser Bitte nicht nachkommen. Sie würde es für sich behalten. Sie tat es nur für Hannah.

Die Kinder waren schon fast am Wald angekommen, da hielt Hannah plötzlich inne. Sie schaute sich um. Ihr kam alles so bekannt vor, obwohl sie sich nicht erinnern konnte, jemals hier gewesen zu sein. Denise und Jerry bemerkten gar nicht, dass Hannah nicht mehr hinter ihnen war und rannten weiter, tiefer in den Wald hinein. Hannahs Blick fixierte sich auf ein Haus, das die eben entdeckt hatte. Sie konnte es nicht erklären, aber sie fühlte sich von ihm irgendwie magisch angezogen. Sie wusste nicht wie sie dort hingekommen war, aber sie stand plötzlich an einem der Fenster und warf einen Blick hinein. Ihr lief ein Schauer den Rücken hinunter. Sie spürte Unbehagen. Dieser Ort weckte Angst in ihr, dennoch konnte sie sich nicht von hier lösen. Das Haus war verlassen, aber nicht heruntergekommen. Im Gegenteil, es sah sogar gepflegt aus; und doch hatte es eine dunkele Ausstrahlung. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie schon mal hier gewesen war.
„Hannah? Man, da bist du ja!“ Rief Denise und rannte zu ihr rüber.
„Was machst du hier?“ Eilte Jerry hinterher. Und erst jetzt bemerkten die beiden das Haus. Auch ihnen schien es Angst einflößend zu erscheinen.
„Ich will nach Hause!“ War alles, was Hannah von sich gab. Sie machte auf dem Absatz kehrt und rannte so schnell sie konnte vom Wald und dem Haus weg. Ihre Freunde folgten ihr.

Als sie zu Hause ankam, sagte sie ihrer Großmutter sie sei müde und verschwand in ihr Zimmer. Seit gestern ging ihr nur noch dieser merkwürdige Ort durch den Kopf.

Sie merkte nicht, dass ihre Großmutter das Zimmer betrat.
„Hannah?“ Immer noch reagierte sie nicht, den Blick immer noch starr zum Mond gerichtet.
„Erde an Hannah!“ Vorsichtig stellte Meredith das Tablett mit dem Keksen und der Milch auf den Nachttisch und setzte sich auf den Sessel neben dem Bett. Erst jetzt schien Hannah zu registrieren, dass sie nicht mehr allein im Zimmer war.
„Hm?“
„Du warst ja eben völlig weggetreten.“
„Ich habe nachgedacht.“ Meredith grinste. Ich habe nachgedacht. Man vergaß bei Hannah schnell, dass man mit einer acht-jährigen sprach.
„Nachgedacht, soso! Über was hast du denn nachgedacht?“
Hannahs Gedanken überschlugen sich. Sie hatte Fragen, die auf Antworten warteten, doch sie hatte auch Angst vor der Reaktion ihrer Großmutter. Sie war verbotenerweise im Wald gewesen, obwohl sie ein ausdrückliches Verbot hatte. Ein berechtigtes, wie sie nun wusste. Dennoch, auch wenn es Konsequenzen hatte, sie musste wissen, was es mit dem Haus auf sich hatte. Dieses Haus barg sich in einer so merkwürdigen Atmosphäre. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen.
„Hannah, ich rede mit dir!“
Hannah atmete tief durch. Sie würde es wagen. Sie würde sogar die kommende Strafe auf sich nehmen, würde sie jetzt nur mehr erfahren.
„Granny...was hat es mit dem Haus am Waldesrand auf sich?“
„Woher kennst du das? Du warst doch nicht etwa dort oder?“ Merediths Stimme klang auf einmal ernst. Hannah antwortete nicht, nur ein sanftes Nicken war zu vernehmen.
„Habe ich die nicht strikt verboten auch nur in die Nähe des Waldes zu gehen? Warum hast du es trotzdem getan, Hannah?“ Dann fügte sie in einem sanften Ton hinzu: „Das hättest du nicht tun dürfen. Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist.“ Mit diesem Worten nahm sie ihre Enkelin in den Arm und drückte sie fest an sich. Hannah ließ es geschehen. Erst als sie sich wieder voneinander lösten, wagte es Hannah ihre Frage zu wiederholen. „Was ist mit dem Haus, Granny?“ Merediths Gesichtszüge verhärteten sich. Sie schloss die Augen und zog die Luft scharf ein. Als sie die Augen wieder öffnete, begann sie mit einer Story, die Hannah das Blut in den Adern gefrieren ließ.
„Vor sechs Jahren zog eine Familie in das abgelegene Haus am Waldesrand. Alles schien perfekt. Das Ehepaar und ihre Tochter fühlten sich wohl und lebten sich schnell ein. Nach sechs Monaten ungestörten Lebens, geschah eines Morgens der erste Vorfall. Die Frau vernahm merkwürdige Geräusche in ihrem Zimmer. Sie fragte ihren Mann, ob auch er sie hörte. Er antwortete mit ‚ja’, dennoch versuchte er sie damit zu beruhigen, dass es auf die alten Holzträger des Hauses zurückzuführen war. Sie gab sich vorerst mit der Begründung zufrieden, jedoch wurde es Nacht für Nacht schlimmer, bis man es sogar am Tage hören konnte. Was die Familie bis zu diesem Tag nicht wissen konnte war, dass der Makler ihnen ein kleines Detail bezüglich des Hauses verschwiegen hatte. Vor 15 Jahren geschah in diesem Haus ein Mord. Ein verrückter hatte damals ein junges Ehepaar brutal ermordet und die Leichen im Brunnen verscharrt. Der Mörder hatte die Dreistigkeit besessen weiter in dem Haus zu wohnen, jedoch nicht so lange, wie er sich es wahrscheinlich erhofft hatte. Auch er wurde tot in dem Brunnen im Garten gefunden. Seit dem heißt es, dass es in diesem Haus spukt.“ Meredith machte eine Pause in ihrer Geschichte. Sie konnte nicht glauben, dass sie diese Geschichte einem Kind erzählte und zu dem noch ihrer eigenen Enkelin, doch Hannah schien interessiert zuzuhören.
„Warum hörst du auf zu erzählen, Granny?“ Fragte Hannah enttäuscht.
„Ich bin mir nicht ganz so sicher darüber, ob ich die sie Geschichte weitererzählen soll. Du bist doch noch viel zu jung, Kind.“
„Ich bin doch schon acht!“
„Aber das ist eigentlich nicht für deine Ohren bestimmt.“
„Du hast so viel schon erzählt, Granny, da kommt es doch auf den Rest auch nicht mehr an.“ Das brachte Meredith zum Lächeln. Ihre Enkelin war unglaublich. Aber sie hatte auch Recht.
„Na gut. Also, diese Familie, die vor sechs Jahren dort eingezogen war, hatte von der Vorgeschichte des Hauses keinen blassen Schimmer. Ich bezweifele, dass sie das Haus andernfalls gekauft hätten. Im Laufe der Wochen, die sie mit undefinierbaren Geräuschen im Haus verbrachten, begannen sich die merkwürdigen Ereignisse zu häufen. Dinge waren nicht mehr da, sie hingelegt hatte, Türen gingen auf, und zu guter Letzt verschwand sogar die Katze Minnie spurlos. Dieses Haus machte ihnen inzwischen Angst. Sie beschlossen letztendlich sogar wegzuziehen, doch so weit kam es nicht. Auch ihre Leichen fand man im Brunnen, sogar den Leichnam der Katze. Die Tochter allerdings überlebte. Sie wurde unter ihrem Bett gefunden. Sie hatte sich dort wohl versteckt. Was genau geschah ist unklar. Einen Mörder hat man nie gefunden. Aber man erzählt sich, dass das ermordete Ehepaar dort sein Unwesen treibt und Rache übt.“
„Was glaubst du was wirklich geschah, Granny?“
„Ich weiß es nicht, aber...ich...“
„Warst du schon mal dort?“ Hannah hatte eine Faszination für dieses Haus, aber keine positive. Es ließ sie bis auf die Knochen erschaudern und sie konnte sich nicht erklären warum.
„Ja.“ Meredith sagte es bestimmt. „Und ich werde es nie wieder tun, genau so wie ich möchte, dass du diesem Ort fern bleibst. Egal was dort wirklich geschah, dort sind Menschen gestorben und ich will nicht, dass dir irgendetwas passiert.“ Sie hatte fast Tränen in den Augen. Da war noch mehr. Hannah war sich sicher. Irgendwas wurde ihr verschwiegen. Und sie würde gerne wissen was, denn es schien ihrer Großmutter wirklich nahe zu gehen.
„Was ist mit dem Mädchen passiert?“ Jetzt schien sie den wunden Punkt getroffen zu haben. Meredith hüstelte und versuchte das Thema zu wechseln.
„Es ist schon spät. Du solltest dich jetzt schlafen legen!“ Sie machte Anstalten aufzustehen, aber Hannah griff ihren Arm.
„NEIN! Ich will, dass du mir die Wahrheit erzählst. Du verschweigst mir etwas!“ Hannah war aufgebracht. Sie wusste, dass etwas nicht stimmte, und das hatte sich soeben bestätigt.
„Ich kann nicht...ich habe geschworen...“
„Du hast was geschworen?“
Meredith wusste, dass sie ihr die Wahrheit erzählen musste. Sie hatte sie in die Ecke getrieben und sie wusste, dass Hannah sich mit einer Ausrede, einer weiteren Lüge mit Sicherheit nicht zufrieden geben würde.
„Hannah, ich habe lange mit mir gekämpft, ob ich dir die Wahrheit erzählen soll, oder ob es in deinem Wohl wäre, dich mit der Geschichte leben zu lassen, die ich gezwungen war dir zu erzählen. Ich habe mir geschworen, dir nie etwas über... über...“
„Über was?“
Meredith schien dem Mädchen gar nicht wirklich zuzuhören. „Pat wollte, dass ich es dir sage, aber ich konnte nicht...“
„Pat? Pat Johnson?“ Hannah war verwirrt. Was hatte ihre Nachbarin denn mit der Geschichte zu tun? Welche Wahrheit? Es schien absolut nichts zusammenzupassen.
„Hannah, was ich dir jetzt erzählen werde...Du wirst verstehen, warum ich dich belügen musste.“ Hannah nickte, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte. „Okay.“
Die Stunde der Wahrheit war gekommen. Hannah würde alles erfahren.
„Deine Eltern sind nicht bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sie...sie wurden ermordet und zwar in dem Haus am Waldesrand.“
Es traf Hannah wie ein Schlag. Alles stürzte auf sie ein. Es bot sich plötzlich ein klares Bild vor ihr. Konnte es wirklich war sein? Eine Frage brannte ihr auf der Zunge. Sie musste es wissen.
„Was...ist...mit dem Mädchen.“ Es war kaum mehr als ein Hauch. „Wie...wie ist ihr Name?“
Merediths Tränen, die sich den Weg an ihrer Wange hinunter bahnten, beantworteten die Frage auch ohne Worte.
„Ich? Ich bin dieses Mädchen?“ Meredith brachte keinen Ton hinaus. Ihr Hals war wie zugeschnürt. Sie nickte. Hannah fiel ihr um den Hals und begann zu schluchzen. Meredith strich ihr vorsichtig über die Haare. „Ich hoffe, du verstehst jetzt, warum ich dir verboten habe in den Wald zu gehen und warum ich dir nie etwas erzählen wollte.“ „Ja, Granny.“
Nach einigen endlos scheinenden Minuten hatten sich beide beruhigt. Hannah löste sich von ihrer Großmutter und ließ sich vorsichtig zurück ins Bett fallen. Die Tränen waren getrocknet. Es schien, als hätten beide sich wieder gefasst. Meredith bemerkte den nachdenkenden Blick ihrer Enkelin.
„Ist alles in Ordnung, Kleine?“
„Du hast vorhin Mrs. Johnson erwähnt.“
„Ja. Auch sie hat unter dem Tod deiner Eltern sehr gelitten.“
Hannah zog die Stirn kraus. Meredith wusste, dass ihre Aussage noch klärungsbedürftig war. „Sie war die Mutter deines Vaters. Sie wollte, dass wir dir von Anfang an die wahre Geschichte erzählen, aber ich riet ihr immer und immer wieder davon ab.“
„Also ist sie auch meine Oma?“
„Sieht so aus.“
„Darf ich morgen zu ihr gehen?“
„Natürlich darfst du das.“ Ein sanftes Lächeln huschte über Merediths Lippen. „Aber du musst jetzt schlafen.“
„Bleibst du heute Nacht bei mir, Granny?“ Fragte sie etwas ängstlich.
„Ja, mein Kind.“ Meredith deckte sie vorsichtig zu, holte sich eine Decke, und setzte sich in den Sessel zurück.
„Ja, mein Kind. Ich bin immer für dich da.“ Flüsterte sie noch, doch ihre Enkeltochter war schon eingeschlafen. Sie würde es verkraften. Vielleicht nicht heute, vielleicht auch nicht morgen, aber die Zeit wird kommen. Da war sich Meredith sicher.
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