Die Wünsche einer Tochter. bei Poetry.de

Stefan Ziegenhagen · 06.11.2022, 11:17

Die Wünsche einer Tochter.

Mutti, ich möchte so gerne ein Haustier haben.
Etwas Kleines, schnelles, wie Motten oder Schaben.
Die kosten nicht viel und sind genügsam dazu.
Nur etwas Brot unter den Tisch,
noch nicht einmal frisch
und sie lassen dich für Stunden in Ruh.

Mutti, es könnten auch ganz einfach Flöhe sein.
Die lassen sich freudig auf Spiele ein,
denn sie springen Zielgenau
nicht nur von Frau zu Frau,
sondern auch frech von einem Mann zum anderen Mann
und knabbern dabei noch nicht einmal Kabel an!

Mutti, schenke mir doch ein Rudel Weberknechte.
Aber nur mit langen Beinen, denn das sind echte.
Die können bei mir im Zimmer sitzen.
Ich habe doch so einiges an Ritzen
an der blanken Wand neben meinem Bett.
Sie vor dem schlafengehen zu streicheln wäre nett.
Und sind mir die Spinnenbeine zu lang,
dann hole ich die Papierschere aus dem Schrank.

Mutti, ich hätte so gerne ein Haustier...
Sagst du ja, bin ich immer lieb zu dir.
Sagst du nein, heißt das, du bist gegen mich
und wirst die Konsequenzen tragen.
Meine Kinderseele wendet sich dann gegen dich
und wird deine Härte täglich beklagen.
Ich werde plötzlich an Bulemie erkranken,
bald nur noch Haut und Knochen sein.
Du wirst dich mit dem Vater zanken
und ich weiß, keiner von euch knickt gern ein.

Ich werde in der Schule um mich schlagen
und die Zensuren mit Freude mißachten.
Familiengeheimnisse werde ich nach außen tragen,
bis uns die Verwandten verachten.
Darum, Mutti, schenke mir endlich ein Haustier!
Tu dir einen Gefallen und nicht mir.

Januar 2005.

Candlebee · 08.11.2022, 16:52

Hallo Stefan Ziegenhagen,

wieder einmal kuriose Worte. Anfangs musste ich noch schmunzeln, ob der Wahl der Haustiere. Motten, Schaben, Flöhe, Spinnen (die mal so gar nicht gehen-Buh!). Es sei dir gesagt, dass Spinnen nicht im Rudel auftreten.

Plötzlich wird aus dem eigentlich lustigen Beginn bitterböser Ernst mit Drohungen gegen die Mutter. Die Tochter scheut sich auch nicht, die Zerstörung der Familie anzudrohen. Wie kommt man auf so was?
Zwischen den Zeilen erlese ich auch Tierquälerei. Schnippschnapp, Spinnenbeine ab. Doof!

Solltest du dir solche Haustiere wünschen, geh in einen Hühnerstall. Dort findet sich allerlei Getier. UMSONST! Sag's auch der Tochter.

Grüße, Candlebee

06.11.2022, 11:17	#1
Stefan Ziegenhagen Dabei seit: 10/2021 Ort: Berlin Beiträge: 64 Meine Gedichte	Die Wünsche einer Tochter. Die Wünsche einer Tochter. Mutti, ich möchte so gerne ein Haustier haben. Etwas Kleines, schnelles, wie Motten oder Schaben. Die kosten nicht viel und sind genügsam dazu. Nur etwas Brot unter den Tisch, noch nicht einmal frisch und sie lassen dich für Stunden in Ruh. Mutti, es könnten auch ganz einfach Flöhe sein. Die lassen sich freudig auf Spiele ein, denn sie springen Zielgenau nicht nur von Frau zu Frau, sondern auch frech von einem Mann zum anderen Mann und knabbern dabei noch nicht einmal Kabel an! Mutti, schenke mir doch ein Rudel Weberknechte. Aber nur mit langen Beinen, denn das sind echte. Die können bei mir im Zimmer sitzen. Ich habe doch so einiges an Ritzen an der blanken Wand neben meinem Bett. Sie vor dem schlafengehen zu streicheln wäre nett. Und sind mir die Spinnenbeine zu lang, dann hole ich die Papierschere aus dem Schrank. Mutti, ich hätte so gerne ein Haustier... Sagst du ja, bin ich immer lieb zu dir. Sagst du nein, heißt das, du bist gegen mich und wirst die Konsequenzen tragen. Meine Kinderseele wendet sich dann gegen dich und wird deine Härte täglich beklagen. Ich werde plötzlich an Bulemie erkranken, bald nur noch Haut und Knochen sein. Du wirst dich mit dem Vater zanken und ich weiß, keiner von euch knickt gern ein. Ich werde in der Schule um mich schlagen und die Zensuren mit Freude mißachten. Familiengeheimnisse werde ich nach außen tragen, bis uns die Verwandten verachten. Darum, Mutti, schenke mir endlich ein Haustier! Tu dir einen Gefallen und nicht mir. Januar 2005.

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