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Alt 08.06.2012, 14:19   #1
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909


Standard Vaters Wandel

Vater hatte mit Vierzehn seine Lehre begonnen, war Geselle, war Meister geworden und hatte die Firma gegründet. Jeder, der ihn kannte, merkte, ein Mann, der hart an sich gearbeitet hatte, allen Rückschägen getrotzt, nun viel auch von andern verlangte. Wir alle hatten es zu spüren bekommen. Selten war etwas gut genug. Und Gutes wurde nur knapp gelobt. Aber wir achteten diesen Mann, lebten wir auch in seinem Schatten, Mutter und ich und Heike, meine Schwester.
Einmal vor Jahren hatte ich ausbrechen wollen, damals, als Vater den Fünfzigsten feierte und die Firma den Zwanzigsten, ich wollte ein Recht auf Anderssein anmelden, kam barfuß, stieß mit meiner mitgebrachten Bierflasche an ihre Sektkelche und sagte statt "Auf unsern Chef!" "Auf euren Ausbeuter!".
Aber dann befiel mich irgendwann die Scham. Ich nahm mir die Piercings ab, wusch die Bananenpaste aus dem Haarkamm und machte doch noch mein Abitur.

Ich bin inzwischen der Juniorchef und Vaters Sechzigster ist ganz durch meine Initiative vorbereitet worden. Mutter und ich haben die Einladungen verschickt und der Prokurist die Ausgestaltung der Festhalle in der Firma übernommen. Ich werde die Festrede halten, habe mich lange in Vaters Verdienste vertieft. Um so mehr wundert es mich, dass Vater sich ganz aus allem heraushält, was diesen Tag betrifft, ja, dass er heute Nachmittag zum Festbankett, bei dem ich sprechen werde, etwas später kommt, also erst zu meiner Rede. Kritisieren will ich ihn nicht, aber beunruhigt bin ich...
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Alt 08.06.2012, 14:36   #2
Thing
R.I.P.
 
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Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998


Lieber gummibaum,


bist DU eventuell dieser gewandelte Vater????
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Alt 08.06.2012, 18:31   #3
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909


Hallo, Thing,

ich habe Lust, ein bisschen Geschichten zu erzählen, tippe auch gleich ins Textfeld des Forums. Es ist länger her, dass ich spontan meinen Kindern erzählte, was mir auf ihre Wünsche hin einfiel. Hier im Forum bin ich davon abgekommen, da Geschichten weniger und Gedichte mehr zur Kenntnis genommen wurden. Aber inzwischen ist mir das Echo nicht mehr so wichtig. Ich könnte jede beliebige Geschichte erzählen, einfach auf ein Stichwort hin.
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Es ist längst Zeit, dass ich beginne. Aber Vater ist nicht da. Jemand will ihn draußen gesehen haben und so steige ich schon mal auf die Bühne und klopfe ans Mikrophon. Die meisten sind schon unruhig, denn man hat sich mit dem Essen all zu lange hinhalten müssen, bis dieser Programmpunkt endlich ... da erscheint Vater in der Tür und auf meinen Wink hin wird eine Gasse bebildet, damit er zur Bühne schreiten kann, wo wir seinen Bürosessel, mit Blumen umkränzt, aufgestellt haben.

Er trägt, wie ich gleich sehe, nicht den neuesten eleganten Nadelstreifenanzug, der gestern vom Schneider gebracht wurde. Er trägt Jeans. Seine schwarzen, handschuhweichen Bally-Schuhe hat er mit Cowboystiefeln vertauscht und die silbergraue Fliege mit einem roten Halstuch. Jetzt nimmt er den Cowboyhut ab, wirft ihn mir entgegen und er fliegt eine Kurve und bleibt bei Mutter und Heike, die bühnennah am vordersten Tisch sitzen, liegen.

Vater geht nun zügig auf die Bühne zu, aber bei ihm ist eine Frau, die mit Sicherheit nicht eingeladen war. Eine Frau um die Zwanzig. Eine Frau, zwar hübsch, aber irgendwie wild und wuchernd in ihrer Schönheit und von grenzenloser Naivität. Sie trägt ein kappes T-Shirt, keinen BH und den braunen Bauch frei. Jetzt schlendert sie, knapp berockt und in Espandrillos, an Vaters Seite, bewegt sich mit schaukelnden Hüften und hat Vater an der Hand gefasst. Und dazu blickt sie ihn an und dann in die Runde, als wollte sie sagen: "Warum seid ihr denn so still, Leute? Freut euch! Er ist doch süß, euer Boss, mein Schnucki!" ...
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Alt 08.06.2012, 19:13   #4
weiblich sohare
 
Dabei seit: 06/2012
Alter: 27
Beiträge: 22


Der Einstieg gefällt mir, die Fortsetzung habe ich noch nicht gelesen, werde ich aber noch tun.
Der Schreibstil ist fast einwandfrei, man merkt, dass es sich um den Text einer erfahreneren Person handelt, und dass es wohl eine ernste Geschichte wird.
Die Situation ist keine ungewöhnliche oder ausgefallene und dazu passt auch die Art, wie alles geschrieben ist.
Folgende Stelle gefällt mir besonders gut:
Zitat:
Zitat von gummibaum Beitrag anzeigen
Einmal vor Jahren hatte ich ausbrechen wollen, damals, als Vater den Fünfzigsten feierte und die Firma den Zwanzigsten, ich wollte ein Recht auf Anderssein anmelden, kam barfuß, stieß mit meiner mitgebrachten Bierflasche an ihre Sektkelche und sagte statt "Auf unsern Chef!" "Auf euren Ausbeuter!".
Aber dann befiel mich irgendwann die Scham. Ich nahm mir die Piercings ab, wusch die Bananenpaste aus dem Haarkamm und machte doch noch mein Abitur.
Man merkt, dass der Erzähler nicht wirklich jemand ist, der zum Ausbrechen geboren ist. Seine Idee ist nicht gerade originell und er ist ja auch nicht der erste, der sowas schon gerufen hat. Und so schnell wie er sich danach schämt... Ich bin gespannt, ob er sich im Laufe der Geschichte noch wandeln wird oder ob das, wie der Titel schon verrät, nur der Vater tut.

Einen Kritikpunkt habe ich allerdings:
Zitat:
Zitat von gummibaum Beitrag anzeigen
Ich bin inzwischen der Juniorchef und Vaters Sechzigster ist ganz durch meine Initiative vorbereitet worden.
An dieser Stelle musste ich beim kompletten Durchlesen des Textes immer stocken. Sie unterbricht für mich einfach den Lesefluss. Was allerdings nur an der Satzstellung liegt.
"Inzwischen bin ich der Juniorchef [...]" würde in meinen Ohren auf jeden Fall um einiges besser klingen.

Liebe Grüße,
Sohare
sohare ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.06.2012, 12:04   #5
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909


Hallo, Sohare,

danke für deinen Kommentar und die Anregung. Ich werde den Text nicht fortsetzen, da mir beim Wiederlesen schon die erste Fortsetzung zeigt, dass er unausgegoren bleibt.

LG gummibaum

Hallo, Thing,

meine Worte von gestern habe ich inzwischen bereut, wie du siehst.

LG gummibaum
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Alt 09.06.2012, 16:33   #6
männlich Jeronimo
gesperrt
 
Dabei seit: 10/2011
Alter: 70
Beiträge: 4.237


Hallo Gummibaum,

das klingt ein wenig entmutigend. Mir geht es übrigens ähnlich. Ich habe mindestens ein Dutzend angefangener Geschichten herumliegen, die mir nach euphorischen Start mitten im Geschehen plötzlich nicht mehr gefielen.
Wenn ich merke, ich muss Sätze "basteln" anstatt zu schreiben, flüssig den Gedanken im Kopf folgend, höre ich auf.
Bei Dir hat es einen anderen Grund: Es ist die Fortsetzung der Story, die Dir plötzlich nicht mehr behagt, weil der Vater sich plötzlich wie der Sohn benimmt und das alles schon mal da war, und die Story abzugleiten droht in den TV-Kitsch, den wir immer über uns ergehen lassen müssen.
Es ist gut, wenn Du das selbst erkennst, aber Du hast die Qualität und die Möglichkeiten, das Niveau zu heben.
Anerkennenswert, dass Du immer selbstkritisch bleibst. Respekt!

Jeronimo
Jeronimo ist offline   Mit Zitat antworten
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