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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken. |
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04.06.2012, 03:04 | #1 |
Der Hahn (In Form von E.A.Poes Raben)
Einst, des Nachts, kurz vor dem Morgen, saß ich, meinen Kopf voll Sorgen
in den Händen wohl geborgen, all zu lang, er wurd' mir schwer. Beinah' schon vom Schlaf befallen, hört ich's plötzlich leise knallen und den Laut im Raum verhallen, dann nur Still', Nichts hört' ich mehr. "Was war das", fragt ich mich leise, "sei's drum, hör's ja schon nicht mehr. Kam wohl nur von Weitem her.“ Und ich glaub mich zu entsinnen, kalt war's Draußen, warm war's Drinnen; ließ die Stunden leer verinnen, klagend an des Himmels Heer. Morgensonn' am Himmel suchend, meine Einsamkeit verfluchend saß ich, ohne Stimme rufend, rufend, still, nach Guinevere; rief nach ihr, mein Mund geschlossen, rief nach meiner Guinevere. Antwort drang nicht zu mir her. Diese Stille in den Zimmern, leise wie ein Kerzenflimmern, schmerzend, schwärzend fiel sie über meine arme Seele her. Nicht das laut'ste Tigerbrüllen mag mit solcher Angst erfüllen; solche Stille zu ertragen, wahrlich, nichts war je so schwer. Viel kann am Gemüte nagen, nichts fraß an mir je so schwer, fraß mich auf, von Innen her. Dann sucht' ich mich aufzuraffen und mir Ablenkung zu schaffen, dieses fürchterliche Schweigen, dulden konnt' ich es nicht mehr. Doch nichts wollt mir Lind'rung bringen und kein Ton bot sich zu klingen und der Tod auf leisen Schwingen - Schwingen, schwärzer noch als Teer; dies Gespenst, der Tod der Seele, zog an mir, so zäh als Teer; zog mich grausam zu sich her. In der Einsamkeit vergehend, stand ich, weinend, bettelnd, flehend; sehnte mich nach der Geliebten, wünschte ihre Wiederkehr, doch wie sollte zu mir kommen, was der Tod hinfort genommen und so macht' ich's wie die Frommen, betete für Guinevere. Dieses sprach ich in die Räume, ein Gebet für Guinevere; sprach's von tiefstem Herzen her. Dann, als mein Gebet verklungen, das voll Ehrfurcht ich gesungen, ward ich wie zuvor verschlungen von der Stille rings umher. Doch ein Knall zerschlug sie leise, wie schon mal, auf gleiche Weise und ich drehte mich im Kreise, denn ich wollte allzu sehr wissen was da leise schallte, wollt es wissen, allzu sehr, wo kam dies Geräusch nur her? Dann erneut ein solches Klopfen, jetzt erkannt ich's als ein Tropfen und so dacht ich, dass im Bade wohl der Wasserhahn es wär', dem die Tropfen noch entflossen und ins Becken sich ergossen; einem Hahn, nicht ganz geschlossen, ein paar Tropfen und nicht mehr Ich stand auf, ihn zu zu drehen, nur ein Drehen und nicht mehr; Ruhe stellt ich wieder her. Doch als ich das Bad verlassen, tropft' es wieder, konnt's nicht fassen; dieses nervig laute Tropfen störte mich allmählich sehr. Ich kehrt um, den Hahn zu schließen; sollt mich länger nicht verdrießen und kein Wasser mehr vergießen. "Ist ja sicher nicht so schwer diesen Hahn ganz abzudrehen", dacht ich, "sicher nicht so schwer", dreht', doch weiter tropft' es her. Ratlos blickte ich hinunter, auf den Wasserhahn, der munter selbst geschlossen weiter tropfte, wusst' nicht, wie ich's mir erklär. So als wäre es sein Wille, zu verdrängen alle Stille und so glich er einer Grille, nachts, in dunkler Hemisphär, deren Zirpen alle Ruhe stört in dunkler Hemisphär. Weiter tropft's vom Hahne her. Ich weiß nicht, weshalb ich's dachte, was mich letztlich Glauben machte, dass der Hahn als Sprachrohr diene, einem Geist, vom Jenseits her. Tröstlich war's wohl so zu denken, um mich etwas abzulenken und mir einen Gast zu schenken, dass ich nicht alleine wär; einen Gast in meinem Hause, dass ich nicht alleine wär. Wieder tropft's vom Hahne her. Und so musste ich mich fragen, was versucht' der Geist zu sagen, wie sollt er sich an mich wenden, dass ich mir sein Wort erklär'. Denn versteh'n konnt' ihn so keiner, jedoch, ich besann mich Meiner: "Für ein Ja, der Tropfen einer, für ein Nein, ein Tropfen mehr", bat ich laut, "für Ja nur einer, für ein Nein, ein Tropfen mehr." Einmal tropft's vom Hahne her. All mein Frust geriet ins Wanken, denn allein bei dem Gedanken, dass etwas aus andren Welten mir, mir Narr, Gehör gewähr', musst' ich schon ein wenig lachen; wo gescheh'n sonst solche Sachen. Doch es schien mir Sinn zu machen, denn ich fühlte gar so sehr Dies war mehr als nur ein Tropfen, war mir sicher, gar so sehr: Antwort war's vom Hahne her. Von der Angst so lang' gefangen, doch sie war schon fast vergangen, Dank der Tropfen, die da klangen durch das Haus, das trist und leer und von Trauer voll sein sollte, oh, wie ich dem Hause grollte so verlassen, dass ich wollte, dass Sie wieder bei mir wär. Trotz des Tropfens doch verlassen; wollte, dass Sie bei mir wär; einzig nur der Hahn tropft her. Plötzlich war etwas im Raume, nicht zu greifen, gleich dem Traume; etwas wie ein Hoffnungsschimmer, der mein Herz, das mir so schwer, hüpfen ließ, "oh weh, mir Narren, löst man mich nun aus dem starren, schrecklich einsamen Verharren? Meine liebste Guinevere, bin ich frei von meinem Schmerze, schenkst mir Freiheit, Guinevere?" Zweimal tropft's vom Hahne her. "Dämon, Du, wie kannst du's wagen!", schrie ich, "mir mein Glück versagen! Soll dein dreistes Nein bedeuten, ich vergess' Sie nimmer mehr? Werd' ich keine Ruh' mehr finden, ewiglich mich derart schinden? Wird die Qual denn nimmer schwinden? Sprich du Spuk, ich bitt' dich sehr ist dies Leid von ew'ger Dauer? Sag es mir, ich bitt' dich sehr!" Einmal tropft's vom Hahne her. "Dämon, Du, wie kannst du's wagen!", schrie ich, "mir mein Glück versagen! Tief in mein verletztes Herze dringt dein Wort, gleich einem Speer!" Hilft im Dieseits auch kein Flehen, so werd' ich, um Sie zu sehen, bald aus diesem Leben gehen, dorthin wo mich Guinevere unter Engeln schon erwartet. Sprich! Find' ich dort Guinevere? Zweimal tropft's vom Hahne her. "Dieses war dein letztes Zeichen, sieh nur zu von mir zu weichen! Ich bin's Leid, mir soll es reichen", kreischte ich, mein Atem schwer. Hattest nun genug Vergnügen, meine Hoffnung zu betrügen! Scher dich fort mit deinen Lügen, hören will ich sie nie mehr! Gib mir Frieden und verschwinde, hören will ich dich nie mehr!" Zweimal tropft's vom Hahne her. Und trotz Schreien und Gewimmer, tropft's noch immer, tropft's noch immer aus dem Hahn im Badezimmer; Tropfen, laut und schicksalsschwer. Größer wuchs mein Wahn, mein Hassen und der Tropfen stete Massen konnt' mein armer Geist nicht fassen, er ertrug es schlicht nicht mehr. Als er schließlich ganz vergangen, hörte ich es längst nicht mehr: Stille nun, vom Hahne her. |
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04.06.2012, 08:46 | #2 |
Hallo razumakehint,
ich fand es großartig! Aber düster? Wohl eher humorvoll! Das einzige, was für mich nicht ersichtlich war, war die Formulierung in der letzten Strophe: "Als er schließlich ganz vergangen..." War es der Wahn, Hass, Tropfen oder Geist? |
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04.06.2012, 11:50 | #3 |
Hallo muse,
mit "er" ist der Geist gemeint. aber ich kann sehen, warum das unter Umständen Schwierigkeiten bereitet. Ich habe überlegt die Verse folgendermaßen zu verändern: konnt' mein armer Geist nicht fassen, mein Verstand ertrug's nicht mehr. Als mein Denken ganz vergangen, hörte ich es längst nicht mehr. Freut mich, dass es dir sonst gefallen hat. Gruß razu |
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04.06.2012, 19:28 | #4 |
Das ist eine schöne Alternative! Jetzt bin ich selig
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01.07.2012, 00:22 | #5 |
Hammer!!!
Einfach nur vollkommen und alle Achtung, dass du diese Ausdauer aufbringen konntest! Bin sehr beeindruckt. LG |
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02.07.2012, 16:30 | #6 |
abgemeldet
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Ein äußerst gelungenes Werk, razu.
Du hast viel Herzblut und Arbeit in dieses Werk investiert - das merkt man. Toll gemacht. Liebe Grüße Peace |
02.07.2012, 17:17 | #7 |
R.I.P.
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Du meine Güte, razu -
da kann ich nur ehrfürchtig staunen und mich verneigen. D a s nenne ich Dichtkunst! Nicht nur die Strophen-Enden, auch die herrlichen Binnenreime faszinieren mich. Dazu wirkt das Werk wie aus e i n e m Guß, was bei einem so umfangreichen Werk(stück) eine Fertigkeit verrät, die ich selten so zu Augen bekam. Wieder und wieder kann ich es lesen. Den Bezug zu Guinevre kenne ich nicht, ich kenne auch nicht Poes Gedicht, aber das ist möglicherweise gar kein Nachteil. Ich bin sehr beeindruckt! Lieben Gruß von Thing |
03.07.2012, 00:44 | #8 |
Hallo,
Danke für eure netten Kommentare. Ja, an diesem Gedicht bin ich schon eine Zeit lang gesessen. Ich denke es hat auch noch ein paar verbesserungswürdige Stellen, denn wie konzentriert man auch zu Werke geht, ab einem gewissen Umfang schleicht sich hier und da eine Ungereimtheit an. Danke nochmal und Grüße razu |
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03.07.2012, 13:42 | #9 |
abgemeldet
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hallo razu, ein sehr sehr gutes stück lyrik. respekt.
der rhythmus erinnerte mich weitläufig an den zauberlehrling von goehte und der vergleich sollte dein werk in seiner intention nicht im geringsten schmälern. gut gemacht! lg sabi |
03.07.2012, 15:47 | #10 |
Tolles Gedicht. Gut gemacht.
LG gummibaum |
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06.07.2012, 22:00 | #11 |
Hallo,
Auch euch nochmal ein Danke für eure positive Rückmeldung. Allerdings muss ich sagen, es ist meiner Meinung nach schon etwas einfacher, solch ein Gedicht zu schreiben, wenn man sich dabei an einem bereits bestehenden, großartigen Werk wie Poes Raben orientiert. Ich glaube, so ganz ohne Vorlage hätte ich ein solches Gedicht nicht bewerkstelligen können. Dennoch ist es etwas Eigenständiges und ich freue mich, dass es gefällt. Gruß razu |
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