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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 01.08.2022, 01:29   #1
Paul Morphy
 
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Standard Flüsternde Worte am Straßenrand

Mein Ohr schmiegt sich an das tropfnasse Pflaster.
Ich lausche den gedämpften Schritten und dem Stimmengewirr.
Der Motor, das Lachen und das Räuspern erklingen leiser,
während ich den Gesichtern eine Geschichte zuschreibe.
Die Wolken ziehen weiter, die Uhr kreist leichter.
Kratze nur den Absatz der Zeit vom Boden zusammen.
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Alt 01.08.2022, 13:10   #2
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Lieber Paul Morphy,

Die Schilderung der starken, hochkonzentrierten Sinneseindrücke einer Momentaufnahme am Straßenrand nach einem Regenfall kommt an und zieht einen mit in die Welt des Gedichtes hinein.

Der Versuch, in dem Stimmengewirr den Gesichtern der Menschen eine Geschichte zuzuordnen, ist für mich absolut stimmig.

Zitat:
Kratze nur den Absatz der Zeit vom Boden zusammen
Der Satz gefällt mir sprachlich am besten.

Meine allererste ganz persönliche Assoziation zum dem Gedicht war das Gemälde von Gustave Caillebotte "Straße in Paris an einem regnerischen Tag".
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Alt 01.08.2022, 19:21   #3
Paul Morphy
 
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Liebe Svean
vielen Dank für deine Worte. Ich freue mich, dass dir meine kleine Beschreibung eines Gefühls gefallen hat.

Ich hatte tatsächlich ein Bild von Paris vor meinem Auge als ich das gestern geschrieben habe.

https://www.youtube.com/watch?v=UKRY63Buv6A

Les peintures d'Édouard Cortès.


Aber Gustave Caillebotte "Straße in Paris an einem Regentag" gefällt mir auch sehr gut und passt.


Liebe Grüße


P.M.
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Alt 02.08.2022, 02:53   #4
weiblich Ilka-Maria
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Ich hätte eher gedacht, dass die Nässe auf dem Asphalt und den Steinen alles lauter statt leiser macht. Da hört man das Quatschen der Schritte im Nass, und die Reifen der Autos spritzen das Wasser geräuschvoll zur Seite. Bei Regen bekommen die Ohren ordentlich zu tun - nach meiner Wahrnehmung.

Was ist eine "leichter kreisende Uhr"? Meine Uhr geht immer gleich und hat von Schwere und Leichtigkeit null Ahnung. Die Zeit, falls sie gemeint sein sollte, auch nicht, sie geht linear ihren stolperfreien Weg. Rückstände der Zeit, die man vom Boden (von welchem?) kratzen könnte, habe ich noch keine gesehen.

Der einzige Vers, der mich überzeugt, handelt von den Gesichtern, denen man eine Geschichte zuschreibt. Ein schöner Gedanke, der sich ausbauen ließe.
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Alt 02.08.2022, 09:39   #5
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Liebe Ilka,

lege einmal das Ohr auf den Boden und versuche zu lauschen, was der Boden zu Dir trägt. Am besten einmal auf einem nassen Boden und einmal auf einem trockenen Boden. Du wirst überrascht sein.

Was die Zeit betrifft, geht es um eine Empfindung.
Der Mensch nimmt die Zeit unterschiedlich schnell wahr, auch wenn vielleicht nach dem Stand der Uhr gleich viel Zeit vergangen sein mag.
Einen Augenblick nimmt der Mensch als langsam wahr, wenn wenig Neues passiert und als schnell, wenn viel Neues passiert.
Sagt ein Wissenschaftler (Marc Wittman), der sich mit dem Thema Zeitwahrnehmung beschäftigt.
Die Uhr geht immer gleich. Aber wir als Menschen nehmen den Zeitraum, den es für das Verstreichen des Uhrzeigers braucht, als unterschiedlich schnell oder langsam wahr.

Und in diesem Sinne gibt es auch Erinnerungen, die mit etwas assoziiert sind. Eine Erinnerung an den nassen Asphalt. An die Zeit, in der man dem nassen Asphalt gelauscht hat. Und diese Erinnerungen werden zusammengekratzt.

So habe ich das Gedicht verstanden.
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Alt 02.08.2022, 13:36   #6
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Svean Beitrag anzeigen
... lege einmal das Ohr auf den Boden und versuche zu lauschen, was der Boden zu Dir trägt. Am besten einmal auf einem nassen Boden und einmal auf einem trockenen Boden. Du wirst überrascht sein.
Eher nicht, denn es bleibt wie bereits erfahren: Nässe verstärkt den Ton. Es quatscht und patscht, was bei Trockenheit nicht gehört werden könnte. Und Reifen, die durch Nässe fahren, gar durch eine große Pfütze, erzeugen ein Geräusch, das sie trocken nicht hinbekämen.

Nee, deine Empfehlung überzeugt mich nicht.

Man kann das Ohr auf ein Gleis legen, um zu horchen, ob ein Zug naht. Aber ein Gleis ist kein Boden, und ohne die Gleise übertrüge er gar nichts. Wenn der Boden Eigenschaften der Informationsübertragung hätte, wäre es nicht nötig gewesen, das Telefon zu erfinden.
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Alt 02.08.2022, 14:20   #7
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Selbstverständlich überträgt der Boden Töne, allerdings gedämpft.
Das weiß man eben erst, wenn man es einmal wirklich versucht hat. Ich habe schon mit dem Ohr am Boden gelauscht. Deswegen kenne ich die Erfahrung. Mir ist klar, dass Dir diese Erfahrung fehlt.
Die Indianer haben wirklich mit dem Ohr am Boden gelauscht. Geräusche am Boden wahrzunehmen ist eine andere Erfahrung als die eines Telefonhörers am Ohr.
Nicht immer ersetzt ein Gedankenexperiment die wirkliche Sinneserfahrung.
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Alt 02.08.2022, 14:35   #8
männlich Heinz
 
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Hallo, Paul Morphy,

ich habe mir Dein Gedicht mal angeschaut und mach mal paar Bemerkungen dazu:

Mein Ohr schmiegt sich an das tropfnasse Pflaster.

Die Vorstellung, ich schmiegte mein Ohr auf einen nassen Pflasterstein, sorgte bei den Zuschauern für brüllendes Gelächter. Ich in gebückter Haltung (oder gar liegend) auf der gepflasterten Straße vor meiner Wohnung wäre Anlass für meine besorgten Nachbarn den ärztlichen Notdienst anzurufen.

Ich lausche den gedämpften Schritten und dem Stimmengewirr.

Gepflasterte Straßen sind völlig ungeeignet, um Schritte oder Stimmengewirr zu dämpfen. Es sei denn, sie seien moosüberwachsen oder mit einer Sandschicht bedeckt.

Der Motor, das Lachen und das Räuspern erklingen leiser
,

Ich nehme an, Du meinst Motorgeräusche von Kraftfahrzeugen, die über das Pflaster fahren. Die allerdings fahren wegen der Rüttelei langsamer. In welchem Zusammenhang ein Lachen ertönt - ?
"Räuspern" ist von Hause aus leise. Noch leiseres Räuspern dürfte nicht mehr vernehmbar sein.

während ich den Gesichtern eine Geschichte zuschreibe.

Den Gesichtern eine Geschichte zuschreiben - das lass ich mir gefallen.

Die Wolken ziehen weiter, die Uhr kreist leichter.

Der gedankliche Sprung zu den weiterziehenden Wolken ist schwer nachvollziehbar. Uhren, die kreisen, kenne ich nicht. Okay, die Zeiger der Uhr können kreisen. Aber was stelle ich mir unter leichter kreisenden Uhren vor?

Kratze nur den Absatz der Zeit vom Boden zusammen.

Die Zeit verursacht also Absätze auf dem Pflaster und Dir fällt nichts Besseres ein, als sie zusammen zu kratzen?

Mit anderen Worten: Schmieg Dein Ohr weiter auf nasse Pflastersteine, aber glaub nicht, dass Du hier eine epochemachendes Gedicht geschrieben hast.

Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 02.08.2022, 15:25   #9
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Lieber Heinz,

in dem Gedicht gibt es genau ein Bild, das den meisten Lesern vermutlich hinreichend bekannt ist: Das Bild der Gesichter, denen man Geschichten zuschreibt.
Wer nur an dem bereits Bekannten Gefallen findet, mag bei dem Althergebrachten stehen bleiben. Nicht jeder will das.
Ich habe mittlerweile viele Gedichte hier gelesen. Ein epochemachendes Gedicht habe ich bislang darunter nicht gefunden, bei keinem einzigen hier. Was also soll der Spott?
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Alt 02.08.2022, 16:13   #10
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Svean Beitrag anzeigen
Ein epochemachendes Gedicht habe ich bislang darunter nicht gefunden, bei keinem einzigen hier.
Epoche zu machen liegt auch nicht im Zweck von Gedichten und in der Absicht von Autoren. Wer Epoche machen will, muss einen Krieg oder eine Revolution anzetteln.

Heinz hat die Mängel auf den Punkt gebracht. An dem Text, der hier als Gedicht tiefen Inhalts verkauft werden soll, ist nichts dran. Niemand muss das Ohr auf den Boden legen, um Geräusche übertragen zu bekommen, das kann die Luft nämlich besser. Jedenfalls höre ich die Flugzeuge, die Sirenen der Rettungsfahrzeuge und die Kofferrollen heimkehrender Touristen sehr deutlich und von sehr weit her, ohne in den Hof rennen und das Ohr auf den Asphalt legen zu müssen. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich eher das Summen einer Fliege oder Biene im aufrechten Gang hören werde als mit dem Ohr an den Hofplatten das Gekrabbel eines Käfers.

Zitat:
Die Indianer haben wirklich mit dem Ohr am Boden gelauscht.
Was die Ohrentechnik der Indianer angeht, sollte man nicht zu sehr den Märchen von Karl May vertrauen. Darüber hatte sich schon unser deutscher Nationaindianer Pierre Brice lustig gemacht; und der musste wissen, worüber er sprach.

Vielleicht war das Lauschen am Boden hilfreich, um abzuschätzen, wie weit eine in Panik geratene Büffelherde entfernt ist und aus welcher Richtung sie kommt; gehört haben das die Indianer aber schon vorher, sonst hätten sie keinen Grund gehabt, diese Gefahr genauer einschätzen zu wollen. Auch kann in einem solchen Fall nicht von "gedämpftem Geräusch" die Rede sein.

Okay ... Pferde. Kannten die Indianer aber auch nicht, ehe die Spanier sie ins Land brachten. Pfeile hört man in der Luft schwirren, aber nicht am Boden. Ansonsten gingen die Indianer barfuß oder in weichem Leder - auch nicht sonderlich geräuschvoll. Irgendwann bekamen sie Gewehre, immerhin ein guter Grund, sich auf den Boden zu schmeißen, wenn man nicht den letzten Schuss gehört haben wollte.

Aber es soll ja Menschen geben, die das Gras wachsen und die Flöhe im Keller husten hören. Frühestens, wenn sie ein Hörgerät angeschnallt bekommen. Ungeerdet.

Abgesehen davon, dass man im Bett liegend das eigene Herz schlagen hören kann, weil der Ton nämlich von der Matratze bis zum Kopfkissen übertragen wird, konnte man schon immer gut mit dem Ohr an der Wand oder dem Ofenrohr hören, was in den Wohnzimmern der Nachbarschaft gesprochen wurde. Das funktionierte weit besser als via Boden.
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Alt 02.08.2022, 18:23   #11
Paul Morphy
 
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Hallo Leute, merci für eure direkte und ehrliche Kritik. Ich schätze das sehr.

Ich möchte nur kurz erklären, was ich mir dabei gedacht habe.

Das lyrische Ich in meinem Kopf war ein Obdachloser auf den Straßen von Paris. Ich wollte mich natürlich nicht zu sehr festlegen, weil ich Karikaturen mag, die nur Sachen andeuten.

Ich bin mir bewusst, dass ich den großen Wurf nicht geschafft habe. Ich bin kein Dichter, ich habe nur damit angefangen, weil ich etwas Neues lernen wollte und weil ich gerne Gedichte lese, aber selbst nicht viel schreibe. Ich lerne aber gerade viel über die Theorie und möchte das in meine nächsten Texte einfließen lassen.

Ich habe versucht, eine Lesestimmung mit Aliterationen und Reimen zu schaffen.


Bsp:

Alliterationen:

Gesichtern eine Geschichte
Schritten und dem Stimmengewirr.
Kratze nur den Absatz der Zeit vom Boden zusammen.


Ich weiß nicht, ob dieser Aspekt deutlich geworden ist, falls nicht, sollte ich ihn in meinen nächsten Texten stärker hervorheben.


Besonders Danke Ich dir Svean für deine positive Stimmung.
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Alt 02.08.2022, 19:14   #12
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Letzten Endes ist die physikalische Dimension der Akustik für die Poesie völlig einerlei.

Und ich werde mich hüten, hier einem alten Herrn und einer alten Dame die mehr oder weniger hochkomplexen mathematischen Filter und die Funktionsweise elektromagnetischer Wellen in den Handys der Neuzeit in allen Einzelheiten zu erklären. Mit Schallwellen hat das heute alles nix mehr zu tun. Die Informationsübertragung funktioniert heutzutage technisch gesehen nicht mehr über Schallwellen.

In dem Gedicht soll eine Empfindung vermittelt werden, ein Gefühl beschrieben werden.

Eine Malerei um die Jahrundertwende, die ein regennasses Bild darstellt, enthält viele, viele gedämpfte Farben. Es gibt Menschen, die Tönen Farben zuordnen. In dem Gedicht sind Sinneswahrnehmung vermischt. Die gedämpften Farben des Bildes werden quasi in gedämpfte akustische Töne übersetzt. Das Vermischen von Sinnesebenen nennt man in der Rhetorik Synästhesie.

Die Menschen in dem Gedicht gehen an dem lyrischen Ich vorbei und nehmen das lyrische Ich nicht wahr, sondern bilden nur ein Stimmengewirr.
Viel mehr ist die ganze Kritik hier auch nicht. Ein Stimmengewirr, das an dem Autor des Gedichtes vorbeigeht und die Urheber der Kritik können oder wollen das Gefühl und die Empfindung des Autors nicht einmal im Ansatz wahrnehmen.
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Alt 02.08.2022, 19:18   #13
Paul Morphy
 
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Zitat:
Zitat von Svean Beitrag anzeigen

Die Menschen in dem Gedicht gehen an dem lyrischen Ich vorbei und nehmen das lyrische Ich nicht wahr, sondern bilden nur ein Stimmengewirr...

So wie das Lyrische Ich von den Menschen nicht wahrgenommen wird, so nehmen hier die Kritiker absichtlich oder unabsichtlich nicht wahr, was man eigentlich ausdrücken wollte.
Paul Morphy ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.08.2022, 19:31   #14
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Paul Morphy Beitrag anzeigen
So wie das Lyrische Ich von den Menschen nicht wahrgenommen wird, so nehmen hier die Kritiker absichtlich oder unabsichtlich nicht wahr, was man eigentlich ausdrücken wollte.
Unwillen oder Wahrnehmungsunfähigkeit kann man immer unterstellen, keine Ausrede lässt sich leichter konstruieren. Das macht aber den Text nicht besser. Und vielleicht liegt es doch daran, das er nichts taugt.
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Alt 02.08.2022, 19:33   #15
Paul Morphy
 
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Ja, und jetzt? Ich werde mich verbessern und dann wird mein nächster gut sein oder kann man in die Zukunft schauen und weiß schon, dass ich nach einem ersten vorsichtigen "Versuch" nicht weiterkommen werde? Was genau soll ich mit deiner Aussage machen?
Paul Morphy ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.08.2022, 21:45   #16
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"Unwillen oder Wahrnehmungsunfähigkeit kann man immer unterstellen, keine Ausrede lässt sich leichter konstruieren. Das macht aber den Text nicht besser. Und vielleicht liegt es doch daran, das er nichts taugt. "

Nicht jedes Gedicht ist für jeden Leser erschaffen worden. Ich nehme jetzt einmal für mich in Anspruch, den Autor des Gedichtes besser verstanden zu haben, als die anderen beiden Kommentatoren.

Liebe Paul Morphy, wenn Du ein Gedicht schreiben willst, das Ilka oder Heinz gefällt, dann kannst Du aufbauend, auf dem, was den beiden gefällt, einen zweiten Versuch machen.

Das würde ganz konkret bedeuten, Du schreibst ein neues Gedicht.
Das Bild "den Gesichtern eine Geschichte zuschreiben" finden beide gut. Also kannst Du dieses Bild verwenden.

Kein Lauschen mit dem Ohr am Boden, das missfällt den beiden offenbar sehr als Bild. Die Geräuschkulisse müsstest Du für die beiden anders darstellen.

Heinz hätte gerne mehr inhaltliche Zusammenhänge in einem Gedicht. Er kann den Zusammenhang zwischen dem Regenbild und dem Lachen nicht erkennen. Ihm sind auch zu viele Gedankensprünge im Gedicht, für Sprünge ist er einfach nicht mehr jung genug.
Für ihn also bitte weniger Gedankensprünge.

Für mich braucht es das hingegen wohl eher nicht. Bei mir kam die Stimmung auch so an. Also Deine Entscheidung, was Du aus der Kritik machst.
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Alt 03.08.2022, 05:10   #17
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Svean Beitrag anzeigen
Heinz hätte gerne mehr inhaltliche Zusammenhänge in einem Gedicht. Er kann den Zusammenhang zwischen dem Regenbild und dem Lachen nicht erkennen. Ihm sind auch zu viele Gedankensprünge im Gedicht, für Sprünge ist er einfach nicht mehr jung genug. ...

Für mich braucht es das hingegen wohl eher nicht.
Wie bitte? Du hast es nötig, in deiner Kritik persönlich zu werden? Heinz sei wohl zu alt im Kopf, um noch mitzukommen und einen Text zu kapieren, weil seine Messlatte zu anspruchsvoll ist? Im Gegensatz zu dir, die offensichtlich die schnell mit Banalitäten zu sättigende Jugend, zu der du dich zählst, für die Offenbarung hält. Du sitzt auf einem gewaltig hohen Ross, aber auch das hat nur vier zerbrechliche Beine.

Und wo in dem Gedicht "Gedankensprünge" sein sollen, muss erst mal jemand schlüssig nachweisen. Ich habe noch keine erkennen können, sondern nur eine Aufzählung von Eindrücken gelesen, was völlig in Ordnung ist und sogar die ältesten Deppen verstehen. Aber nach den Gesichtern, die man mit dem Ohr auf der Straße zu sehen glaubt, forsche ich immer noch. So einen Blödsinn kann man offensichtlich nur einer Jugend verkaufen, die wie ein Schwamm alles aufsaugt und sich später über die Hand wundert, die das kaltgewordene Wasser wieder rausquetscht und im Gully versinken lässt.
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Alt 03.08.2022, 09:14   #18
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Liebe Ilka,

dann überlass ich es jetzt einmal Dir und Heinz, hier weiter miteinander zu diskutieren.

Zitat von Heinz
Zitat:
Mit anderen Worten: Schmieg Dein Ohr weiter auf nasse Pflastersteine, aber glaub nicht, dass Du hier ein epochemachendes Gedicht geschrieben hast.
Zitat von Ilka
Zitat:
Epoche zu machen liegt auch nicht im Zweck von Gedichten und in der Absicht von Autoren. Wer Epoche machen will, muss einen Krieg oder eine Revolution anzetteln.
Zitat von Heinz
Zitat:
Der gedankliche Sprung zu den weiterziehenden Wolken ist schwer nachvollziehbar.
Zitat von Ilka
Zitat:
Und wo in dem Gedicht "Gedankensprünge" sein sollen, muss erst mal jemand schlüssig nachweisen.
Zum Thema Textverständnis möchte ich mich nun nicht wirklich weiter äußern. Ich glaube, die Zitate sprechen da für sich selbst. Allerdings frage ich mich schon, warum Du nicht einfach in eine direkte Kommunikation mit Heinz einsteigst, wenn Du seinen Gedanken widersprechen möchtest. Das hat mit mir nicht wirklich etwas zu tun.

Ansonsten zähle ich mich auf Grund meines realen Alters selbstverständlich nicht zur Jugend. Nein, ich wollte Heinz gegenüber nicht persönlich werden. Falls das wirklich so bei ihm angekommen ist, würde es mir leid tun.
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Alt 30.08.2022, 02:57   #19
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Hallo Paul Morphy

Vielleicht fehlte einfach ein bestimmendes Moment bezüglich der Person, welche seinen Kopf aufs Pflaster legt und ein dämpfendes Bett, denn selbst Obdachlose schlafen, oder liegen nie auf dem kalten, nackten Boden.
Die meisten (wenn man dem Klischée nachgeht) liegen auf Pappkartons, Zeitungen oder Stofffetzen. Alleine schon aus Gründen der Wärmedämmung.
Vielleicht fehlte einfach etwas, dass die Umstände näher erläutert, warum eine Person "am Boden" ist und sich zu Füßen der Gesellschaft aufhält.

Ohne deine Erklärung sah ich ebenfalls keinen Grund mein Ohr auf den Boden der Tatsachen zu legen. Ansonsten fand ich den Text aber sehr interessant gestaltet.
Es war ein kurzweiliger tiefer und auch verdichteter Text, ich hätte nur die Person um die es geht, etwas mehr hervorgehoben. Da ich nicht sehe, an wen du denkst, wenn du von lyr.ich sprichst. Dafür hatte er eventuell zu wenig Charakter oder zu wenig Chance assoziative Bindung zum Leser aufzubauen.
Um ehrlich zu sein, nahm man ihn kaum wahr. Was tatsächlich das traurigste am Text zu sein scheint.
Ich hätte mir in dem Sinne gewünscht, du hättest mich zu Anfang im Personenbezug etwas mehr an die Hand genommen.
Ansonsten fand ich den Text aber sehr angenehm und die melancholie darin war durchaus zu erfahren.

LG Mono
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Alt 30.08.2022, 05:07   #20
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von MonoTon Beitrag anzeigen
Vielleicht fehlte einfach ein bestimmendes Moment bezüglich der Person, welche seinen Kopf aufs Pflaster legt und ein dämpfendes Bett, ...
Das Gedicht ist nicht schlecht. Finde ich, andere Leser mögen anders urteilen. Aber ...

Der erste Vers bringt den Leser in eine falsche Stimmung. "Schmiegen" ist ein positiv besetztes Wort, und bei "tropfnass" sehe ich das Bild eines Menschen , der einem Becken entsteigt, oder einen Hund, der sich nach einem Bad im See das Wasser aus der Behaarung schüttelt. Kurz gesagt: Zu romantisch für einen Penner. Und weniger ist meistens mehr: "Mein Ohr klebt am nassen Pflaster und lauscht den gedämpften Schritten ..." usw. Wieso muss der Asphalt, ein Objekt der Horizontalen, "tropfnass" sein? Da steht das Wasser, bildet Pfützen, und in die tropft es vielleicht noch vom Himmel ... aber sonst?

Zu bemeckern ist auch der letzte Vers. Er sollte besser heißen: "Ich kratze den Bodensatz der Zeit zusammen." Wie man nämlich einen Absatz (von was?) zusammenkratzen kann, bleibt mir unklar.

Sorry für die Korinthenkackerei. Aber mit zwei oder drei kleinen Änderungen könnte ein super Text draus werden.
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Alt 30.08.2022, 06:41   #21
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Zitat:
Der erste Vers bringt den Leser in eine falsche Stimmung. "Schmiegen" ist ein positiv besetztes Wort,
Schau, da gehen die Meinungen auseinander.
Die falsche Stimmung mache ich nach Pauls erklärung nicht aus, wenn es sich um einen Obdachlosen dreht, ist die Strasse dessen Mutter bzw Familie und alles was er hat, für mich passt das Bild des "schmiegens" demnach sehr gut. Er fühlt sich auf seine Art geborgen und hat eine andere Art von Freiheit und unabhängigkeit. Sich Außerhalb einer Gesellschaft mitsamt all seinen Zwängen aufzuhalten, kann eventuell einen anderen Frieden bringen, als immer mit dem Strom zu ziehen.

Zitat:
und bei "tropfnass" sehe ich das Bild eines Menschen , der einem Becken entsteigt, oder einen Hund, der sich nach einem Bad im See das Wasser aus der Behaarung schüttelt. Kurz gesagt: Zu romantisch für einen Penner.
Da muss ich recht geben, der Bezug des Lyr.ich war nicht klar und das war was ich meinte. Hätte man den Leser zu beginn vielleicht besser an der Hand genommen, wüsste man klar einzugrenzen wer dort tropfnass auf dem Asphalt liegt und die Zeit an sich vorüber wandern sieht in Form von geschäftigen Menschen.
Ich höre keine Romantik, ich höre passive Beteiligung am Geschehen in Form von Trägheit. Melancholie und das Schicksal in Vergessenheit zu geraten.

Zitat:
Und weniger ist meistens mehr: "Mein Ohr klebt am nassen Pflaster und lauscht den gedämpften Schritten ..." usw. Wieso muss der Asphalt, ein Objekt der Horizontalen, "tropfnass" sein? Da steht das Wasser, bildet Pfützen, und in die tropft es vielleicht noch vom Himmel ... aber sonst?
Ja, das habe ich auch nicht ganz nachvollziehen können, ein Obdachloser würde sich wie gesagt, nicht auf das nackte, kalte Pflaster legen. Ihm würde viel zu schnell kalt werden, also würde er den Boden auf dem er liegt wärme-isolieren auf eine, ihm bekannte Weise.

Zitat:
Zu bemeckern ist auch der letzte Vers. Er sollte besser heißen: "Ich kratze den Bodensatz der Zeit zusammen." Wie man nämlich einen Absatz (von was?) zusammenkratzen kann, bleibt mir unklar.
Zitat:
Die Wolken ziehen weiter, die Uhr kreist leichter.
Kratze nur den Absatz der Zeit vom Boden zusammen.
Schaue ich mir die letzten 2 Zeilen genauer an, wird mir vermittelt, das nach jedem Wolkenbruch auch wieder Sonne scheint, selbst wenn sie hier nicht genannt wird, aber die Wolken ziehen ab. Zudem Fühlt sich für Lyr.ich die Zeit anders an, für uns rast die Zeit, für ihn kreist sie einfach nur, was eine andere Art von Routine durchklingen lässt. Seine Zeit kreist um Gedanken den neuen Tag zu überstehen. Unsere Gedanken rasen um ein nicht zu spät kommen, weswegen sich unsere Zeit oft wie verflogen anfühlt. Der Obdachlose wirkt sozial entschleunigt. Er Kratzt das zusammen was unsere Zeit für ihn abwirft und auf dem Boden landet.

Zitat:
Sorry für die Korinthenkackerei. Aber mit zwei oder drei kleinen Änderungen könnte ein super Text draus werden.
Ich bin auch für ein, zwei kleine Änderungen, aber im großen und Ganzen wirkt der Text auf mich Nachvollziehbar und hat Tiefe.
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Alt 30.08.2022, 12:23   #22
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Zitat:
Zitat von MonoTon
ein Obdachloser würde sich wie gesagt, nicht auf das nackte, kalte Pflaster legen
Vielleicht liegt ja nur das Ohr auf dem Pflaster, das wäre für mich nachvollziehbar. Oder das LI ist volltrunken auf dem Boden eingeschlafen und wacht langsam wieder auf und nimmt nach und nach die Umgebung mit ihren Geräuschen wieder wahr.

Zitat:
Zitat von Ilka-Maria
Das macht aber den Text nicht besser. Und vielleicht liegt es doch daran, das er nichts taugt.
Zitat:
Zitat von Ilka-Maria
Das Gedicht ist nicht schlecht. Finde ich, andere Leser mögen anders urteilen.
Was denn nun?

Der Text hat etwas. Leider hast du, Paul Morphy, das nicht rüberbringen können. Schade, dass dein Gedicht zu Anfang ziemlich niedergemacht wurde. MonoTon sie Dank, dass sich der Wind gedreht hat.

Wie findest du meine Deutung, Paul Morphy?

Mein Ohr ruht auf dem tropfnassen Pflaster.
Ich lausche den gedämpften Schritten und dem Stimmengewirr.
Motoren, das Lachen und das Räuspern erklingen leiser,
während ich den Gesichtern eine Geschichte zuschreibe.
Die Wolken ziehen weiter, stoisch tickt die Uhr.
Kratze die Brotkrumen der Zeit vom Boden zusammen.


LG Nöck
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Alt 30.08.2022, 14:25   #23
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Zitat:
Zitat von Nöck Beitrag anzeigen
Was denn nun?
Ich meinte, dass die Idee gut ist und auch der Versuch, die Wahrnehmungen zu beschreiben. Aber der Einstieg ist misslungen. Eine Straße ist nun einmal nicht tropfnass, denn auf ihr ist für die Regentropfen Endstation. Da tropft nix mehr. Eine Fensterscheibe oder eine Baumkrone kann tropfnass sein. Auch kann man kein Ohr auf den Asphalt schmiegen, als handele es sich um eine Kuscheldecke oder ein Sofakissen.
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Alt 30.08.2022, 15:16   #24
männlich MonoTon
 
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Zitat:
Auch kann man kein Ohr auf den Asphalt schmiegen, als handele es sich um eine Kuscheldecke oder ein Sofakissen.
Ich kann das nachvollziehen.
Ich vermute, dass das Hauptproblem darin besteht, das versucht wurde mit der Wortgebung, die Nähe oder Verbundenheit zur Straße darzustellen. Das Bild ruft allerdings eher eine negative Assoziation hervor durch dessen Formulierung, da ich mich ungerne identifizieren möchte damit, mein Ohr auf etwas kaltes und nasses wie einen Pflasterstein zu legen. Das Bild ist demnach in sich sehr widersprüchlich, oder aber der Kopf ruht nicht Freiwillig auf dem Pflasterstein. Überall wo etwas Tropfnass ist, assoziiere ich eine Pfütze.
Da würde ich mein Ohr schon dreimal nicht hinein legen, insofern der Rest meines Kopfes noch an ihm hängt. Ich hätte angst zu ertrinken.

Nachdem ich mir den Text mehrfach habe durch den Kopf gehen lassen habe ich, da er mir wirklich gut gefällt, noch eine andere Interpretationsebene anzubieten.
Lyr.ich ist ein Mordopfer auf offener Strasse und das Pflaster ist seine letzte Ruhestätte. Er sieht die Zeit an sich vorüber ziehen und die Menschen ignorieren ihn, während er vor ihren Füßen verendet.
Oder es ist ein Obdachloser am Ende seiner Zeit.

Die Zeit, der Verlust der Zeit, während die Zeit der anderen weiter vorbei zieht, sowie der Versuch die eigene verlorene Zeit von der Straße aufzuklauben steht in einem Gegensatz. Die Welt dreht einfach weiter, obwohl sie für jemand anderen vermutlich gerade zum Stillstand kommt?
Ich mag den Text immer mehr, da er sehr frei interpretierbar ist. Insofern man sich auf ihn einlässt.

Für mich hat er einen Favo verdient.

LG Mono
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Alt 30.08.2022, 17:23   #25
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Zitat:
Zitat von MonoTon Beitrag anzeigen
Nachdem ich mir den Text mehrfach habe durch den Kopf gehen lassen habe ich, da er mir wirklich gut gefällt, noch eine andere Interpretationsebene anzubieten.
Lyr.ich ist ein Mordopfer auf offener Strasse und das Pflaster ist seine letzte Ruhestätte. Er sieht die Zeit an sich vorüber ziehen und die Menschen ignorieren ihn, während er vor ihren Füßen verendet.
Oder es ist ein Obdachloser am Ende seiner Zeit.
....
Ich mag den Text immer mehr, da er sehr frei interpretierbar ist. Insofern man sich auf ihn einlässt.
Für mich hat er einen Favo verdient.
Jetzt wirst du aber sehr großzügig in deiner Auslegung, MonoTon. Ist das "Mordopfer" in deiner Vorstellung überhaupt ein Mensch, oder handelt es sich um ein Tier, das du "verenden" lässt? Umgangssprachlich mag man ja mal flapsig vom Verenden eines Menschen sprechen, aber ansonsten kenne ich das nur im Zusammenhang mit Tieren.

Vielleicht bin ich, was die Wortwahl angeht, zu streng und zu kleinlich, aber ich habe das nun einmal so gelernt, dass man den möglichst passenden Begriff wählt und vor allem mit Metaphern vorsichtig sein sollte. Sonst werden die Bilder schnell schräg oder ungewollt komisch. Und das passiert beim literarischen Schreiben meistens dann, wenn der Autor es besonders originell machen will und fest glaubt, er habe einen tollen Einfall gehabt. Wenn ich etwas von einem Ohr auf der Straße lese, sehe ich einen Großstadt-Cheyenne auf dem Kriegspfad vor mir.

Der Text hat sicherlich Potential, aber auch erheblichen Verbesserungsbedarf.
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Alt 30.08.2022, 17:57   #26
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Zitat:
Wenn ich etwas von einem Ohr auf der Straße lese, sehe ich einen Großstadt-Cheyenne auf dem Kriegspfad vor mir.
Auch eine Mögliche interpretation, ein obdachloser Ureinwohner der seiines Lebensraumes enteignet wurde.

Das Mordopfer sprach ich an, weil mir beim betrachten des Bldes, zu dem dieser Text entstanden ist, Jack the Ripper in den Sinn kam und es mir in den Zeitraum zu passen schien. Lyr.du wird geschlechtlich nicht zugeordnet. Und ja, es muss nicht mal ein Mensch sein. Wer behauptet das eigentlich?
Das kratzen auf dem Boden kann sich auch auf Krallen oder Hufe beziehen.

Solange man etwas an einem Text orientiert interpretieren und auch wiedergeben kann, kann es nicht falsch sein.
Warum schliesst du die Möglichkeit von Vornherein aus, dass es sich nicht um ein Tier handeln kann? Genau das macht einen guten Text aus, Möglichkeiten die für jeden in Betracht gezogen werden können, man muss nur offen dafür sein.

LG Mono
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Alt 30.08.2022, 18:38   #27
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Zitat:
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Solange man etwas an einem Text orientiert interpretieren und auch wiedergeben kann, kann es nicht falsch sein.
Ich stelle mir gerade ein massakriertes Pferd vor, das auf der Straße liegt und sein Ohr nach außen dreht, damit es die Muschel auf den Asphalt drücken kann, weil es natürlich der letzte und dringendste Wunsch angesichts des Todes ist, ein nasses Ohr zu bekommen. Das sieht zwar urkomisch aus, aber warum nicht? Es soll in der Literatur ja auch einen abgeschnittenen Pferdekopf geben, der sich mit Menschen in ihrer Sprache unterhält. Und in einer Fernsehserie gab es mal ein sprachbegabtes Pferd, dessen Leidenschaft das Telefonieren war. Geht alles - man muss nur wollen.
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Alt 30.08.2022, 20:22   #28
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Das ist so eine Sache mit der Fantasie. Fürs Schreiben ist sie nützlich.
Fürs Lesen müsste man sie besitzen.
Ein roter Faden ist vorhanden. Man muss auch mehrere Assoziationswege und Interpretationswege nicht abfällig ins lächerliche ziehen.
Der Weg ist das Ziel und was ich nicht sehe, sehen im selben Text vielleicht andere.

Zitat:
Ich stelle mir gerade ein massakriertes Pferd vor, das auf der Straße liegt und sein Ohr nach außen dreht, damit es die Muschel auf den Asphalt drücken kann, weil es natürlich der letzte und dringendste Wunsch angesichts des Todes ist, ein nasses Ohr zu bekommen.
Wie ich bereits sagte, wenn es anhand des Textes logisch nachverfolgt und plausibel erklärt werden kann, ist keine Interpretation utopisch.
Überinterpretationen sind ebenso eine Möglichkeit, solange sie sich weiterhin am Text orientieren.
Ich mag den Text sehr, deshalb verteidige ich ihn.
Das Problem an der Sache ist jetzt aber, dass der Autor den Obdachlosen nur im Kommentar genannt hat, nicht aber im Text selbst.
Das Lyr.ich ist undefiniert. Was leider zu wenig ist, für ein hinein versetzen.
LG Mono
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Alt 31.08.2022, 18:51   #29
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Hi Paul Morphy,
ein Mensch liegt auf der Straße und wie du feststellen kannst, das beschäftigt uns sehr.
Im Umgang mit dem Text ergeben sich zwei Möglichkeiten, entweder ihn (den Text) seinen eigenen inneren Bildern anzupassen oder umgekehrt, ihn so stehen zu lassen, wie du ihn für uns niedergeschrieben hat.
Letzteres ist natürlich eine textimmanente Vorgehensweise und ein Wertschätzung des Werkes, ohne ihn verändern zu wollen. Es bedeutet auch eine Öffnung u.U. fremder Vorstellungswelten, indem die eigene Phantasie bemüht wird und herausgefordert ist. Die empathische Diskrepanz ist vorprogrammiert, wenn man der Versuchung unterliegt, von den eigenen Vorstellungswelten innerer Bilder und den eigenen Maßstäben auszugehen.
Der Leser weiß nicht, warum das LI dort liegt. Jegliches Bemühen, dem Text an dieser Stelle Inkoheränz oder Inkonsistenz nachzuweisen, offenbart u.U. auch den Mangel eigener Empathie. Denn auch draußen auf der Straße wüßte der Leser i.d.R. nicht, was mit dem Menschen los ist, der vor ihm auf dem Asphalt liegt, an dem er vielleicht unbeteiligt vorübergeht. Ähnlich wie Nöck habe ich eine Bewusstseinstrübung durch Drogen oder durch Gewalteinwirkung angenommen.
Der nasse Asphalt ist kalt- ist er dass? Vielleicht ist er lauwarm, weil die ganze Zeit die Mittagshitze darauf gestanden hat. Wer weiß schon zu ermessen, mit welchen Attributen das LI seine Situation beschreibt, ob es sie auch realistisch einzuschätzen weiß, oder ob es seinem eigenen Film zusieht.
Gesellschaftlich ausgestoßen, weiß das Li vermutlich eher, was es bedeutet, ganz unten zu sein. Getreten und geschunden hat es mit der Zeit die Absätze von unten kennengelernt. Und welcher Rest dort zusammengekratzt wird, kann kaum jemand ermessen.
sehr gerne gelesen,
Donna
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