Die Moiren

[Atropos]

Ich sitze am Spinnrad,
weiße Wolle in meinem Schoß,
langsam und ruhig
lasse ich los...



Die Spindel, sie dreht sich -
mit ihr das Rad -
ein dünnes Garn,
für das ich trat.

An dem Rad sind zwei Zeiger,
sie starrten mich an,
als durch meine Wunde das Garn
rot zu werden begann.

Ich könnte es stoppen,
das Rad lief noch nicht schnell,
doch mir blieb keine Zeit,
diese Frage zu stell'n.

Die Zeiger rannten und rannten -
ich hinterher -
mein Rad rollte und rollte -
und doch kam ich nicht näher!

Da war die Spindel auf einmal voll!
Tiefrotes Garn, das fast überquoll.
Das schönste Werk meines Lebens...

Ein Zeiger blieb steh'n.
Was langsam begann,
ging auch langsam zuende,
ohne dass ich verstand:

Ich selbst war mein Zeiger gewesen.

[Ilka-Maria]

Also, Spinnräder mit Zeigern kannte ich noch nicht, das wurde mir hier neu präsentiert. Zeiger gehören auf das Ziffernblatt einer Uhr geschraubt.

Mir ist auch nicht bekannt, dass man ein Spinnrad aufziehen oder mit einer Batterie betreiben muss, damit sich an ihm ein Zeiger dreht. Welch merkwürdiges Bild!

Was die Moiren angeht, hatte sie mit einem Zeiger wenig am Hut. Wenn die Zeit dafür gekommen war, schnitten sie den Faden ab. So einfach ging das. Und so einfach geht es noch heute, da kann ein moderner Zeiger stehenbleiben oder weiterlaufen - das ist schittegal. Und was die alten drei Tanten mit der Schere nicht schaffen, erledigt für sie notfalls der Kapuzenmann mit der Sense.

Wäre es nicht literarisch schöner, bei den Urbildern zu bleiben, anstatt sie mit Verrenkungen modern machen zu wollen und sie der Lächerlichkeit preiszugeben?