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Die Philosophen-Lounge Forum für philosophische Themen, Weisheiten und Weltanschauungen.

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Alt 26.10.2022, 11:43   #1
weiblich Donna
 
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Standard Forumstreffen vs. soziales Geschwür?

Danke für deine Einblicke hinter die Kulissen.

Die Antwort auf deine private Nachricht will ich gerne öffentlich machen, und kontrovers diskutieren. Ein reales Treffen ist für mich eine ambivalente Angelegenheit. Ich hatte bislang drei "reale" Begegnungen mit Usern aus der Lyrik Szene. Interessant dabei ist natürlich, dass sich das Alter Ego bei solchen Treffen plötzlich viel breiter präsentiert, als es uns die Kunstfigur eines Avatars mit seinem Nicknamen weismachen möchte. Nun, diese Kunstfiguren sind aber auch nicht von ungefähr gewählt. Bei manchen scheint der Name durchaus authentisch und Programm zu sein, weil sie nichts anderes vorgeben, sein zu wollen. Bei deinem Avatar- Bild hat man z.B. keine Veranlassung sich etwas anderes, als einen tierlieben, freundlichen Rentner in seinem Gartenidyll vorzustellen. Aber diese Selbstdarstellung ist ja vermtl. auch bewußt so gewählt und das ist durchaus o.K. Andere sind da lieber frecher, empathischer oder spiritueller unterwegs, wie sie eben gerne gesehen und angesprochen werden wollen.
Stephen King, L.K. Rowling, Kurt Tucholsky etc. hatten einen ganzen Stab von Psydonymen. Für solche "Spielereien" wäre bei einem realen Treff wenig Platz. Hierbei steht die soziale Begegnung im Vordergrund. So etwas kenne ich mit Freunden und Familie auf diversen Feiern.
Nun, was soll ich sagen, in meinem Umfeld weiß ich um die Personen, die mich umgeben, und habe ein starkes Gefühl zu ihnen. In einem Forum bleibt ein Schleier der Ungewissheit. Das prägt natürlich auch die Art der Kommunikation. Einerseits muss man sich bewusst machen, dass reale Personen hinter den Worten stehen. Andereseits befreit es den eigenen Gedankenverlauf, sich von den Gebrechlichkeiten, Befindlichkeiten, Verletzlichkeiten und Einsamkeitsgefühlen des Gegenübers einfangen zu lassen. Wenn du deine grantelige Tante oder einen kriegsversehrten Onkel auf einer Familienfeier vor dir hast, wirst du anders zu ihnen sprechen, als mit einem pubertierenden Heißsporn.
Die Diskussion in einem geschützten Forum wird unabhängiger, und gerade unter dem Mantel der Anonymität kann bei Einhaltung der Netiquette eine solche Auseinandersetzung durchaus interessant, sachlicher und fruchtbarer geführt werden. Dabei wirst du auch mit dir selbst konfrontiert, und es tritt die eigene Begrenzung klarer hervor, weil dein Gegenüber umgekehrt keine Veranlassung sehen muss, irgendein Blatt vor den Mund zu nehmen. Mit meiner Tante, dem Onkel oder dem pubertären Jugendlichen meiner Cousine würde ich z.B. hier in ganz anderer Art und Weise kommunizieren als in der antrainierten, sozialen Umgebung. Mit der gleichen Tante könnte ich im Forum Klartext sprechen, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass ich ihr damit auf die Füße getreten habe oder ihr zu nahe getreten sein könnte. Beziehungen können dem Gegenstand meiner grundsätzlichen Betrachtung und Überzeugungen also durchaus entgegenlaufen, weil ich nunmal ein soziales Wesen bin. Die Rolle bestimmt über den Inhalt. Ein Ministerpräsident redet z.B. anders als ein Innenminister oder ein Liebhaber, auch wenn es sich um dieselbe Person handelt, und ein Außenminister redet anders als ein Bundespräsident oder ein Großvater. Die wirklichen dahinterstehenden Überzeugungen wirst du nur in einem vertraulichen Vieraugen Gespräch oder in einem anonymen Rahmen erfahren.
Von daher würden reale Foren Treffen maximal meine Neugier oder mein soziales Bedürfnis befriedigen, und ich hätte bestimmt auch großen Spaß dabei, weil ich ein durchaus geselliger Mensch bin, und mich in Gruppen zuhause fühle.
Hier im Forum geht es mir in erster Linie um die lyrische Konzentration meiner Gedanken, und um die Auseinandersetzung mit anderen. Früher gab es die Künstlercafes, ich bin mir sicher, dass viele von denen heute die Vorteile der anonymisierten Umgebung gewählt hätten.
Begegnung als notwendige soziale Korrektur?
Gleichwohl kann dabei Dogmatisches und Radikales geboren werden, welches sich nicht mehr dem Gegenüber verpflichtet fühlt und als asoziales Geschwür sein Eigenleben führt. Krude Gedanken Gleichgesinnter können sich konzentrieren, verstärken und organisieren. Er kann zum Geschwür der Gesellschaft werden. Ab und zu muss man aus dem Elfenbeinturm abgeholt werden.
L.G

Geändert von Donna (26.10.2022 um 15:52 Uhr)
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Alt 26.10.2022, 16:26   #2
männlich Heinz
 
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Liebe Donna,
ich glaube, du hängst das Thema "Poetentreffen" zwei Etagen zu hoch auf.
Ich habe mehrere Treffen organisiert (oder war an der Organisation beteiligt) und habe nur gute Erfahrungen gesammelt.
Was sollte auch problematisch sein, wenn sich ein Dutzend Freunde der Lyrik treffen, sich persönlich kennen lernen und erstaunt feststellen, dass sie sich in Einzelfällen total geirrt haben.
So ging es mir mit "yarasa", einer Poetin in einem nicht mehr vorhandenen Forum. Ich erwartete eine ältere Dame mit grauen Haaren und Dutt, möglicher Weise eine Oberstudienrätin mit strengem Blick. Dann ging die Tür auf und herein kam ein Wirbelwind mit Gitarre auf dem Rücken, rotzfrech und mit Schweizer Dialekt, befähigt und willens, uns am Abend traurige Lieder vorzusingen und - wir haben selten so gelacht.
Weißt du, liebe Donna, ich will da kein Treffen mit tiefenpsyhologischen Anklängen, sondern nur dem Urtrieb nachgehen und soziale Kontakte zu schaffen, mal sehen, was der andere so drauf hat (kann er/sie ein Liedchen trällern, ein Instrument spielen, Pfannkuchen backen und auch mal einen armenischen Aprikosensaft mit mir trinken.
Ich darf dir versichern: Es sind mehrere gute, nun schon viele Jahre dauernde Freundschaften entstanden und z.B. den Gerd eines seiner Gedichte rezitieren lassen oder Goethes "Über allen Gipfeln ist Ruh" am Entstehungsort vorgetragen zu bekommen - das alles kann das Internet nicht ersetzen.
Der Wunsch nach Anonymität? Wers glaubt, wird selig.
Meine Freude wäre sehr groß, wenn an so einem Treffen auch so ein kritischer Geist wie du teil nähme.
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 26.10.2022, 17:26   #3
weiblich Ilka-Maria
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Ich sehe es ähnlich wie Heinz, der in den vergangenen Jahren in Poetry ein Treffen zu organisieren versuchte, das aber nicht zustande kam. Hätte es geklappt, wäre ich nach Jahren mal wieder nach Jena gefahren.

Ich bin eher zurückhaltend. Meine Freundschaften gründen alle darauf, dass die Menschen auf mich zukamen, weil meine verschlossene Art sie provozierte. Daraus ergaben sich immer sehr haltbare Verbindungen, und hinterher hörte ich den Standardsatz: "Hätte nicht gedacht, dass man mit dir warm werden könnte."

So war es auch mit Thing, die mir spinnefeind war, weil sie dachte, ich hätte Sympathie für Corazon, die das Objekt ihrer negativen Besessenheit war. Dabei hatte ich lediglich die Etikette der Höflichkeit einhalten wollen. Irgendwann wurde Thing neugierig und schickte mir ihre Telefonnummer. Ich rief sie an, und das war der Beginn unserer Freundschaft. Ihre Feindschaft schlug in Bewunderung für mich um, sie betete mich förmlich an, was mir peinlich war. Und sie vertraute mir alles über ihr Leben an, in dem es erhebliche Brüche gab, für die sie bitter bezahlte, über die ich mich hier aber nicht auslassen will. Auch machte sie keinen Hehl daraus, dass sie Alkoholikerin war.

Thing stellte auch Kontakte zu anderen Forumsmitgliedern her und fuhr jedes Jahr zu den Treffs, die Erich Kykal in seinem Wohnort in Österreich veranstaltete. Das war für sie eine weite Reise, und deshalb war sie glücklich, dass ich zu einem neuen Treffen mit ihr in meinem Auto fahren wollte. Dazu kam es aber nicht mehr, weil sie das Malheur mit dem Bein bekam, das nach langer Behandlung und By-pass-Operationen amputiert werden musste.

Unsere Telefonate wurden danach kürzer, weil Thing Medikamente nehmen musste, die sie müde und unkonzentriert machten. Und dann rief eines morgens ihre Zwillingsschwester Eva bei mir an und informierte mich, dass Anne (Thing) in der Frühe verstorben sei, als sie in der Küche war und sich Kaffee zubereiten wollte.

Das ist jetzt ein paar Jahre her, und ihr Todestag war, wenn ich mich recht erinnere, im Oktober gewesen. Damals, als sie verstorben war, fuhr ich nochmal nach Zweibrücken und holte DVDs und Bücher ab, mit denen Eva nichts anfangen konnte. "Und was ist mit dem Papagei?", fragte ich. "Der ist gut untergebracht", antwortete Eva.

Der Papagei war ein Grauer, der Anne immer, wenn sie den Laptop zuzuklappen vergessen hatte, die Tasten herauspickte, so dass sie das Gerät zur Reparatur bringen musste. Zum Spielen gab sie dem Vogel eine Zeitung, die er mit Klauen und Schnabel zerrupfte. Er konnte nicht nur sprechen, sondern ahmte auch exakt Annes Stimme nach, die vom Rauchen ein wenig rau war.

Annes letzter Ehemann, Ludwig, war ein Fan der Fußballmannschaft von Kaiserslautern gewesen. Anne interessierte sich nicht für Fußball und fuhr zu den Spielen nicht mit. Aber mit mir ging sie in Pirmasens ins Stadion, als meine Offenbacher Kickers gegen Zweibrücken spielten und das Spiel aus Sicherheitsgründen in das größere Stadion in Pirmasens umgeleitet worden war.

Anne hatte eine Forumsbekanntschaft in Berlin. "Ich war noch nie in Berlin", sagte sie zu mir, und ich darauf: "Dann wird es mal Zeit dafür." Wir verbrachten drei Tage in Berlin, was mit viel Laufen verbunden war, und da fiel mir auf, dass sie mit ihrem Bein Probleme hatte. Ich redete ihr zu, endlich zum Arzt zu gehen.

Soweit meine Erfahrung mit Forumsbekanntschaften.

Wer es wagen will, mit Forenmitgliedern in Verbindung zu treten, sollte sich nicht abhalten lassen. Offensichtlich kommt dabei mehr Gutes als Schlechtes heraus. Mit Sicherheit ist der direkte Augenkontakt fruchtbarer und erfüllender als das Sehen durch ein Internet-Medium. Man sollte aber nicht zu viel erwarten. Mal klappt es, mal klappt es nicht.

LG
Ilka
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Alt 27.10.2022, 00:51   #4
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Oh jeh,

die Freude an neuen Freundschaften und interessanten Begegnungen wollte ich gar nicht in Frage stellen. Soll jeder machen, wie er Spaß dran hat. Zu den bisherigen Forentreffen kann ich nichts sagen, aber ich glaube gerne dass alle Teilnehmer gemeinsam tolle und eindrückliche Tage verbracht haben. Ich hatte mit meiner Betrachtung keineswegs vor, Essig in den Wein zu kippen.
Vielleicht stehen auch nur banale Gedanken dahinter, die mir bei der Antwort auf die PN kamen.
Es geht um die Kernfrage, wieviel soziales Umfeld benötigt die Entwicklung eines Gedankens, einer Idee etc, ist das Umfeld kontraproduktiv oder notwendig?
Hättet ihr jatzt nichts berichtet, hätte ich nichts weiter zu allem geschrieben. der Ball wurde in Bewegung gehalten.
Ich hatte die Antwort unter philosophische Betrachtung gepostet, weil ein Aspekt bei einer persönlichen realen Begegnung ambivalent für mich ist. Alle Lyriker und Schriftsteller, egal auf welchem Niveau, erschaffen Neues, bzw. bilden einen Teil ihrer Gedanken und Verarbeitungen ab. Auch in solchen threads. Der anonyme Teilnehmern kann quasi direkt und bequem aus seinem Elfenbeinturm senden. Das konnten frühere Dichtergenerationen nicht. Die Frage ist, was das mit dem Inhalt macht.
Denn es macht schon einen Unterschied, ob ich die Person, mit welcher ich einen Disput führe, persönlich kenne oder nicht. Auch macht es einen Unterschied, wenn sich jemand mit seinem Avatar als Kunstfigur jahrelang stilisiert, dessen Rolle beim persönlichen Treffen natürlich aufgelöst muss. Es ist wesentlich, ob ein Schriftsteller sein Pseudonym verwendet, und sich ausprobiert. Das Pseudonym ist beim persönlichen Treffen kaputt.
Wollte man diesen Gedanken weiter verfolgen, so stellt sich für mich die Frage, in welchem Klima die Kreativität am besten gedeiht, wo haben Gedanken den freiesten Auslauf, wie und wann kann ich am ehrlichsten zu mir selbst sein bzw. werden? In einer Rolle zu einer realen Person, oder abstrakt vor einem weißen Blatt Papier, quasi steril?
Diese Frage ist ganz unabhängig von solch einem Forum. Werden Gedanken z.B. weniger krude, kauzig oder radikal, wenn sie nach einer realen persönlichen Begegnung stattfinden? Manchen wollte man ja gerne aus seiner fürchterlichen Blase herausholen, und persönlich Bescheid geben. Beim Shitstorm ist davon auszugehen, dass er nicht stattfinden wüden, wenn persönliche Beziehungen vorausgingen.
Die Entwicklung einer Idee, eines Gedichtes oder das Verfassen eines Buches sind störanfällige einsame Prozesse, und jedesmal Neuland für den Schreiber, die Lampe wird ständig neu ausgerichtet. Wären Nietzsche, Hölderlin, Kafka und Co. Kandidaten für ein Forentreffen gewesen, hätte sie ein geselliges Dichtertreffen bereichert oder hätte es ihre konsequenten bzw. spontanen Gedanken)Kreise empfindlich gestört?
Vermutlich muss man es so stehen lassen, und es gibt keine klare Antwort darauf. Was für den einen Inspiration und Bereicherung ist, oder Neugier weckt, ist für den anderen überflüssig und ablenkend. Eine Qualität des Gedankens in einer realen Begegnung vs. anonymes Forum lässt sich nicht ableiten. Der eine so, und der andere so.
In der Politik sind kreative und förderliche Prozesse ohne persönliche Begegnungen nicht denkbar. Aber das sind ja auch keine Dichter, und Traumtänzer.

Danke für eure intensiven Gedanken.
Donna
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Alt 27.10.2022, 04:15   #5
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Ach herrjeh, Donna, ich weiß nicht, wieso du aus dieser Lappalie ein Problem machen musst. Die Sache ist total einfach: Der Mensch ist ein soziales Wesen, er ist auf Vernetzung und Vertrauen angewiesen, und er überlebt zum größeren Teil aufgrund seiner Emotionen und zum kleineren Teil aufgrund seines Verstandes. Punkt.

Durch welche Medien sich Menschen vernetzen, ist scheissegal. Mein Ex-Mann, zum Beispiel, hat so viele Verbindungen, dass er einen Terminkalender führen muss, und da ist keine einzige Internet-Bekanntschaft dabei. Mit der einen Gruppe spielt er Skat, mit einer anderen geht er zum Wandern, mit einer weiteren geht er auf Fahrradtour, mit Einzelpersonen geht er zum Frühstücken oder zum Mittagessen, ins Kino oder zum Tanzen, und zwischendurch macht er Kurzreisen quer durch Deutschland und genießt Wellness-Angebote.

Ich hingegen bin lieber allein und lebe zurückgezogen, weil ich so viele Interessen habe, dass ich die Zeit für mich selbst brauche. Aber wenn jemand auf mich zukommt, bin ich offen, da gibt es für mich kein Problem und keine Veranlassung, mich in philosophische Gedankenwelten zu stürzen. Menschen muss man nehmen, wie sie sind.
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Alt 27.10.2022, 11:43   #6
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Zitat:
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Ach herrjeh, Donna, ich weiß nicht, wieso du aus dieser Lappalie ein Problem machen musst. Die Sache ist total einfach: Der Mensch ist ein soziales Wesen, er ist auf Vernetzung und Vertrauen angewiesen, und er überlebt zum größeren Teil aufgrund seiner Emotionen und zum kleineren Teil aufgrund seines Verstandes. Punkt.
Danke, liebe Ilka, dass du mir so schön einfach die Welt erklärst. Punkt. Sätze, hinter welche wir einen Punkt setzen können, geben Sicherheit. Und die zuverlässigen Weltenerklärer sind in unsicheren Zeiten wie diesen gefragt wie nie.
Aber wir haben ja kein Forum mit einer Ilka - Bubble, die uns die Welt erklären soll, sondern hier versammelt sich eine zufällige Ansammlung kreativer Schreiberlinge. Emotionen sind bei allem übrigens nicht ausgeschlossen. Das Wesen der Lyrik ist nunmal eine Verdichtung unterschiedlichster Aspekte. Da gehört meine Sicht dazu, die nicht maßgebend sein will oder muss, die aber auch nicht aus Lappalien ein Problem machen will, wie von der Forumsleitung vorschnell angenommen ( Vorsicht, Wertung!). Vielmehr wollte hier von mir versucht werden, die besonderen kreativen Denkprozesse in einem anonymen Forum auszuleuchten.
Denken verändert sich, wenn es zwischen Schwarmprozessen, Emojis, anonymen Foren, Fake news, Instergram & co stattfindet. Die Forschung auf diesen Gebieten boomt bekanntlich, aus unterschiedlichsten Gründen und Interessen. Jedem dürfte mittlerweile bewußt sein, welchen Einfluss (guten wie schlechten) soziale Bindungen und Gruppen auf den einzelnen haben.
Da mag es für Ilka überhaupt keine Veranlassung geben, sich drüber Gedanken zu machen oder sich gar in philosophische Gedankenwelten zu stürzen, was sie ja auch nicht muss, und vielleicht gilt das für den Großteil der restlichen Teilnehmer auch, die darin kein Problem erkennen können, während ich mir den kritischen Blick schon erlauben möchte.
Ich habe dazu längst noch keine abschließende Meinung. Solche kräftigen Punkte wie du bekomme ich einfach nicht hin, liebe Ilka. Aber es sei dir unbenommen, diese Betrachtung für erledigt zu erachten, weil dir schon alles längst glasklar ist.
Den Usern ist es untersagt, vom Inhalt, bzw. vom lyrischen Ich auf den VerfasserIn zu schließen, zu recht. Wenn ich die Person kenne, fällt diese Trennung schon erheblich schwerer, und meine Kommentare verändern sich zwangsläufig. Gerade bei den SchreiberInnen gibt es bestimmt viele, welche unter der Anonymität erst aufblühen können und zu ihrer Sprache finden. Das lässt sich für mich nicht mit einem Punkt ignorieren. Bin mir nicht sicher, wie deren sprachliche Veränderung aussieht, wenn sich soziale Unsicherheiten unter "realen Bedingungen" wieder einstellen. Andererseits blühen auch "kranke und krude" Gedanken in Elfenbeintürmen, wo die soziale Korrektur fehlt.
Nun, es möge sich hier treffen, wer will, und es sollen sich wunderbare Freundschaften daraus entwickeln. Habe ich ja auch gemacht, weil ich vom Text auf den Verfasser geschlossen habe. Getrieben von Neugier und sozialem Interesse bin ich mir rückblickend aber nicht mehr ganz so sicher, ob das auch für mein Schreiben und Denken ein Gewinn war, es bleibt ambivalent. Die Befriedigung sozialer Kontakte ist zwar schön, muss für das Schreiben aber nicht zwangsläufig zu einer fruchtbaren Verbindung werden, das sind zwei paar Schuhe.

L.G.Donna
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Alt 27.10.2022, 12:01   #7
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Zitat:
Die Befriedigung sozialer Kontakte ist zwar schön, muss für das Schreiben aber zwangsläufig zu einer fruchtbaren Verbindung werden ...


Auf Kontakte, die auf Erwartungshaltungen gründen, kann ich verzichten. Meine Kreativität muss aus mir selber kommen. Von den Menschen, die ich regelmäßig treffe, schreibt niemand Lyrik, Geschichten oder Romane, und darunter ist nur eine Frau, die regelmäßig Bücher liest. Das ist für mich kein Problem, denn ich bin nicht der Nabel der Welt. Wenn ich Leute treffe, dann aus Interesse an ihnen, aber nicht, um mich von ihnen feiern oder inspirieren zu lassen oder mich über Sachen zu unterhalten, die ich bereits zur Genüge kenne. Die meisten Menschen haben ohnehin die eine oder andere Sorge oder gar Schwierigkeiten, die sie meistern müssen; sie brauchen kein Geschwafel über ein Forum, sondern Zuhörer.

P.S.: Aha, da wurde noch ein "nicht" in den Satz eingebaut. Beeinflusst meine Stellungnahme jedoch nicht.
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Alt 27.10.2022, 13:02   #8
weiblich Donna
 
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Wenn ich Leute treffe, dann aus Interesse an ihnen, aber nicht, um mich von ihnen feiern oder inspirieren zu lassen oder mich über Sachen zu unterhalten, die ich bereits zur Genüge kenne.
Das ist auch wirklich gut so und löblich, liebe Ilka- Maria, auch wenn es thematisch noch nicht so ganz den Nagel auf den Kopf treffen will.
Ein Schreibforum ist ja nicht von ungefähr anonym. Der Sinn und Zweck, die Vor- und Nachteile für den inhaltlichen Schreibprozess galt es zu finden. Und da spreche nicht von Menschen, die ihr Universum als Zentrum der Normalität verstehen, welche mir hier vermittelt werden soll. Hier gilt es nachzuvollziehen, dass die Ausgangslage und die Vorraussetzungen eines kreativen und zuweilen sensiblen Schreibprozesses bei Menschen den unterschiedlichsten Einflüssen unterliegt. Das mag für den einen oder anderen völlig unverständlich, schwer begreifbar oder als Lappalie erscheinen, ist mir aber diese Gedanken wert. Interessant wäre es gewesen, wenn sich dazu neue Aspekte entwickelt hätten.

L.G. Donna
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Alt 27.10.2022, 13:29   #9
weiblich Ilka-Maria
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Warum, Donna, willst du den Usern die Funktion eines Lyrikforums erklären und ob sie daraus etwas schöpfen sollen, und wenn, was das sein soll? Jeder hat die Freiheit, das selbst zu entscheiden. Manche suchen den Austausch, für andere ist es eben nur eine Spielwiese. Im Hintergrund laufen derweil mehr Kontakte, als den meisten Usern bekannt ist, das weiß ich definitiv. Manchmal suchen User auch Kontakt zu mir, weil sie mir ihren privaten Kummer mitteilen wollen, wieder andere schicken mir ganze Manuskriptseiten für Romane, bei denen ich um Rat und Meinung gebeten werde. Das nimmt mich weit mehr in Anspruch, als das Forum an der Oberfläche zu führen, was ich quasi nebenbei erledige, denn ein Forum ist kein Hexenwerk.

Die Anliegen der User sind jedenfalls sehr individuell. Ich weise keinen von ihnen ab, aber ich gehe auch nicht mehr auf ihre Belange ein, als erforderlich ist, vor allem, wenn es sich um Privatsachen handelt. Ich nehme auch niemandem, der mir Manuskriptteile schickt, die Illusionen, indem ich zurückschreibe, das Projekt sei nicht gut genug, um etwas zu werden. Aber glaube mir, gegen die Arbeit, die ich damit habe, ist das bisschen Kommentarschreiben wirklich eine Lappalie.
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Alt 27.10.2022, 20:36   #10
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Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Warum, Donna, willst du den Usern die Funktion eines Lyrikforums erklären und ob sie daraus etwas schöpfen sollen, und wenn, was das sein soll? .
Liebe Ilka- Maria, das tue ich ja gar nicht. Den Usern hier brauche ich nichts zu erklären. Aber vor dem, was du von deiner Arbeit andeutest, was du hier in stillem Tun hinter den Kulissen vollbringst, ziehe ich den Hut.
Und das sollte hier auch keine persönliche Kritik an der Initiative eines Forentreffens werden, sondern eine abstrakte Betrachtung von einem Effekt, der zwar schwer messbar, mir aber als sehr wahrscheinlich und gegeben erscheint, und welcher in meinen Augen durchaus Relevanz haben dürfte. Kreativprozesse von Gedichten sind schwer zu erfassen. Das Forum sei bei meinen Überlegungen auch nur als beispielhaftes "Biotop" betrachtet. Letztendlich wird es sich bei vielen isolierten und einsamen Denkprozessen ähnlich verhalten, ob bei der einsamen Rentnerin von nebenan, beim Verfassen eines Textes, oder wenn ein Herr Putin abgeschirmt hinter tausend Sicherheitstürchen seine Entscheidungen fällt. Ist doch etwas anderes, als wenn sich dieser einer kritischen Debatte auszusetzen hätte.
Und worum will es mir dabei gehen? Es kann nur um eine Sensibilisierung gehen, ähnlich wie bei der Metoo- oder Genderdebatte. Ich hatte mehrere Punkte und Argumente angeführt, wodurch im direkten sozialen Kontakt Einfluss auf das Schreiben von außen herbeigeführt werden könnte. Im Schatten der absoluten Anonymität, so meine These, lassen sich für einige sensible Geister manche Schreib- und Ausdruckshemmungen besser überwinden. Man kann sich einfach mal ausprobieren, aggressiv, streng und frech sein oder abgrundtief depressiv. Es ist ein Kontrapunkt zum Realtreffen, aber wie gesagt unter dem Aspekt des kreativen Schaffens.
Wenn man solche Mechanismen versteht, könnten sich positive Verstärkungen durch Lob oder konstruktive Kritik einstellen, die signalisieren, dass die Gedanken des Gegenüber ernst genommen und gewertschätzt werden.
Hierbei entsteht natürlich ein ganz anderes Klima, als wenn man fremde Gedanken in reflexartiger Kampfesstimmung abgebügelt - nach derm Motto: Das ist kein Gedicht! Das hat alles nichts zu sagen! oder das ist nur eine Lappalie! etc. Ich kenne Menschen, die haben deshalb aufgehört zu schreiben, obwohl sie alles Talent der Welt hatten und sich nur noch entwickeln mussten. Aber das weißt du ja alles selbst, was soll ich einem alten Hasen noch erklären. Ich finde es jedenfalls immer bereichernd, wenn ich andere Perspektiven, Bedenken oder Probleme kennenlerne, die ich vorher nicht auf dem Schirm hatte, selbst wenn diese noch etwas holprig, ungeschliffen und kurzgedacht als Rohdiamanten daherkommen.
Lieben Gruß, Donna.
Donna ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.10.2022, 21:07   #11
weiblich Ilka-Maria
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Zitat von Donna Beitrag anzeigen
Es ist ein Kontrapunkt zum Realtreffen, aber wie gesagt unter dem Aspekt des kreativen Schaffens.
Ich kann deinen Ausführungen zwar folgen, Donna, und glaube zu verstehen, was dich bewegt, aber bei dem "Kontrapunkt zum Realtreffen" muss ich widersprechen. Derartige Kontrapunkte sind älter als das Internet. Dichter aller Richtungen haben sich zu allen Zeiten gegenseitig kritisiert, bis aufs Blut bekämpft und dabei mit Beschimpfungen nicht gespart, oft, ohne sich jemals begegnet zu sein. Die Auseinandersetzungen fanden brieflich oder durch Veröffentlichungen in Tageszeitungen statt, und in den Salons und Clubs sprach man darüber. Das war wahrscheinlich sogar viel schlimmer für die Nachwuchsdichter, aber auch für die bereits erfolgreichen gewesen, als in einem Forum schlecht weggekommen zu sein. Es ist ein Unterschied, ob Texte von den Journalisten renommierter Zeitungen oder Fachmagazinen verrissen werden oder ob sich weniger oder mehr talentierte Hobby-Dichter in einem Forum darüber auslassen.

Die Streitereien zwischen Rühmkorf und Reich-Ranicki sowie zwischen Grass und Reich-Ranicki sind mittlerweile so legendär, dass daraus Bücher entstanden sind. So weit ich mich erinnere, hatte auch Lessing rege und erbitterte Briefwechsel mit seinen Feinden. Und bei "2001" ist vor vielen Jahren ein Buch mit dem Titel "Dichter beschimpfen Dichter" erschienen, das schon zigfach aufgelegt wurde; bei Reclam erschien bereits 1994 ein gleichnamiges Büchlein. Auszug aus der Buchbeschreibung des Verlags "2001":

Es gibt Berufe, da zählt es zum guten Ton, nicht über die Kollegen der eigenen Profession herzuziehen. Nicht so bei Schriftstellern. Sie halten mit kritischen Urteilen zu den Werken ihrer Mitbewerber selten hinter dem Berg, ja, es ist ihnen sogar ein Hauptvergnügen, mit Hingabe an einer möglichst treffenden Invektive zu feilen. Großmeister dieser Gattung sind zweifelsohne u.a. Georg Christoph Lichtenberg, Gottfried Benn, Arno Schmidt und Eckhard Henscheid. Der Literaturwissenschaftler und Publizist Jörg Drews hat die bösartigsten und glänzendsten literarischen Sotissen von der Antike bis zur unmittelbaren Gegenwart zu einem Kompendium zusammengestellt - eine kleine Literaturgeschichte der ganz besonders unterhaltsamen Art.

Diese Schreiber hätten alle viel zu tun gehabt, wenn sie die Objekte ihres Missfallens jedes Mal persönlich hätten aufsuchen müssen, um ihre Beschimpfungen loszuwerden.
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Alt 27.10.2022, 23:34   #12
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Wir bekommen unsere Gedanken nicht zusammen, liebe Ilka. Da entwickeln sich keine weiterführende Gesichtspunkte zu dem Thema. Es ist alles sehr interessant, was du schreibst, aber es ging mir weder ums gegenseitige Austeilen oder um Verbalschlachten, noch ging es mir um konkrete Erlebnisse bei Forentreffen.
Im Grunde ist aber auch alles dazu gesagt, und ich gerate in Wiederholungen. Vielleicht habe ich mich nicht so präzise ausdrücken können, wie ich es gerne gewollt hätte. Ich hätte das Thema wohl lieber auf einer abstrakteren, kognitiven Ebene abgehandelt, welche ggf. in einer allgemeinen Erkenntnis mündet oder zu Kontroversen führt. Eine aufgesetzte Abgeklärtheit ist dabei nicht sehr zielführend. Der Beitrag war ja nicht umsonst in der "Philosophen Lounge" gepostet.
Wenn mir passende Abhandlungen zu dem Thema über den Weg laufen, werde ich den Faden ggf. nochmal aufnehmen. Es gibt ja auch noch weitaus spannendere Themen.
Ich danke dir für deine Zeit,
beste Grüße, Donna
Donna ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.10.2022, 00:22   #13
männlich Ex-petrucci
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Dichter aller Richtungen haben sich zu allen Zeiten gegenseitig kritisiert, bis aufs Blut bekämpft und dabei mit Beschimpfungen nicht gespart, oft, ohne sich jemals begegnet zu sein. Die Auseinandersetzungen fanden brieflich
Da schämt man sich fast, der Beschreibung nach zu urteilen, ein Teil der Primaten zu sein. Aber nicht selten ist die Lyrik da zu finden, wo das Ego besonders fragil ist.

Zum Glück gab es in der Vergangenheit auch Positivbeispiele von "Kollegen", die durchaus eine sehr respektvolle Kommunikation pflegten und der grundlegende Ton verändert sich zunehmend zu einer erwachseneren Gestalt.

@Donna, vielleicht, wenn nicht schon bekannt, kann Schopenhauer (Schriftstellerei & Stil) Deinen Durst etwas zügeln.
Ex-petrucci ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.10.2022, 07:14   #14
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von petrucci Beitrag anzeigen
@Donna, vielleicht, wenn nicht schon bekannt, kann Schopenhauer (Schriftstellerei & Stil) Deinen Durst etwas zügeln.
Wahrlich, Schopenhauer gilt als großartiger Stilist. Aber gerade er war ein Menschenfeind erster Klasse, ein Grantler und Streithahn. Wenn er sich über seinen Hund ärgerte, beschimpfte er ihn als "du Mensch!"
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Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.10.2022, 09:29   #15
weiblich Donna
 
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Zitat:
Zitat von petrucci Beitrag anzeigen
@Donna, vielleicht, wenn nicht schon bekannt, kann Schopenhauer (Schriftstellerei & Stil) Deinen Durst etwas zügeln.
Ein Herr Schopenhauer hätte mich bei allem gewiss noch geistreicher und amüsanter aufzuklären gewusst, wie es ums Denken im Zeitalter von Avataren in anonymen Dichterforen und diversen Vernetzungen bestellt ist. Er hätte sich vor allem seine eigene Gedanken dazu gemacht. Von daher hat sich das Denken schon verändert.
Aber wenn wir uns schon an der Weisheit großartiger Lehrmeister betrinken, lieber petrucci, dann lass uns noch Schiller und Goethe ausgraben, die das Triviale am Literaturmarkt im Dilettantismus der Weiber vollendet sahen. (Briefwechsel). Auch sie hätten in aller Süffisanz solche Totschläger wie "Lappalie" gezückt, um ihr Weltbild und ihren Genius nicht weiter infrage stellen zu müssen.
Ich nehme einfach mal an, dass die diesem Phänomen zugrunde liegende Denkblase den Komfort einer intellektuellen Sicherheit und Überlegenheit bietet, an welche wir uns gerne klammern, weil wir die geistige Windstille und die gemütliche Plauderei so lieben. Nicht weiter auf das Thema eingehen, und der staunenden Welt die Welt erklären, ohne auf den Grund gehen zu müssen.
Von daher, liebe Ilka, bitte ich den Faden in "Small talk" zu verschieben, wo er sicher besser aufgehoben ist.
LG Donna
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Alt 02.11.2022, 23:13   #16
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Guten Tag allerseits,

wenn Heinz dabei ist und es nicht allzuweit weg von hier ist, komm ich auch wieder gern.

Heinz kenn ich ja :-) war sehr lustig mit ihm!



Liebe Grüße an euch!

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Liebe Donna,
ich glaube, du hängst das Thema "Poetentreffen" zwei Etagen zu hoch auf.
Ich habe mehrere Treffen organisiert (oder war an der Organisation beteiligt) und habe nur gute Erfahrungen gesammelt.
Was sollte auch problematisch sein, wenn sich ein Dutzend Freunde der Lyrik treffen, sich persönlich kennen lernen und erstaunt feststellen, dass sie sich in Einzelfällen total geirrt haben.
So ging es mir mit "yarasa", einer Poetin in einem nicht mehr vorhandenen Forum. Ich erwartete eine ältere Dame mit grauen Haaren und Dutt, möglicher Weise eine Oberstudienrätin mit strengem Blick. Dann ging die Tür auf und herein kam ein Wirbelwind mit Gitarre auf dem Rücken, rotzfrech und mit Schweizer Dialekt, befähigt und willens, uns am Abend traurige Lieder vorzusingen und - wir haben selten so gelacht.
Weißt du, liebe Donna, ich will da kein Treffen mit tiefenpsyhologischen Anklängen, sondern nur dem Urtrieb nachgehen und soziale Kontakte zu schaffen, mal sehen, was der andere so drauf hat (kann er/sie ein Liedchen trällern, ein Instrument spielen, Pfannkuchen backen und auch mal einen armenischen Aprikosensaft mit mir trinken.
Ich darf dir versichern: Es sind mehrere gute, nun schon viele Jahre dauernde Freundschaften entstanden und z.B. den Gerd eines seiner Gedichte rezitieren lassen oder Goethes "Über allen Gipfeln ist Ruh" am Entstehungsort vorgetragen zu bekommen - das alles kann das Internet nicht ersetzen.
Der Wunsch nach Anonymität? Wers glaubt, wird selig.
Meine Freude wäre sehr groß, wenn an so einem Treffen auch so ein kritischer Geist wie du teil nähme.
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 02.11.2022, 23:15   #17
männlich MiauKuh
 
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Liebe Donna,

Zitat:
Zitat von Donna Beitrag anzeigen
Vielleicht habe ich mich nicht so präzise ausdrücken können, wie ich es gerne gewollt hätte.
Das wäre nur allzunormal. Ein präziser Ausdruck ist nicht möglich. Um ein Wort zu erklären bedarf es anderer Wörter, die vormals nicht genannt waren und letztlich ist das Gebilde der Wörter unvollständig ... weswegen wir unsere Gedanken und Absichten niemals absolut präzise auszudrücken vermögen.

Liebe Grüße
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Alt 03.11.2022, 19:07   #18
männlich dr.Frankenstein
 
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Tschuldigung, ich hab hier nich alles gelesen, aber ich war auch auf dem Poeten Treffen von Heinz, war wirklich interessant.

Also ich meine aber, dass ich trotzdem Anonym war. Im wirklichen Leben, is man doch genauso anonym wie im Internet.
Es geht viel mehr ums Abhauen oder geschützt ablästern können oder was weiß ich. Wahrscheinlich weil keiner einem in Gesicht fassen kann oder ans Bein.
Was weiß ich, aber ich bin manchmal beim Schreiben, sogar weniger Anonym, als mit Freunden.

Anonym is so ein Quatsch den irgendwelche Professoren sich ausdenken, Anonym bedeutet eigentlich, keine Sau intressiert sich für einen, darum kann man machen was man will.
Is ja im Internet nich so, da is man nämlich ständig irgendeinem Regelwerk ausgesetzt, das auch rückwirkend wieder ausgelöst werden kann.
Im wirklichen Leben, da is man viel anonymer. So oft trifft man keine Kontrolle der Nettikette, wenn du an der Tanke den Säufern das Bier klaust und in deinem alten Audi verstaust.
Hängt das nur davon ab wie böse du kucken kannst.
Im Netz muss man sich immer rechtfertigen und diskutieren. Was im wirklichen Leben viel lustiger is. Weil dann die Wut sehen kannst oder so.

Was war der andere Punkt Tarnung. Ja das beste Mittel, ist bei Treffen so zu tun als hätte man einen schlecht bezahlten Job und keine Freunde. Viele machen das ja umgekehrt und wundern sich dann, wenn es die anderen glauben.
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Alt 04.11.2022, 12:17   #19
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Gut, halten wir fest,
der Faden wird nicht in die Plauderecke verschoben,
Das Thema will aber auch nicht weiter vertieft werden.
Es wird lieber das lustige Beisammensein eines Poetentreffs zur Diskussion gestellt, und dass es vielleicht anoymer sein könnte, an der Tanke den Säufern das Bier zu klauen.

Unabhängig von lustigen und geselligen Treffs und Bier an der Tanke ging es mir um die nüchterne Betrachtung, wie man Veränderung von Denkstrukturen und die daraus resultierenden lyrischen Ergüsse einzuschätzen hat, bzw. wie sie in Abhängigkeit einer sozialen Umgebung gesehen werden müssen. Wie verändert sich Denken, wenn sich Elfenbeintürme plötzlich direkt online vernetzen können. Die Frage will natürlich über das Lyrikforum hinausgehen und philosophisch betrachtet werden.
Die Reflexion über das eigene Denken ist schwierig, weil wir es a priori erstmal für unabhängig und individuell erachten. Und da bleibt es z.B. eine hypothetische Frage, ob ein Schopenhauer, den petrucci an dieser Stelle erwähnt hatte, seinen Gedankenkosmos im Internet überhaupt so hätte entwickeln können.
Viele Befragte im Homeoffice oder Online Studenten vermissen den sozialen Kontakt und halten den Status Quo für unproduktiv, während z.B. Pädophile und Radikalisierte in der anonymen Umgebung eines Internets erst richtig in Fahrt kommen. Auch ein oppositioneller Widerstand im Iran oder in Russland könnte sich ohne konspirative Anonymität geistig nicht entwickeln, geschweige denn organisieren. Was wären Querdenker, die Sponti oder Indie - Szene, ohne Internet?
Will damit sagen, es ist noch lange nicht egal, in welcher Blase ich mich bewege, und wie " geschützt" oder "anonymisiert" sich meine Gedanken austoben, experimentieren und zur Blüte gelangen können, wo sie Zuspruch erfahren, sich gegenseitig befruchten und Grenzen überschreiten, oder reglementiert werden.
Ist die soziale Korrektur und der direkte Austausch ein Fluch, ein Segen? Oder bedingt es sogar die Konstruktivität und Kreativitätät unseres Denkens, die den Musiker auf der Bühne erst zum Genie werden lassen, weil er das Gegenüber braucht?
Ist mit der Zunahme der technischen Möglichkeiten automatisch eine Zunahme an Produktivität und Gedankenleistung verbunden? Hat das Denken vielleicht sogar erstmalig die Chance, den systemimmanenten Horrizont (als Systembewahrer oder Opposition) zu verlassen um wirkliches Neuland zu betreten, um sich wie ein Einstein in gekrümmten Räumen zu bewegen? - wenn es auf der anderen Seite dann doch zunehmend beargwöhnt und gehindert wird.
Weil es jeden betrifft und weil soviele versuchen, daran herumzumanipulieren, wären mir eure offenen Gedanken dazu von großem Interesse. Chinesische Bekannte empfanden es in einem Gespräch als völlig normal, dass sie ihre Anonymität stückweise opfern und aufgeben. Sind sie nun Opfer ihres Systems, ist ihnen das Gefühl für Freiheit abhanden gekommen, oder ist letztere eh nur eine Illusion? Gilt noch der Glaubenssatz: " die Gedanken sind frei"? Brauchen wir überhaupt eine Sensibilisierung derartiger Überlegungen? Ich zumindest halte sie für sehr relevant. Dazu wäre es auch interessant zu sehen, wie und ob sich sich Lyrikforen mit der Zeit verändern.
Für mich kann ich noch nicht beantworten, ob sich Gedanken besser in der Enge, im direkten Austausch oder in der Weite, in der Ruhe völliger Abgeschiedenheit unabhängig entwickeln, wie die unschuldigen naiven Fragen eines Kindes.
Wie gesagt, das Grundthema ist nicht das Forentreff, oder ein solches infrage stellen zu wollen. Die Überlegungen zu einem Forentreff waren nur der Gedankenanstoß für meine obige Fragen. Das von Heinz in 2023 beabsichtigte Treffen in Thüringen möge ein großer Erfolg werden, ich drücke die Daumen.
LG Donna
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Alt 04.11.2022, 12:38   #20
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Zitat:
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Die Reflexion über das eigene Denken ist schwierig, weil wir es a priori erstmal für unabhängig und individuell erachten.
Ich dachte immer, das hätte andere Gründe.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
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Alt 04.11.2022, 13:00   #21
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Welche?
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Alt 05.11.2022, 07:48   #22
männlich dr.Frankenstein
 
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Ja die französische Revolution hätte ohne das Internet wohl nicht stattgefunden. Das Papierinternet. Irgendsolche Szenen im Internet, rufen doch oft in den leeren Raum nach Hilfe, und dann kommen tausende dazu die auch nach Hilfe rufen und dann gibts ein paar wenige die fähig sind in der Wirklichkeit was zu organisieren.
Die rufen dann die Leute zusammen um auf der Straße nach Hilfe zu rufen. Hat ja Gandhi schon getwittert damals. Und denn denken alle, die hätten was erreicht oder sie werden alle zusammen so wütend, das die Herrschaft angst kriegt und ihnen mal zuhört. Das Fußvolk macht doch die ganze Welt verrückt, wir müssen das irgendwie loswerden. Besänftigen oder zurückdrängen?



Aber ich weiß, du meintest die unterschiedlichen Denkebenen, wenn man dann plötzlich vor einander steht.
Hast noch nie jemanden im Internet kennengelernt?
Meist ist alles geschriebene wirklich auf ner ganz anderen Ebne. Als ob das Schreiben nie stattgefunden hat.

Ah jetz weiß ich was du meinst, ob das Schreiben, ein Ausdruck deiner selbst bleibt, durch die vermeintliche "Anonymität" oder ob du dann etwas damit erreichen willst, zum Beispiel dich vor Tante Inge verstecken.

Merkurius der Luftgott der da immer was verhandeln möchte und sich lustig austauschen.
Is ja bisschen gruselig für Leute die gerne bisschen im tiefen Wasser tauchen.
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Alt 06.11.2022, 16:46   #23
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Ach, sieh an, der Typ von der Tanke!
von Leuten, die Hilfe suchen - schreibst du....und deutest vielleicht an, dass alles schon immer so gewesen ist, und warum sollte man sich also über Lappalien Gedanken machen....klar, die Französische Revolution musste stattfinden, weil der Zeitgeist reif war, und die Dinge sich so entwickelt haben. Und konspirative Absprachen gab es auch ohne Internet in Papierform. Die Form der Organisation und die geschlossenen Blasen sind auch keine Erfindung des Internets.
Das Prinzip von Unterdrückern und Unterdrückten ist geblieben. Zuckerbrot und Peitsche, Brot und Spiele, "gebt dem Volk Kuchen" und "entledigt euch der kritischen Masse"...
Die Entstehung der Weltwunder der Antike wären nicht denkbar, auch keine Pyramide, kein Kölner Dom, kein Raubzug, kein Krieg. Immer bedarf es der Beherrschung und der Ausbeutung, um mit dem Mehrgewinn die Welt zu gestalten oder zu verunstalten. Und die Menschen richten sich im jeweiligen Sinne ihres Zeitgeistes ein, und halten ihn für unumstößlich.
Trotzdem ist etwas grundlegend anders, was ein Zeitalter des neuen Denkens erfordert, und was uns aus der traditionellen Verankerung einer geschichtlichen Betrachtung reißt. Wir sind besonders herausgefordert, denn wir haben z.B. globale Probleme in nie dagewesenem Ausmaß.
Neu ist dabei, dass immer mehr Grenzen überschreitende Kollektivleistungen zur Lösung gefragt und notwendig sind. Einzeldenker und Einzelkämpfer, die über die Geschicke der Welt bestimmen, sind fossile Wesen und wenn sie mit autokratischem Gehabe daherkommen eher kontraproduktiv.
Mit dem Aufblühen des Internets gibt es eine Direktschaltung aus den individuellen Elfenbeintürmen. Populisten und Menschheitserlöser sind dabei nüchternen Pragmatikern und Spezialisten in der gesellschaftlichen Bedeutung ebenbürtig. Früher gab es einige charismatische Persönlichkeiten mit Führungsqualitäten, heute kann sich jeder zum Anführer seiner kruden Gedanken emporschwingen, und er hat sogar eine gute Chance, Mitstreiter und Follower zu finden. Neu ist der Grad der Polarisierung, und die Existenz von Influencern und künstlicher Intelligenz. Neu ist die Geschwindigkeit von spontanen Vernetzungen .. Auch der Grad der Anonymität spielt dabei eine große Rolle, in welcher Gedanken gären können. Ein Flashmob, eine Montagsdemo, eine Pegida -Treff, eine Fridays for Future Veranstaltung, eine Gegendemo, ... vor dreihundert Jahren wäre das alles undenkbar. Die schnelle Bestätigung der Gedankengänge, dass sich Einfinden in die richtige Peergroup, dass schnelle Anwachsen von Hass, Hetze, Bashing, Dissen, gezielte Fakenews, bekommen eine ungeheure Tragweite und Einfluss.
Und ja, da stellt sich mir die grundsätzliche Frage, wie und unter welchen Bedingungen ich über die Dinge nachdenken und diskutieren will, in einem direkten Gespräch, in meiner Familie, in einem politischen Gremium, in einem Forum, oder möglichst unbeeinflusst und unaufgeregt in meinen Vierwänden. Die Gefahr des begrenzten Denkens wird bei allem sehr unterschiedlich sein, und subjektiv kaum messbar. Das ist ein Problem nicht nur bei der Informationsaufnahme sondern auch bei der Verarbeitung.
Hier im Internet kannst du eine Figur abgeben, lieber Dr. Frankenstein, welche ihre bemerkenswerten, spontanen Gedanken hinter kruder Schnodderigkeit verbirgt und sie plötzlich aufblitzen lässt, um die Entwicklung voranzutreiben. Wenn wir real ein Bier an der Tanke trinken, wird sich mir mit Sicherheit ein ganz anderes Wesen zeigen. Vielleicht würden wir uns prima verstehen, vielleicht würdest du mich nerven oder umgekehrt, und unsere Gedanken würden u.U. nicht auf fruchtbaren Boden fallen, sie sind Störungen unterlegen, weil wir viel zu sehr mit der krummen Nase des Gegenübers beschäftigt sind. Vielleicht gibt erst das Internet dir die Plattform, dass sich wichtige Gedanken weitertragen, die zu neuen Mustern führen.
Damit wären wir mitten in einer Diskussion, Und natürlich stellt sich mir unweigerlich auch die Frage der Authentizität, bzw. des sozialen Rahmens und der Blase, in welcher wir uns bewegen wollen. Trotzdem ist es nicht die Kernfrage. Es stellen sich Frage nach der Kreativität, der Effektivität, und der Notwendigkeit. Bei letzterer gehe ich davon aus, dass wir ( die Menschheit) künftig ungeahnte Grenzen zu überwinden haben, damit unsere Brut das Übermorgen erlebt. Fragen der Ressourcenverteilung und Gerechtigkeit können z.B. einfach nicht mehr mit althergebrachten Denkmustern bearbeitet werden und von einem einzelnen schon gar nicht.
L.G.Donna

Geändert von Donna (06.11.2022 um 21:02 Uhr)
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Alt 08.11.2022, 00:59   #24
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Krude Sekten können ja auch die ganze Welt verändern, siehe die Kirche. Zumindest war sie der erste Schritt in eine extreme Oberflächlichkeit. Bei Freitags für Zukunft und Kögida und Antifa und Wacken und Speedway und Stockcar usw.
Nagut Politik ist eigentlich auch eine krude Religion, in der die Leute Dogmen Meinungen nennen. Die eigentlich von der Gruppe erwartete Sichtweisen widerspiegelt im Prinzip so ähnlich wie die Nachrichten.
Diese Substanzlosigleit in solchen sozialen Gefilden, ist für meine erdigen Tendenzen in meinem Wahn, schwer zu fassen.
Aber vermutlich ist es ein verborgener Wunsch zu verschmelzen um kein Einzelkämpfer sein zu müssen, gegen das Böse etwas oder um den ersten Platz beim Rennen zu gewinnen.
Oder ein Konzert geben zu können und mit der Musik eins zu werden, mit dem Auto, der Gruppe.

Sekten funktionieren ja nach dem Futur-Prinzip, man denkt an die Zukunft. Die Erlösung in der Zukunft, nur diese eine Wahrheit kann euch befreien. Alles wird so schön, alle tanzen dann und singen.

ABER ZU ERST MÜSSEN WIR DIE FALSCHEN (GEDANKEN) AUSmärzEN.

Aprilscherz, ruft einer und wird von allen verjunit, Juli Juli Juli. Kopfschütteln in der Menge. Du bist ein Pflaumen August. Das September mir mal, wie du das meinst?
Ok du Tober.

Ja die Umweltkrise ist schlimm. Aber die großen Firmenmanipullermätze mögen das Wort Klima lieber, dass klingt mehr so riesig und nich so nah, wie Umwelt
Oder vielleicht Natur.
Man bewegt sich heut zu Tage lieber in philosophisch abstrakter Politik um die Geheimnisse der Kernlosen Atombombe.
Es steht die große Gefahr bevor, dass die ganzen Einbrecher und Mörder und Nazis und so, schuld an der Umweltschutzlosigkeit sind. Nicht etwa die kindlich, abhängige Verehrung eines Systems das uns mit allen möglichen Vorzügen beschenkt.
Schon allein das wir die Natur als Ressource bezeichnen, erklärt ja, dass wir selbst auch Ressourcen sind und wie sollten wir dann Ressourcen verteilen?
Für Läuse sind wir auch eine wertvolle Ressource oder für Mücken.

Solange wir im großen Spielzeugzimmer Menschenwelt spielen wollen und lieber nicht erwachsen werden, geht es uns doch gut mit dem verschmelzen.

Wir müssen eigentlich nur ein paar Multimillitäridäre ausschalten und die Börse, dann wird alles gut. Oder eine kleine Inflation, dann verdienen die Gemüse Verkäufer das Jahresgehalt eines Bänkers an einem Tag und plötzlich will jeder was heimisches essen, vielleicht sogar aus dem Müll.
Selbst nasses Holz ist dann wie Gold im Winter.

Ja vermutlich würde ich dir auf die Nerven gehen.

Also die Diskussion soll darum gehen, dass die Brut das Übermorgen erlebt.
Einmal hab ich keine Brut,
und zum anderen ist meine Einstellung eher, die.... Käselöcher interessieren sich doch auch nicht für ihre Großeltern, also, wer weiß was die Brut dann mit dem anstellt, was du denen überreichen willst.

Es ist im Tierreich normal, dass bei Überpopulation die Vielfalt drauf geht, darum kommen Raubtiere oder eine Klippe zum runterspringen um das auszugleichen.
Darum träumen wir von Außerirdischen die angreifen, weil die irdischen Gefahren einfach zu lasch sind.
Der Tod ist kein schlechter Mensch, er ist ein Retter, er rettet vor dem Hunger und davor das alles Gras abgefressen wird.

Aber leider kann man das nicht damit vergleichen, wenn Barbie vom Feuerwehrauto überfahren wird oder das Bungee Seil reißt.
Ne, da sterben, die Schwachen, die die nicht an der immer kleiner werdenden Quelle rumlungern.

Aber es gibt interessante Modelle das System zu verbessern, groß Gewächshäuser mit Permakultur und Computern um beides zu nutzen.

Oder diese Methode wieder Sickerflächen in Städte zu bringen wo das Wasser bleiben darf und nich gleich abgepumpt wird.

Oder letztens hab ich einen Verein gesehen, wo Verbraucher sich mit Betrieben abstimmen können, wie sie ihr Produkt gerne hätten, welche Haltung usw.
und danach berechnet sich der Preis.

Also, ich meine nach dem ganzen unnatürlichen Wachstum ist es doch interessant das die Menschen sich wieder an die Natürlichkeit der Kreisläufe erinnern.
Natürlich bedeutet weniger Kontrolle, weniger Ordnung im Sinne von Logik oder Geometrie. Sondern Ordnung als Beobachtung und das Ehren, dessen was uns umgibt die In- Umwelt.

Klima intressiert nur die Firmen, die Zeug in Wasserarmen Gebieten anbauen.
Oder die die Windmühlen und das Zeug herstellen. Es müsste ja nur Eon enteignet werden. Als Ersatz für die Atommülllagerkosten usw. die ja von den Steuern bezahlt werden. Obwohl die Firma eigentlich selbst genug hat.

Von den ganzen Gurus heut zu Tage, muss man sich nichts erwarten. Das sind alles Hunde die am Zaun bellen.

Das System zerfällt ganz von alleine, wie Rom und alle anderen Hochkulturen und dann kommt ein spannendes Neumittelalter.
Und da treffen wir uns dann im Gewächshaus ohne Glas.
dr.Frankenstein ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.11.2022, 12:53   #25
weiblich Donna
 
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Denken ist im Spiel und im entspannten Flow am kreativsten, denkt sich so mancher, der drüber nachdenkt. Und hier sind wir ein erlesener Kreis der Überallesnachdenker. In diesem Zusammenhang danke für deinen Beitrag, lieber drFrankenstein.

Wenn wir dem natürlichen Zerfallsprozess einer Überbevölkerung beiwohnen, wie du es beschreibst, dann können wir uns natürlich genauso gut zurücklehnen, um dem Schauspiel aus abgehobener Warte entspannt zuzuschauen, Widerstand zwecklos, wozu auch? Zwischendurch gemütlich zur Tanke rüber oder ein nettes Forentreff und den Dingen ihren Lauf lassen. Eine paralysierte, fatalistische Gesellschaft im Trägheitsmodus an der Klippe ihrers Daseins. Es geschieht eh, was geschehen muss, woran sollte sich ein Handlungsbedarf und Widerstand überhaupt entzünden können?
Beim Hacken und Stechen ums Überleben möge sich der Stärkere durchsetzen, damit es erfolgreich weiter geht und der menschliche Überlebenswille nicht ganz gebrochen wird. Wär' doch zu schade drum, war doch nett hier, und wir sind schließlich keine Lemminge.
Survival of the fittest ist bewiesenes Gesetz. Nur- was lässt uns darauf vertrauen, dass Evolution auch wirklich dem Stärkeren den Vortritt lässt? Vielleicht hat sich Darwin gehörig geirrt. Vielleicht könnte es auch umgekehrt sein, nach einer inneren Logik, die uns unzugänglich ist. Und was will das Stärkere überhaupt sein? Die physische Kraft, die Brutalität, die Intelligenz, das Kapital, die Gesundheit oder der tölpelhafte Vollpfosten, der mit der Bombe im kreativen Flow gespielt hat? Wir werden es vielleicht noch erleben.
Und wenn wir auf das Geschehen kraft unserer Gedanken Einfluss hätten, würden dann das Interesse und unser Engagement nicht automatisch größer werden, indem wir Nachwuchs in die Welt setzen, oder wir uns der Nachfolgegeneration gegenüber verpflichtet fühlen? Können wir uns jetzt schon gedanklich in das Gewächshaus ohne Glas setzen, weil wir es uns so vorstellen?

Das ist zwar alles nicht Thema, doch über soetwas will nachgedacht werden, wenn über Sinn, Zweck und Optimierung von Denken räsoniert werden soll. Wohin soll die Reise gehen, wenn Menschheit in einem Boot sitzt? Wieviel Gegenüber brauchen wir, um noch klar darüber nachdenken zu können, um kein weltfremdes Geschwür in aller Zurückgezogenheit zu entwickeln, was dann das Boot zum Kentern bringt, nur weil wir es uns so schön einfach ausgemalt hatten.
Die Börse abschaffen, und die Multimilliadäre enteignen - schlägst du zur Rettung dieser Welt vor. Aber wird sie wirklich gerettet, wenn wir Milliadäre zum Abschuss freigeben oder verschwinden lassen? Oder lauert dann schon das nächste Geschwür? Mit ähnlichen Ambitionen ist schließlich die Oktoberrevolution gestartet, um in einer heutigen Autokratie zu verenden - Sind die Toten auf diesem Weg Opfer eines gedanklichen Geschwürs? Was wurde falsch gemacht? Was wurde bei diesem raffinierten Plan nicht bedacht? Bleibt die Menschheit gefangen in ihrer eigenen Habgier, oder ihren falschen Annahmen und Denkansätzen? Ist die Komplexitätät nur noch von einer KI zu bewältigen, die wir fleißig mit Informationen füttern, oder von einem unabhängigen Konsortium von Fachspezialisten? In der gegenwärtigen Zusammenballung von Macht und Kapital scheinen sich die Probleme z.Zt. jedenfalls nicht lösen lassen zu wollen.

Du hast die Oberflächlichkeit der Betrachtung angesprochen. Sind Milliadäre wirklich das eigentliche Problem oder nur die Spitze des Eisbergs, an deren anderen Ende der Rest der Menschheit hängt, ein jeder mit seiner eigenen Maßlosigkeit. Wird der eine abgesägt, kommt der andere Sündenbock an die Oberfläche. usw.

An dieser Stelle will ich dir meine eigenen Utopien nicht vorenthalten:
Warum können die Superreichen ab einem Vermögen X nicht einfach zu Sozialstunden für die Gesellschaft verpflichtet werden? Vermutlich würde ein Herr Bolsonaro als Sozialarbeiter in den Favelas ganz andere Einblicke in "sein" Wählerklientel erhalten, oder ein Herr Trump als Koordinator in einem mexikanischen Flüchtlingslager. Vielleicht ließe sich Herr Musk mit einem solch großen Vermögen sogar gerne für eine große Sache einspannen, wenn er für einen entsprechenden Posten vorgeschlagen wird , und ihm die soziale Anerkennung sicher ist. Ich halte ihn für formbar. So kann er neben seinem Vermögen zunächst sein soziales Unvermögen erfahren, und sein Einfühlungsvermögen entdecken. Wenn er z.Zt. noch mehr zur One- Man- Show und zur öffentlichen Person tendierte, könnte er bald zum größten Influencer und Global Player mutieren, den die Welt je erlebt hat.
Jede Zeit erzeugt ihre Ungeister, die sie verdient, könnte man zynisch schlussfolgern. Aber mit diesem enormen Gestaltungswillen und Führungsqualitäten ließen sich andere sinnvollere Dinge bauen, als schnöde Trumptowers. Wer von den Geltungssüchtigen wollte nicht als wahrer Erlöser in die Geschichte der Menschheit eingehen? Und weil all das nicht umsetzbar erscheint, müssen solche Gedanken wohl eher als Erlösungssehnsucht einer verzweifelten Donna abgehandelt werden. Dahinter aber steht ein Grundgedanke.

Wenn man Soziologen oder Mediatoren zuhört, so ist das Zuhören und Ernstnehmen die Königsdisziplin, um an die Ressouce des differenzierten Denkens zu gelangen, die Grundvorraussetzung für ein friedliches Miteinander. Wie sähen konstruktive Lösungsansätze aus, die sich nicht mehr an der Gewinnmaximierung orientieren und sich auch nicht polarisieren lassen. An sauberem Wasser, an sauberer Luft, an einer gesunden Natur, an Frieden etc. dürfte z.B. jedem gelegen sein, der in unmittelbarer Umgebung davon betroffen ist. Am Amazonas wird die These schnell widerlegt, weil die Kluft zwischen reich und arm mit Abholzaktionen überwunden wird. Neben dem Zuhören und dem Ernstnehmen ist das folgerichtige Handeln gefragt.
Erst unstrittige gemeinsame Ziele schaffen verbindende Gedanken, und der differenzierte Blick schafft Verständnis. Ist es nun Einfühlungsvermögen in der gemeinschaftlichen Sozialblase oder nüchtere Unabhängigkeit von allem, welches unserem Denken in einer akuten Krise abverlangt wird? Vermutlich beides, vermutlich brauchen wir den Chirurgen, der das Geschwür erkennt, und mit einer finalen Entscheidung den hoffnungslos metastisierten Körper wieder zunäht, und es braucht den den Arzt, der alles gibt, um die Vitalfunktionen aufrecht zu halten. Wir brauchen eine Kraft, die beide diametralen Aktionen zusammenführt. Licht ist ein Corpuskel und eine Welle. Beides zusammen ist für unser Gehirn nicht zu erfassen, und dennoch hat alles seine Gültigkeit.

Die ganze Welt ist auf Manipulation ausgerichtet. Wie also kann der habgierige Mensch manipuliert werden, damit der soziale und gerechte Geist in ihm geweckt wird. Vielleicht will er im Grunde einfach nur gehört und gestreichelt werden? Jeder will schließlich beachtet und geschätzt werden, von Kindesbeinen an. Auch die z.Zt.diskutierte ostdeutsche Radikalisierungstendenz scheint u.a. auf Ignoranz eines undifferenzierten Geistes zu basieren, die man den dortigen Menschen bislang entgegen gebracht hat. Es ist eben nicht das originär Böse, was sich uns offenbart. Wir schauen mit allem auf uns selbst.

Wenn mit Erfolg soviel Aufwand betrieben wird, dass der Mensch sich für Produkt A , Kandidaten B und den Urlaub in C entscheidet, dann lässt sich mit gleicher Logik das Denken, und die damit verbundenen Bedürfnisse auch in die andere Richtung verschieben, wo es zu einer Haltung heranreifen muss. Es wäre keine Gegenrevolution, sondern quasi eine globale Gegenmanipulation, die im Kleinen mit einer Idee beginnt und ihre Follower und Unterstützer sucht, um groß zu werden.

LG Donna
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