Die Augen schließen

[FeelLetter]

„Glauben Sie, dass sie beim Springen die Augen schließen?“
„Wer?“
„Die, die springen.“
Sie dreht sich um. Noch vor wenigen Sekunden umklammerten ihre Finger krampfhaft das Geländer. Langsam streicht sie mit dem Zeigefinger über das warmgewordene Eisen.
„Was...?“
„Es tut mir leid. Ich wollte nicht...“
Eilig entfernt sie sich vom Geländer, den Blick gesenkt, so als wäre sie allein. Eine Haarsträhne ist ihr ins Gesicht gefallen. Etwas blitzt auf ihrer Wange, doch sie schüttelt ihren Kopf, heftig, und dreht ihn auf die andere Seite. Laut atmet sie ein und hält die Luft an. Das erwartete Schwingen des Bodens unter ihr, wenn sich Schritte nähern, bleibt aus. Zitternd streicht sie sich durchs Haar, zeigt ihr Gesicht. Leere Augen blicken auf das Geländer zurück. Er steht mit dem Rücken zu ihr, lehnt sich nach vorn. Sie schließt die Augen, erinnert sich an das Bild, das sie von dieser Stelle nach unten hatte. Genau das müsste er in diesem Moment sehen. Müsste den sanften, aber kühlen Wind im Gesicht spüren. Müsste das Gefühl haben zu schweben. Müsste vergessen, dass die Finger sich ans Geländer krallen. Und sie müssten sich unbemerkt loslösen, die Augen müssten sich unbemerkt schließen. Doch dann müsste er sie erschrocken wieder aufreißen und einen Schritt zurückstolpern.
Seine Hand berührt ihre Schulter.
Der Wind verschwindet, die Schwerkraft drückt sie auf den Untergrund. Verwirrt hebt sie den Blick. Mit warmen, feuchten Augen sucht er eine Lichtreflexion in ihren Augen.
„Ich weiß es nicht. Hauptsache, wir verschließen nicht die Augen vor ihnen.
Vor denen, die springen.“

[Thing]

Halli Hallo,


erinnert (gewollt?) an die Parade. Schon des Geländers wegen.

GUT geschrieben, weil er in meinen Augen noch andere Aspekte aufzeigt und zuläßt.
Aber das " unbemerkt" würde ich (rein sprachlich gesehen) in unmerklich ändern.
Subjektiv.


Der Titel ist erster Klasse/Güte.

Thing