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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen. |
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14.07.2023, 00:09 | #1 |
Die Masse ist berechenbar…
Die Masse ist berechenbar
zumeist, mein ich, recht selten: Noch träge eben, kleinlaut, schwach, schreit sie jetzt nach dem Helden. Der Held, das soll der Führer sein: Mit starker Hand soll richten er alles, was da schief, krumm, fremd. Man rühmt ihn in Gedichten, obwohl es ihn noch gar nicht gibt! Doch: man hat ihn erschaffen. Zumindest als ein Ideal, und man fängt an zu gaffen. So gafft die Masse stieren Blicks auf jeden Jahrmarktsreigen. Und hofft, dass sich vorm Stadttor bald der Messi-As wird zeigen. Die Masse wartet, schimpft und schwätzt, wälzt sich im eig’nen Leiden. Da schreit ein Irrer: "Seht den Mann da auf dem Esel reiten!" Es wenden aller Augen sich zu jenem fremden Reiter. Der hat sich einfach nur verirrt, weiß eigentlich nicht weiter. Der Reiter ist ein armer Wicht, sein Esel: krude Worte von Glück und Heimat und Freiheit. Sie öffnen ihm die Pforte! Sie lassen diesen Sprachjongleur in ihre Stadt eindringen! Der Wahn, der greift sehr schnell um sich: Man will ihm Opfer bringen! Man wirft sich vor ihm in den Staub, bereit, des Esels Hufe zu spüren auf der eignen Brust, und sei’s beim letzten Rufe. Man leckt ihm von den staub’gen Zehn den Dreck und Schweiß in Gänze, auch steigt der Preis im ganzen Land für alte Eselsschwänze. Der Reiter, der gefällt sich sehr in seiner Heldenpose. Huldvoll und lächelnd segnet er der ganzen Masse Chose. Und biegt dann ab, hin zum Palast. Da wird er sich einnisten! Er ist der Held, der Messi-As, zeitlos und ohne Fristen. So reitet er die Treppen hoch auf seinem lahmen Tiere. Doch nach der dritten Stufe schon streckt dieses alle Viere. Nun gafft das Volk, sehr irritiert: Hier scheint was nicht zu stimmen? Es kann doch wohl ein Messi-As paar Stufen noch erklimmen! Das Volk, es stutzt, und es beginnt plötzlich lauthals zu schreien: Wer uns betrügt, dem werden wir ganz sicher nie verzeihen! Der Reiter, ja, er wundert sich: Das Volk will ihn einholen? Er merkt: Er sitzt auf seinem Tier beinahe wie auf Kohlen! Auf Kohlen sitzt er, tödlich heiß, auch sitzen ihm die Massen im Nacken, und er muss wohl die böse Stadt verlassen! So reitet er zum Stadttor hin auf seinem Tier, dem lahmen, verbunden mit der Hoffnung, dort frag‘ keiner noch nach Namen. Vorm Stadttor haben sie ihn dann vom Esel grob gerissen, ein Messer ihm gesteckt ins Fleisch und auf den Rest --- |
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14.07.2023, 01:28 | #2 |
Gefällt mir.
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14.07.2023, 01:48 | #3 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Liebe Ottilie,
das ist ja beinahe eine Ballade und Balladen lese ich gern. Mir juckt es in den Fingern, ein paar Kanten abzuschleifen, sprich: Dein Gedicht ein bisschen lesbarer, die Reime geschmeidiger zu gestalten, also, was Form, Metrum angeht zu verbessern. Soll ich, oder willst Du es so lassen? Liebe Grüße, Heinz |
14.07.2023, 20:17 | #4 |
Gerne...
Lieber Heinz,
gerne sehe ich Deinen Vorschlägen entgegen! Bin gespannt... VG Ottilie |
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16.07.2023, 18:38 | #5 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Liebe Ottilie,
versprochen ist versprochen. Hier also mein zaghafter Versuch, Deine "Ballade" ein bisschen zu optimieren. Liebe Grüße, Heinz Die Masse ist berechenbar… Die Masse ist zumeist berechenbar, bei Licht betrachtet aber doch recht selten: Noch träge eben, kleinlaut, schwach, verlangt sie jetzt nach einem Helden. Mir war das anfängliche Statement zu schwer verständlich und der letzte Vers begionnt mit einem Trochäus. Deshalb die geringfügigen Änderungen. Der Held, das soll ein Führer sein: Mit starker Händen soll er alles richten, was schief und krumm und fremd. Man dankt es ihm mit Ruhmgedichten, „soll der Führer sein“ engt die Auswahl des Helden auf „den“ Führer ein. obwohl es ihn noch gar nicht gibt! Jedoch: man hat ihn kurzerhand erschaffen. Zumindest als ein Ideal, und man fängt an zu gaffen. So gafft die Masse stieren Blicks auf jeden Jahrmarktsreigen. Und hofft, dass sich vorm Stadttor bald der Messi-As wird zeigen. Die Wortspielerei gefällt mir. Müsste es konsequenter Weise nicht „das Messi-As“ heißen? Die Masse wartet, schimpft und schwätzt, wälzt sich im eig’nen Leiden. Da schreit ein Irrer: "Seht den Mann da auf dem Esel reiten!" Es wenden aller Augen sich zu jenem fremden Reiter. Der hat sich einfach nur verirrt, weiß eigentlich nicht weiter. Der Reiter ist ein armer Wicht, sein Esel kreischt nur krude Worte von Freiheit, Heimatliebe, Glück - sie öffnen ihm die Pforte! Sie lassen diesen Sprachjongleur in ihre Stadt eindringen! Der Wahn, der greift sehr schnell um sich: Man will ihm Opfer bringen! Man wirft sich vor ihm in den Staub, bereit, des Esels Hufe voller Lust zu spüren auf der eignen Brust, und sei es auch der letzte Schrei. Man leckt ihm von den staub’gen Zeh‘n den Dreck und Schweiß in Gänze, schnell steigt der Preis im ganzen Land für kotverdreckte Eselsschwänze. Der Reiter, der gefällt sich sehr in seiner Heldenpose. Er grinst und lächelnd segnet er der ganzen Masse Chose. Dann biegt ab, hin zum Palast, da wird er dauerhaft quartieren; er ist der Held, ein Messi-As, die leise murren, lässst er liquittieren. So reitet er die Treppen hoch auf seinem lahmen Tiere. Doch nach der dritten Stufe schon streckt dieses alle Viere. Nun gafft das Volk, sehr irritiert: Hier scheint was nicht zu stimmen? Es kann doch wohl ein Messi-As paar Stufen noch erklimmen! Das Volk, es stutzt, und es beginnt ganz plötzlich an zu schreien: Wer uns betrügt, dem werden wir ganz sicher nie verzeihen! Der Reiter, ja, er wundert sich: Das Volk will ihn vom Sockel holen? Er merkt: Er sitzt auf Esels Rücken beinahe wie auf Kohlen! Auf Kohlen sitzt er, tödlich heiß, auch sitzen ihm die Massen im Nacken, und schnell muss er die böse Stadt verlassen! So trottet er durchs Stadttor raus auf seinem Tier, dem lahmen, ich hoffe sehr, in dieser Stadt ist noch ein Rest Vernunft zuhaus. Kaum war er durch das Tor geritten, wurd er vom Esel grob gerissen, ein Messer ihm gesteckt ins Fleisch und auf den Rest --- |
16.07.2023, 21:44 | #6 |
Liebe Ottilie,
auch ich habe deine Ballade des Messi-As gern gelesen. Nicht pathetisch eher einfach gehalten, das passt wenn du eine dumpfe Masse beschreiben möchte. Noch die Frage: Messi-As ? Geteilt wegen der Betonung, um den Leser zu verwirren (ich war tatsächlich kurz in Gedanken beim Fußball) oder gibt es einen anderen, inhaltlichen Grund? Die Preussin |
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16.07.2023, 23:53 | #7 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Liebe Preussin,
ohne Ottilies Entgegnung etwas vorweg nehmen zu wollen: Ich denke schon, dass sie aus dem Messias, dem Gesalbten, eine massentaugliche Verbalhornung (dem Messi aus der Fußballwelt) als gesellschaftliches Phänomen an die Seite stellen wollte. Noch deutlicher wäre die Bezeichnung Messi-Ass gewesen. Mal sehen, was Ottilie dazu sagt. Liebe Grüße, Heinz |
17.07.2023, 22:30 | #8 |
Messi-As
Hallo Heinz,
Deine Vorschläge sind gut und sicher möglich, ich würde aber vielleicht doch mal sehen, wie andere das einschätzen. Hallo Preussin, zum Messi-As: Ich hatte den "Messie" im Hinterkopf, abgeleitet vom engl. mess = Chaos oder auch Durcheinander; dazu passt das "Ass", einerseits die Karte mit dem höchsten Spielwert, andererseits nicht weit vom "Assi", dem asozialen Element: So ziemlich jede Figur, die in der Geschichte als "Messias" auftrat, hat Chaos in Perfektion hinterlassen, daher erscheint mir die Variante "Messi-As" deutlicher auf den verhängnisvollen Inhalt hinzuweisen... LG Ottilie |
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