Schamhaftigkeiten zu Luft, See und Autobahn

[Ilka-Maria]

Soeben habe ich mir zwecks Unterhaltung zu meinem täglichen Sport die ZDF-Doku „Fernweh und Flugscham“ angesehen, weil sie zu einem aktuellen Beitrag im Forum gerade gepasst hat. Dabei kamen einige Wahrheiten zum Ausdruck, die mir zwar schon bekannt waren, aber leider nicht alle wesentlichen Informationen rausgelassen haben.

Dass sich Touristen für ihre Reiselust, insbesondere für die Fliegerei, schämen sollten, wird in der Doku nicht gesagt. Aber sehr richtig kommt zur Sprache, dass die Leute deshalb lieber zum Flugticket als zum Bahnbillet greifen, weil Flüge des Wettbewerbs wegen zu Dumping-Preisen angeboten werden. Die Lufthansa kann das Spiel mitmachen, solange sich in der EU nicht durchsetzt, auf Kerosin Steuern zu erheben. Gleichzeitig muss man sich wundern, weshalb die Lufthansa, die in Steueroasen in der Karibik etliche Beteiligungsunternehmen hat, vom Staat coronabedingte Hilfszahlungen erhalten hat und auf Nachfrage prüfen wolle, inwieweit man aus diesen Beteiligungen Gelder abzwacken könne. Gleichzeitig werden die Verkehrsmittel im Nah- und Fernverkehr immer teurer, jedoch massenhaft Strecken nicht mehr befahren. Und unsere Politiker schauen nicht nur hilflos zu, sondern subventionieren obendrein einen Branchenriesen wie TUI, während manche Gastronomen noch heute auf ihre Hilfsgelder warten. Da fragt man sich, wer hier eigentlich zur Scham verpflichtet werden sollte.

Dann trat in der Doku ein Gesprächspartner auf, der die völlig sinnlose Auskunft gab, dass ein Langstreckenflug drei Tonnen CO2 produziere, was einer Woche lang Kreuzfahrt oder einem Jahr Autofahren entspreche. Wer soll mit diesen Angaben etwas anfangen können? Ab wann ist ein Flug ein Langstreckenflug, von Frankfurt nach New York oder doch erst nach Australien?

Und ist mit der Kreuzfahrt der CO2-Anteil für alle Passagiere gemeint, oder für eine Familie oder für die Einzelperson? Muss ich das selber nachrechnen, und wenn ja, auf welchen Grundlagen? Wie wirkt sich der Verbleib an den Anlegestellen aus, denn auf einem Kreuzfahrtschiff kann die Versorgung nicht einfach abgeschaltet werden? Und welche Schiffsgröße wurde für den Vergleich herangezogen? Warum ist eigentlich immer nur von Flugscham die Rede, aber nie von Schiffsreisescham, wo doch so ein Schiff seine eigenen Hotelbetten und Restaurants mitbringt und somit die Tourismusbranche und Ladenbetreiber an den angesteuerten Urlaubsorten um ihre Einnahmen bringt, so dass immer mehr schließen oder einen Großteil an Arbeitsplätzen streichen müssen?

Sind bei den Autofahrten vorwiegend LKW gemeint, oder der Durchschnitt aller Fahrzeuge, und wie stark sind sie besetzt bzw. beladen? Und welches Durchschnittstempo liegt der Berechnung oder Schätzung zugrunde? Das alles wirkt sich bekanntlich auf den Verbrauch und somit auf den CO2-Ausstoß aus.

Im Grunde kann man sich derartige Interviewpartner schenken, denn solche vagen Angaben taugen nur für die Mülltonne. Aber vielleicht fehlt es mir einfach nur am analytischen Verstand, das alles zu begreifen. Aber egal, ich wollte ja nur, dass es mir bei meinen vierzig Minuten Sport nicht langweilig wurde.