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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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06.03.2023, 15:23 | #1 |
Der Tod eines Obdachlosen
An diesem gottverdammten Morgen,
plagen mich schon wieder Sorgen. Wo nehm' ich was zum Essen her, ich habe keinen Groschen mehr. Das Leben hat mich ausgebeutet. Wenn es an der Türe läutet, jagt ein Schrecken durch die Glieder: Der Exekutor, nicht schon wieder! Doch er ist es, will mich pfänden, ich stehe da mit leeren Händen. Nun werd' ich auch noch delogiert, ich wollt's verhindern, hab's probiert. Das Leben ist 'ne schlimme Bürde, sprach da wer von Menschenwürde? Ich bin so mutlos und verdrossen, die Menschheit hat mich ausgestoßen. Heuer kommt der Winter bald, die Nächte sind schon bitterkalt. Mein Lager ist in diesen Nächten, neben Hauseingang und Lüftungsschächten. Ich schleiche mich in Suppenküchen, würd' am liebsten mich verkriechen. Wenig nützt mir dieser Wahn, den letzten Stolz legt Hunger lahm. Niemand hat mit mir Geduld: 'Der Sandler hat ja selber Schuld!. Die Polizei will mich verjagen, ist es ihr peinlich, mich zu plagen? Wo soll ich mich denn nur verkriechen? Ich kann mich selbst bald nicht mehr riechen! In einem Tunnel, schlecht versteckt, wurd' ich von Hooligans entdeckt. Die trieben mit mir üblen Scherz, ich spür' noch ihrer Tritte Schmerz. Sie machten sich dann doch davon, noch lang erklang ihr grölend' Hohn. Ich glaub' nicht an Gerechtigkeit, denn kalt lässt Prasser solches Leid. Endlich kommt die schwarze Nacht, nie wieder bin ich aufgewacht. Glossar: Heuer = dieses Jahr. Groschen = Untereinheit der ehemaligen österreichischen Währung Schilling. Exekutor = österreichisch für Gerichtsvollzieher. Sandler = österreichisch für Penner oder Stadtstreicher. Hooligans = randalierende Jugendbande. |
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13.03.2023, 18:07 | #2 | ||
Hallo Alfredo,
Danke für das Teilen deines Textes. Ich habe beim Lesen deinen Umgang mit der Sprache sehr genossen. Du schaffst es wirklich eine bildformende Geschichte zu erzählen, ohne dass etwas künstlich und fremd in den Reimen wirkt. Das ist für mich ein sehr wichtiger Aspekt. Da ich jegliches Wissen über Fachsprache auf diesem Gebiet fehlt, lese ich mir Gedichte mehrfach laut vor, um im Klang etwaige Stolpersteine zu finden. Da sind mir allerdings auch nur zwei Kleinigkeiten aufgefallen, die ich erwähnen wollte: Zitat:
Zitat:
Beides aber Punkte, die deinem Werk unterm Strich keinen Abbruch tun und meinerseits nur erwähnt wurden, um konstruktiv zu wirken. Nochmal danke für das Teilen. PS: "Prasser" kann noch in dein Glossar. Ich kannte das Wort zwar, aber wenn du eh schon eins hast, dann passt es da auch wunderbar rein. lg, Erebos |
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14.03.2023, 07:20 | #3 |
Der Tod eines Obdachlosen
Hallo Erebos,
danke für deinen Kommentar und die Analyse meines Gedichtes. Leider kann man nachträglich nichts mehr ändern, weil das in diesem Forum nicht vorgesehen ist. Aber deine Anregungen sind sehr wertvoll. Was den 'Prasser' betrifft, so kann man ihn mit "Verschwender' oder 'Vergeuder' übersetzen. Im Gedicht ist das ein indirekter Hinweis auf die Lebensmittelverschwendung in unserer Gesellschaft, die ich für ein Verbrechen halte. Das Interesse für soziale Themen scheint in diesem Forum aber gering zu sein. Das Gedicht wurde kaum von einer Handvoll Menschen gelesen. MfG Alfredo |
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14.03.2023, 15:43 | #4 | |
Zitat:
ich weiß nicht, ob es unbedingt angebracht ist, dem kompletten Forum mangelndes Interesse für soziale Themen anzukreiden, weil dein Gedicht nicht so oft angeklickt wurde. Manche Texte erhalten immens viel, andere wiederum relativ wenig Aufmerksamkeit. Woran das liegt, wird niemand gänzlich ermessen können. Mich hat das Gedicht an einen Vorfall erinnert, der sich letztes oder vorletztes Jahr in Berlin ereignet hat. Da wurde ein Obdachloser an Weihnachten aus einer U-Bahn Station geworfen, weil er nicht geimpft war. Wie muss dieser sich dabei gefühlt haben? Aber so ist es leider nun mal in einer Gesellschaft, die vielerorts gefühlstot ist. LG Manni |
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14.03.2023, 17:12 | #5 | |||||||||||
Hallo Alfredo und Manni
Zitat:
Wer immer nur im Hinterzimmer agiert und nie aneckt, weckt kein Interesse. Damit meine ich nicht, das man ständig herum meckern oder gegen an sein muss, aber Kontra geben hält andere bei der Stange. Ebenso verhält es sich mit der Eigeninitiative. (Wieviele "i's" wollen sie? Ja.) Ein Glossar ist zwar nett gemeint, aber den meisten Lesern wird damit indirekt Dummheit attestiert und Unfähigkeit zum selbständigen Denken. Zudem gibt es wenig Grund in einem schildernden Klartext die Interpretationsgabe zu bemühen, es gibt nur ja oder nein in dem Text. Ich bin sicher, dass die Begebenheiten, also der Rote Faden im Text ohne Mängel sind. Ich kann also nur auf die Form eingehen, versuche mich aber nicht ins Betonungswesen zu verstricken, damit es nicht zu analytisch und tot Meinerseits wirkt. Zitat:
Groschen/Pfennig war ebenso deutsche Währung für Kleingeld in heutigen Centbeträgen. Zitat:
Eine seltsame Berufsnamenwahl. Muss man dafür sadistisch veranlagt sein und das Leid anderer genießen? Zitat:
Das wundern über das erwzungene Ausziehen, wirkt so überrascht, als wäre es eine spontane Entscheidung die getroffen wurde. Sowas hat doch Fristen die dem Vorangehen. Was exakt hat man denn probiert, wenn es jetzt so plötzlich kommt? Zitat:
Ich höre nur Schuldumverlagerung und das Suchen nach Ausflüchten. Aber noch viel schlimmer höre ich das Aufgeben und sich abfinden mit der Situation. Der Reim (drossen - stoßen) hat unterschiedliche tonale längen der Vokale und ist eine Assonanz. Zitat:
Es gibt Obdachlosenunterkünfte, die konkret für die Jahreszeit ausgelegt sind. Logisch aber, das man das Bekannte sucht um sich einen Rest Menschlichkeit und soziales dazugehören zu wahren. Nahe der Zivilisation die einen in der Vorstrophe noch wörtlich ausgestoßen hatte. Zitat:
Ebenfalls (küchen - kriechen) eine Vokale Assonanz Zitat:
Und es fragt für gewöhnlich niemand, wie es dazu kam, weil es andererseits keinen Interessiert, denn "Zum Glück, bin das nicht ich." Die Strophe gefällt mir in seiner Aussage. Zitat:
Die Reimendung "kriechen" hatten wir in Strophe 8 schon. Hier ist der Reim sauber. Zitat:
Trotz allem hat auch ein Obdachloser rechte. Die Strophe zeigt aber sehr gut, dass der eigentliche Bodensatz der Gesellschaft sich zu viel erlauben kann. Dieses erhöhen über andere ist mir zuwider und ich verachte solch ein Verhalten zutiefst. Aber auch zusehen und geschehen lassen, ist fast Gleichzustellen mit dieser Art von Gewalt. Man mag es mir glauben oder nicht, aber ich wäre jemand der sowas sieht und sich über den Obdachlosen legt. Verhindern kann ich die Tritte nicht, aber eventuell den ein oder anderen lauthals abfangen. Der Reim (von - Hohn) ist erneut in der Vokallänge assonant. Zitat:
Alles in Allem finde ich 10 Strophen für dargestelltes finanzielles und soziales Leid und Verfolgung eines einzelnen Menschen fast ein wenig zu viel schlechtes des Guten. (doppelt Paradox) Und leider etwas langatmig. Alles wirkt so plötzlich und unerwartet. Die meisten Menschen bekommen ja Chancen ihr Leben auf die Reihe zu bekommen. Hier wirkt es so als wäre jemand unerwartet und mal eben in den sozialen Abgrund gerutscht und vorher von gar nichts behelligt worden und urplötzlich kommen alle auf einmal auf ihn zu und treiben ihn in den Suizid durch angst vor Dunkelheit weil er noch nie Campen war. Das er selber sagt, dass er nie wieder aufgewacht ist, ist mir etwas suspekt. Ich denke der Paarreim und dessen Charakter passt nicht gut zum gewählten ernsten Thema. Ich kenne den Paarreim als Naiv, humorvoll, beschwingt, manchmal albern. Lg Mono |
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22.03.2023, 09:16 | #6 |
Alfredo
Aus dem Leben gegriffen.
Favorit Gruß und besten Dank |
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22.03.2023, 10:24 | #7 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Was ein Hooligan ist, braucht man wohl niemandem zu erklären. |
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Lesezeichen für Der Tod eines Obdachlosen |
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