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Alt 21.08.2013, 16:27   #1
männlich KoKomoKalamari
 
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Standard Hinrichtung

Hinrichtung

„Doch wir sind doch auch nur Menschen!“, riefen die Schaulustigen Theus entgegen, „Wir sind auch nur Menschen und können das, was du von uns verlangst nicht tun, da das von dir Verlangte nicht im Menschlichen, sondern im Göttlichen liegt“. Theus senkte seinen Kopf und schmiegte seinen Nacken in die Schleife die um seinen Hals geschlungen war. Er blickte in die erste Reihe der Schaulustigen, welche sich nur kurz vor dem Holzpodest in Stellung gebracht hatten. Manche hatten das Entsetzen in ihre Augen geschrieben, als wäre es vor langer Zeit mit einem Brandeisen eingebrannt worden und die noch offene Wunde keine Zeit hatte eine Narbe zu bilden. Manch Anderer hingegen blickte verdutzt, blickten stumm und unverständig in die Augen Theus, nicht begreifend was geschieht oder was geschehen wird und wer dieser Theus war oder ist.
„Ihr seid auch nur Mensch?“, Theus hatte seinen Kopf soweit es Ihm möglich war erhoben und versuchte auch die hinteren Reihen der Schaulustigen zu erfassen. „Ihr seid auch nur Mensch?“. Theus versuchte seine Worte in Ruhe und Vernunft zu betten doch es gelang ihm nicht. „Was soll das heißen? Ich verstehe euch nicht. Dieser Wille zu Stagnation, dieser ewige Trott um nicht zu verlieren was ihr als heilig erachtet, wohl wissend, dass sein Schein schon längst verblasst und seine Heiligkeit schon längst verloren ist. Ihr sagt ihr seid nur Mensch. Ich bin auch nur Mensch, doch ich will mehr. Ich will, ich will, ich will!“ Theus Kopf wurde rot und Einige in der ersten Reihen waren zurückgetreten, da sie befürchteten Theus würde sich losreißen und sie in einem Happen verschlingen.
„Ich bin Mensch und alles was ich euch bringen wollte war das Menschliche. Ich bin Gott und alles was ich euch bringen wollte war das Göttliche. Und was ist mit euch? Ihr habt Angst, ihr versucht vergebens nicht zu kämpfen, da ihr Angst habt ihr könntet etwas verlieren. Angst etwas zu verlieren, dessen ihr selbst nicht sicher seit ob oder warum es existiert. Ihr wollt nicht Lenker sondern Passagier sein, nicht Aktion sondern Reaktion. Ihr wollt Stagnation in eurer Selbst und Progression im Kollektiv. Ihr habt Angst den Acker zu bestellen, doch ihr wollt die Früchte ernten. Ich bin auch nur Mensch, doch ich will mehr. Ich will nicht Mensch bleiben.“
„Hängt ihn!“, kam es aus dem hinteren Reihen, welche Theus nicht mehr erblickten konnte, doch er war sich sicher es waren die Fischer Gottes, welche auf Fang gingen, obwohl sie schon längst kein Boot mehr hatten. „Hängt ihn! Herrgott, seht ihr denn nicht, dass er aus der Hölle entsprungen ist?“
„Hängt mich! Hängt mich!“ Theus begann zu lachen. „Hängt mich bloß, ich bin nicht wichtig. Hängt mich so wie ihr alles hängt, das euren Winterschlaf stört. Hängt mich wie einen räudigen Köter, der euren Garten verunstaltet hat, hängt mich wie ihr den Taschendieb hängt, der keine Mittel hat seine Familie zu ernähren. Hängt mich, denn ihr seid nur Mensch.“
„Und wie ihr nur Mensch seid. Schaut euch um, blickt euch an, von Angesicht zu Angesicht. Erkennt ihr denn nicht was ihr tut und was ihr zu wollen scheint? Eingekerkert zwischen Euresgleichen starrt ihr einen alten Mann an, dessen Schicksal ihr zu bestimmen viel zu schwach seid; und doch bestimmt ihr es.“ Die Menschen starrten Theus an, welcher seinen Kopf gehoben hatte um das Elend zu erblicke, dessen ihm die Schuld zugesprochen wurde. „Ihr seid nicht meine Henker. Nein. Schaut euch an. Ich meine, schaut euch verdammt noch mal an!“, Theus begann zu schreien „Ihr wollt meine Henker sein und glaubt ihr könnt euch damit reinwaschen. Ihr seid nicht stark genug um meine Bürde zu tragen, ihr seid nicht einmal stark genug euch selbst zu tragen in Zeiten die starke Taten und Worte von Nöten haben. Blickt euch verdammt noch einmal an? Ihr seid Mensch….und nicht mehr.
Und ihr wollt mich richten, Urteil über mich sprechen und Wahr und Falsch definieren und in meine Welt tragen; und das als Mensch? Schaut euch verdammt noch einmal an!“
Und die Menschen schauten sich an. Mütter sahen ihre Kinder in spärlichen Windeln gewickelt, Väter ihre Söhne durch Kinderarbeit verstümmelt. Die Reichen sahen sich unerträglich fett und ungestüm, die Armen sahen sich wenige Schritte vom Abgrund entfernt. Die Ungläubigen sahen sich leer und ohne Ziel, die Gläubigen sahen sich als einen Hund, der seinen eigenen Schwanz zu fangen versuchte. Die Menschen sahen sich an und erkannten was Theus ihnen sagen wollte. Wer sind sie zu richten, wer zu hinrichten und zu vernichten.
„Wer bist du?“, klang es aus den hinteren Reihen der Menschenfischer. „Wer bist du und wessen Göttlichkeit bist du entsprungen?“
„Ich bin nicht dem göttlichen Schoß entsprungen. Ich bin ein Spiegel, ein Mensch der euch zeigen will wer ihr wirklich seid und wer ihr zu werden droht. Schaut ihr mich an seht ihr euch selbst, doch schaut ihr euch an seht ihr nicht mich, sondern das Elend Mensch das Ihr seid. Ihr werdet euch an die alten Zeiten erinnern und sagen: „ Früher war alles besser!“ und eure Kinder werden das gleiche über eure Zeiten sagen. Das Menschliche ist und war das Göttliche, doch ob es dies auch bleiben wird, dem bin ich mir nicht sicher. Ihr seid nur Mensch und ich bin nur Mensch, doch wir wollen doch nicht Mensch bleiben. Streben wir das Göttliche an um der Menschlichkeit gerecht zu werden.“
Der Henker schritt langsam auf Theus zu, griff nach seiner Kapuze und zog sie sich vom Kopf. „Ich bin nicht dein Henker, und so werde ich es niemals sein.“ Der Henker schmiss die Kapuze vor die Füße Theus und knöpfte ihn vom Galgen. „Wir sind nicht dein Henker, oh lieber Theus. Nein, wir werden nie dein Henker sein“ quoll es aus der Masse. Der Alte rappelte sich auf und holte zum ersten Mal seit langer Zeit tief Luft. „Ihr seid nicht meine Henker, denn Ihr seid nun Mensch genug. Ihr werdet nie meine Henker sein, weil ihr der Menschlichkeit gerecht werden wollt.“, sprach Theus.
Theus hob die Henkerskapuze vom Boden des Galgenpodests auf und hielt sie in beiden Händen fest. Er stapfte langsamen Schrittes vom Podest, denn er wollte in Mitten seiner Menschen sein. Er ging vorbei an den Kindern die nicht mehr ärmlich sein wollten, vorbei an den Reichen die nicht mehr fett sein wollten, vorbei an den Ungläubigen die nicht mehr leer sein wollten, vorbei an den Gläubigen die nun die Wahrheit finden wollten. Er ging vorbei an all seinen Menschen und merkte, dass es gut war, was er ihnen gebracht hatte.
Theus blieb inmitten seiner Menschen stehen sah sie sich an und begann zu lachen. Alle seine Menschen begannen zu lachen und erfreuten sich an der neuen Zukunft, dessen sie sich als Former empfanden. Sie waren gekommen um zu richten und wurden gerichtet, sie wollten verdammen und wurden nun erlöst.
Theus zog sich die Henkersmütze über den Kopf legte sich in Mitten seiner Menschen und starb.
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