Dies irae

[Cornelius]

Es donnert, die Posaunen schallen.
Ein Schweifstern fällt vom Firmament.
In Flammen stehn des Himmels Hallen.
Es blitzt, die Atmosphäre brennt.

Der Lauf der Zeit ist abgeschlossen.
Das Weltmeer siedet, braust und zischt.
Zum Mond, vom Blutstrom überflossen,
hinauf zur Sonne sprüht die Gischt.

Beim Toben der Naturgewalten,
im Glanz des kalten Himmelslichts
wird heute Weltgericht gehalten,
bevor das All versinkt ins Nichts.

Die Gräber jeder Erdenzone
beginnen Tote auszuspein.
Gleich wie Milliarden Xylophone,
so klappert schaurig ihr Gebein.

Zur Prozession sie sich vereinen,
gerufen vor des Höchsten Thron.
Ein jeder muss dort selbst erscheinen,
empfangen den verdienten Lohn.

Die arme Seele wird gewogen,
und fehlt ein Gramm ihr bis zum Pfund,
sieht ihre Hoffnung sie betrogen,
stürzt heulend in den Höllenschlund.

Im Norden, Süden, Westen, Osten,
da brodelt heute das Gericht,
und jeder Mensch muss davon kosten.
Es mundet manchem Gaumen nicht.

Der Wind weht schweflige Gerüche.
Die Welt hat sich ins Ziel geschleppt.
Wers glaubt, der kommt in Teufels Küche
und steht dort ohne Kochrezept.

[Ottilie]

Köstliche Pointe: Wers glaubt, der kommt in Teufels Küche
und steht dort ohne Kochrezept.

Schönen Restabend wünscht

Ottilie

[Faber]

Hallo Cornelius,

wie immer sehr gekonnt umgesetzt. Beim Lesen entstanden gleich endzeitliche Bilder vor meinem inneren Auge. Sehr atmosphärisch! Die klappernden Gerippe („wie Milliarden Xylophone“) habe ich förmlich hören können. Die Pointe ist dir gut gelungen.

LG
Faber

[Cornelius]

Liebe Ottilie,

lieber Faber,

gewisse Bedenken hatte ich schon, ob dieses Gedicht so ankommen würde, wie ich es gemeint habe. Deshalb freue ich mich ganz besonders über eure Kommentare...

Schönen Abend (und noch viele weitere) wünscht
Cornelius