auf Station

[Seemann]

auf Station

Der trug sein Hemd drei Wochen lang
so gelb sein Kot im Sanitär
so schwarz sein Bein
bei Süßgeruch der Abfluß nimmt Papier
Fusel im Kaffee und Paracetamol
es legt sich Erde ins Gemüt
und träumt von nackten Schenkeln

Das Loch im Hals bedeckt ein rotes Tuch
die Stimme blieb im Asphalt auf der Strecke
man schrieb Worte die wie Klagen klangen
und Tränen rinnen männlich ins Menthol
ein warmer Wind lässt Lachen frösteln
es ehret den Doktor der sichere Schnitt
die Wunde ist drainiert

Per Sonde wird der Darm beleuchtet
Wundsekret schnell abgesaugt
Salzgebäck und Salbeitee
so heilt man Schluckbeschwerden
mit schnellen Schritten kreuzt ein Notfall die Routine
ein Rad am Bett quietscht fip fip fip
der Teddy liegt im Gang

Nur Lächeln wird dem Schmerz geschenkt
bein Waschen baumelt goldenes Kreuz
aus mild gebräunter Brust
ein Vaterunser dient als Brotaufstrich
durch den Katheder dringt auch heiße Luft
es weht ein Duft von Kompost durch den Raum
von frisch gemähtem Gras

und Nachts wenn alles schläft
da stauen sich Sekrete und Angst geht um
der Tropf ist leer gelaufen
ein alter Herr auf Filzpantoffeln
der schlurft zum Schwesternzimmer
zitiert ein Vers von Schopenhauer
und nässt sich langsam ein

[Richard L.]

Das ist beeindruckend gut, Seemann. Ein Favorit.

Grüße aus der Nachbarschaft HA!

Richard

[Yellow]

Sehr atmosphärisch. Klasse Gedicht.

Liebe Grüße
Yellow

[Seemann]

Hallo Yellow! Hallo Richard!
Vielen Dank für die Zustimmung,- es sind Zeilen bei denen ich lange mit mir gerungen habe sie so zu Papier zu bringen. Mit einer maligen Krebsdiagnose sind es Gedanken und Erlebtes beim Gang durch die Abschnitte,
- vorpandemisch, aus heiterem Himmel...aber sie halfen enorm...und so entstand fast ein ganzer Zyklus...den ich hier weiter vorstellen werde...unterm Strich...alles ward gut und ich werde der Welt noch eine Weile erhalten bleiben...stay safe out there...liebe grüße Seemann