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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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10.09.2012, 00:04 | #1 |
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Dinner for two
Ich stell dir gern das Essen hin,
doch warn ich dich: Ich bin Hartz Vier. Vielleicht ist’s ja ein Lustgewinn für dich, zu mampfen wie ein Tier. Pro Tag gönnt mir dafür das Amt Drei Komma Vierundsiebzig Euro. Die hau ich für uns allesamt jetzt auf den Kopf, pfeif auf den Teuro. Pasta von Aldi gibt es heut mit etwas Emmentaler Kas. Ich weiß, mein Schatz, wie dich das freut, so beißt du erst mal nicht ins Gras. Als Nachtisch rühr ich Pudding an mit H-Milch, so etwas von lecker. Aus Plastikflaschen gibt es dann zwei Bier mit Waffelbruch vom Bäcker. Bist du dann satt, so ruh dich aus auf meiner weichen Schaumstoffmatte und fühl dich grad so wie zu Haus bei mir und meiner grauen Ratte. |
10.09.2012, 01:57 | #2 |
Hallo Rosenblüte,
ein Dinner for Two der etwas anderen Sorte, auch wenn ich nicht ganz verstehe was an "Pasta von Aldi und Emmentaler Kas (Käse?) so schlecht sein soll.
LG Perry |
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10.09.2012, 09:19 | #3 |
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Hallo Perry,
nö, so schlecht ist es nicht. Aldi ist halt ein Billigladen. Allerdings werden bei uns so viele Nudeln verkauft wie nie zuvor, weil sie nicht viel kosten. Nichts gegen Nudeln, sie sind ja an sich nicht ungesund. Aber sich fast ausschließlich davon zu ernähren erscheint mir doch recht einseitig. Das LI serviert auch nur Nudeln ohne Sauce, mit etwas, also nicht viel Käse (umgangssprachlich: Kas). Ein doch recht armseliges Mahl. Lieben Gruß Rosenblüte |
10.09.2012, 09:39 | #4 |
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Dinner for two
@Rosenblüte
Es gibt noch immer Vorstellungen, mit dem Almosen vom Amt könne man zwar nur billig leben, dennoch aber leben. Praktisch passiert es aber, dass gerade die Mittagsmahlzeit (sofern nicht Kinder vorhanden sind) einfach eingespart wird. Ersatz sind dann Stullen oder als Festmahl ein exquisites Bratei mit Ketchup (falls vorhanden). Zum Text selbst: Er geht sarkastisch-ironisch zur Sache. Er ist gut gereimt, metrisch stimmt alles, er bedient sich der Alltagssprache, wie es dem Sujet angemessen ist. Er ist rundherum stimmig. Als Kritik ist er mir persönlich zu brav, das stille Einfügen in die Gegebenheiten ist aber realistisch. Nitribitto |
10.09.2012, 10:56 | #5 |
Hallo Rosenblüte,
natürlich ist ein Leben am Rand der bzw. der Unterseite der Gesellschaft auf die Dauer nicht "schön", es gibt sicher noch Schlimmeres, aber will da abwägen.
Konstrutiv bin ich bei lyrischen Texten auch für eine einheitliche/durchgehende Bildebene, aber thematisch könnte der Text durchaus gewinnen, wenn er darüber hinaus weitere Blickfelder wie das Aufbämen und Scheitern des Individuums öffnen würde. So verharrt er etwas zu sehr in der Schilderung der "Sozialromantik." LG Perry |
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10.09.2012, 13:18 | #6 |
Ich seh hier überhaupt keine "Romantik".
Dafür in gerütteltes Maß an Galgenhumor, der mir natürlich total entgegenkommt. Dazu noch toll geschrieben und gereimt - gefällt mir gut! LG Persephone |
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10.09.2012, 13:45 | #7 |
Hallo Persephone,
deshalb habe ich die "Sozialromantik" ja auch in Anführungsstriche gesetzt.
LG Perry |
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10.09.2012, 13:55 | #8 | |
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Hallo ihr Lieben,
Zitat:
Nein, Sozialromantik ist es gewiss nicht, die ich hier schildere. Das Gedicht ist als Satire gedacht. Es behandelt nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Leben eines Hartz-IV-Empfängers. Es ist entstanden, als ich das Gutachten las, in dem die neuen Hartz-IV-Sätze ermittelt und begründet wurden. Mir drehte sich der Magen um. Der erhobene Zeigefinger ist aber nicht so meine Sache. Der Text ist, wie ich finde, eindeutig genug. Mag jeder unserer vernunftbegabten Spezies selbst seine Schlüsse daraus ziehen. Ich danke euch. Liebe Grüße Rosenblüte |
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10.09.2012, 15:39 | #9 | |
Zitat:
jede "vernunftbegabte" Spezies, die noch nie so tief gedemütigt, entwürdigt, schikaniert, drangsaliert und demoralisiert worden ist, wie der unsägliche und menschenverachtende Skandal schon beim Antrag anfängt, sich bei den zuständigen Behörden gesteigert fortsetzt und massiv auf den Lebensalltag weit unterm Existenzminimum niederschlägt, einhergehend mit gesellschaftlicher Ächtung und Bezichtigung, die noch zusätzlich von widerwärtigen Hetzkampagnen a la Bild Zeitung angeheizt wird... ist schlicht und ergreifend zu ignorant, stumpfsinnig und blöd, um Dein eindeutiges Gedicht an sich heranlassen zu können. So schaugt des aus. Desperado |
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10.09.2012, 19:45 | #10 |
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Leider, lieber Desperado, ist es so wie du es schilderst. Dass man kaum die Möglichkeit hat, sich gesund und ausgewogen zu ernähren, dass man am Existenzminimum dahin vegetiert, ist das Eine. In dem Gutachten wurden sogar Kosten für die chemische Reinigung für Klamotten abgelehnt mit der Begründung, Hartz-IV-Empfänger hätten eh keine hochwertige Kleidung, die der Reinigung bedürfe!
Ebenso schlimm, wenn nicht schlimmer, ist jedoch die Diskriminierung Arbeitsloser. Nicht nur, dass ihnen die Schuld an ihrer Situation in die Schuhe geschoben wird, nein, den Bürgern, denen es selbst zunehmend schlechter geht, kommen die Arbeitslosen als Sündenböcke gerade recht. Aufgehetzt von der Springer-Presse und gewissenlosen Politikern à la Sarrazin trampeln sie auf ihren Mitmenschen rum, die eh schon ins soziale Abseits geraten sind und weiß Gott genügend Probleme haben im Überlebenskampf. Nicht die Arbeitslosen sind würdelos, sondern das, was sich öffentliche Meinung schimpft. Lieben Gruß Rosenblüte |
11.09.2012, 09:19 | #11 |
Hallo Rosenblüte!
Die Grundthematik H4 – wenn hier auch nur aus einer speziellen Perspektive beleuchtet - ist Dir im Prinzip gelungen. Mir missfällt jedoch der - von mir vermutete - Zusammenhang zum Discounter Aldi, als ausschließliche Konsumquelle für H4-Empfänger, nicht wirklich. Die Wertung „billig“, die in diesem Zusammenhang oft zum Tagen kommt, impliziert im allgemeinen indirekt mindere Qualität. So gibt es durchaus Menschen aller Gesellschaftsschichten, die 1. günstig und 2. dennoch qualitativ hochwertige Lebensmittel – bei zum Beispiel Aldi – für kleines Geld einkaufen können. Wenn metrisch auch einwandfrei, finde ich den Text vom Tenor her - satirisch klingen zu wollen - nicht hinreichend erarbeitet. VG Pitti |
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11.09.2012, 09:32 | #12 | |
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Hallo Pitti,
nun ja, so hat Aldi nun auch profitiert: durch kostenlose Werbung. Habe übrigens neulich zufällig im Fernsehen gesehen, wie Aldi-Produkte getestet wurden. Die Lebensmittel schnitten nicht so gut ab, die Non-Food-Produkte dagegen schon. Aldi steht hier nur stellvertretend für alle Discounter. Zitat:
Ich bin grundsätzlich der Meinung, man sollte einen Text nicht überfrachten. Lieber einen Aspekt aufgreifen, weitere in anderen Gedichten bearbeiten. Lieben Gruß Rosenblüte |
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11.09.2012, 09:45 | #13 |
R.I.P.
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Halli Hallo, Rosenblüte -
eigentlich wollte ich nicht kommentieren, mach das aber jetzt wie üblich kurz und knapp: Ich finde das Gedicht überhaupt nicht satirisch. Es ist sehr gekonnt lakonisch* und das ist ein himmelweiter Unterschied. Ändern würde ich g a r nichts. Lieben Gruß von Thing *Als lakonisch (griech. λακωνικός lakōnikos, lat. laconicus) wird eine knappe, aber treffende, trockene, schmucklose Ausdrucksweise bezeichnet. |
11.09.2012, 10:14 | #14 | |
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Zitat:
Lieben Gruß Rosenblüte |
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11.09.2012, 11:05 | #15 | ||
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Ich werte den Text als Protestnote. Die Schilderungen kommen sehr plastisch herüber. Man kann es gelten lassen.
bG Bane Zitat:
Zitat:
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11.09.2012, 11:15 | #16 |
11.09.2012, 11:27 | #17 |
R.I.P.
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Ja, das ist mir im Nachhinein auch aufgefallen.
Aber, wie geschrieben, ich halte es nicht für eine Satire. Es ist Realität. Noch nicht einmal überspitzt. Lassen wir Rosenblüte "urteilen". Lieben Gruß von Thing |
11.09.2012, 11:38 | #18 | |
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Zitat:
Dafür ist es mir allerdings auch etwas zu dünn. bG Bane |
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11.09.2012, 11:39 | #19 |
Hallo, Rosenblüte,
wie Thing, Pit und Bane sehe ich dieses Gedicht auch nicht als Satire an, dafür ist es meiner Meinung nach nicht scharf genug. Der Ausdruck "lakonisch" trifft es wirklich besser. lg simbaladung |
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11.09.2012, 11:48 | #20 |
Forumsleitung
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Wenn ich täglich in der Zeitung lese (und nach Schulende selbst im Supermarkt beobachten kann), daß schon Kinder sich mit - scheinbar - billiger Fast Food vollstopfen und immer dicker werden, kommt mir Aldi als Ziel der Billigschelte übertrieben vor. Niemand ist gezwungen minderwertige Ware zu kaufen, solange es Vergleichsprodukte gibt. Nach dem ersten Probieren weiß der Verbraucher, ob er mit einem Produkt zufrieden ist oder nicht, und die meisten gehen ohnehin danach, ob - im Falle von Lebensmitteln - es geschmeckt hat oder nicht.
Es bleibt dem Kunden gar nichts anderes übrig, als zu testen und die Produktbeschreibungen zu lesen. Aldi ist einer der wenigen Anbieter, wo ich ohne Schwierigkeiten Dosensuppen ohne Glutamat oder Hefeextrakten bekomme. In einem "normalen" Supermarkt muß ich das doppelte für eine Suppe von Lacroix ausgeben, weil das einer der wenigen Anbieter ist, die ohne Geschmacksverstärker arbeiten. Und was das Weinangebot von Aldi angeht, gibt es dort Spitzenprodukte. Zum Beispiel bietet Aldi einen Kalifornischen Cabernet (Burlwood) für Euro 2,79 an, den das Hanseatische Weinkontor mit exakt der gleichen Etikettierung vor etwa zwei Jahren zum dreifachen Preis im Programm hatte. Mit Verallgemeinerungen kommt man hier also nicht weiter. |
11.09.2012, 11:51 | #21 |
R.I.P.
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Abgesehen davon, daß die wenigsten Arbeiter - gleich welcher couleur - Zeit für ein wirkliches Mittagessen haben.
Ich z.B. hatte meine belegten Brote und Tee von daheim dabei. Das hatte aber mit den Preisen nichts zu tun. |
11.09.2012, 12:05 | #22 |
Forumsleitung
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Für Lebensmittel brauche ich am wenigsten Geld.
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11.09.2012, 12:13 | #23 |
Das Gedicht kommt mir bekannt vor.
LG gummibaum |
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11.09.2012, 12:43 | #24 |
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Dinner for two
@Rosenblüte
Du hast dir Mühe gegeben, das Thema aufzugreifen, und du siehst, alle, die damit vermutlich kaum oder gar nichts zu tun haben, äußern sich. Irgendwie scheint es allen klar zu sein, dass irgendwas in diesem Lande nicht stimmen kann. Nur, was ich nicht verstehe: Wieso kommst du ausgerechnet mir mit dem Zeigefinger? War schon mal etwas in dieser Richtung, da hast du einfach vorausgesetzt, ich würde in irgendwelchen Zusammenhängen Zwang anwenden. Nun werde mal nicht zum Opfer deiner Phantasie und stell irgendwelche Vorstellungen als Tatsache hin. Der einzige Zwang, den ich anwenden würde, wäre nämlich der, einen Menschen dazu zu bringen, einfach mal seine graue Masse zu aktivieren. Denn daran fehlt's leider im Revier. Das ist aber auch alles an "Zwang". Nitribitto |
11.09.2012, 12:45 | #25 |
R.I.P.
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11.09.2012, 19:38 | #26 |
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Lieber gummibaum, du hast leider recht! Ich hatte es schon mal gepostet. Ist mir aber jetzt erst aufgefallen. Es tut mir leid!
Liebe Ilka-Maria, "Aldi" steht stellvertretend für alle Billigläden. Ich hätte auch "Netto", "Lidl" oder "Penny" schreiben können. Aber nun genug der Schleichwerbung. Liebe Nitribitto, der "erhobene Zeigefinger" bezog sich nicht auf deine Gedichte, sondern auf meine, in denen ich versuche, ihn zu vermeiden. Naja, vielleicht ist es tatsächlich keine Satire. Aber was ist es dann? Eine Realsatire vielleicht? Lakonisch, ja, das ist es, aber dieses Adjektiv bezeichnet ja keine literarische Gattung. Wikipedia erklärt mir jedenfalls: "Es gibt annähernd so viele Bestimmungen der satirischen Schreibweise, wie es Satiriker gibt, und keine Bestimmung trifft auf die Gesamtheit der Satiren zu. Ihre Gegenstände, Mittel und Funktionen wandeln sich im Laufe der Geschichte. Es ist daher unmöglich, sie scharf von der Komik, der Parodie und der Polemik zu trennen." Liebe Grüße Rosenblüte |
11.09.2012, 19:47 | #27 |
Hallo, Rosenblüte,
was hältst du von dem Begriff "Alltagslyrik", passt der nicht besser? lg simbaladung |
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11.09.2012, 19:53 | #28 |
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Hallo simbaladung,
würde grundsätzlich schon passen. Aber darin fehlt mir das tragigkomische Element. Muss denn Satire immer explizit sein und zum Rundumschlag ausholen? Darf sie nicht subtil sein? Lieben Gruß Rosenblüte |
11.09.2012, 20:22 | #29 |
R.I.P.
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Doch, Rosenblüte.
Deswegen geht sie eine gute Verbindung mit der Lakonie ein. Auch ein Augenzwinkern ist nicht untersagt. Obwohl ich keins sah. Bittere Armut gibt es auch bei uns. Aber sie wagt sich nicht an die Öffentlichkeit, weil ihr die Armut als selbstverschuldet angelastet wird. (Geh doch arbeiten, Du Faulenzer!!!) Liebe Grüße von Thing |
11.09.2012, 20:47 | #30 |
Forumsleitung
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Ich kenne dafür den Begriff "Gebrauchslyrik", und ich könnte Dich, Rosenblüte, sehr gut in die Reihe von Kaléko, Gernhardt, Erhardt und Gleichgesinnten einreihen - kein Problem. Ich sehe mich auch in dieser "niederen" Gattung angesiedelt, die eher das Alltägliche als das Sublime im Auge hat. Deswegen meine ich, in Deinem Gedicht auch weniger bissige Satire, sondern vielmehr einen heiteren Zynismus zu erkennen nach dem Motto: "Wir leben noch - und niemand kann daran etwas ändern!"
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11.09.2012, 20:58 | #31 | ||
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Lieber Thing,
Zitat:
Lieben Gruß Rosenblüte *** Liebe Ilka-Maria, Zitat:
Lieben Gruß Rosenblüte |
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