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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten. |
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03.06.2008, 15:07 | #1 |
Das Laub fiel im Herbst
Das Laub fiel im Herbst
Zu Boden, um zu sterben, Um zu verfallen, damit Leben Neu kann erstehen, werden. Die Bäume trauern um Jedes Blatt eine Träne, Die den Boden tränkt, drum Das Leben Wasser trinkt. Der Tod fiel wie ein Beil, Das Leben wie der Phoenix Aus der Asche schlagen Flammen, weil Das Laub fiel im Herbst. ------- Ursprünglich als Experiment gedacht ist es schließlich zu eines meiner Lieblingsgedichte mutiert. Das Einzige, was mir nicht ganz so gefällt ist die dreimalige Wiederholung dieser bestimmten Zeile. Aber die besteht jetzt schon so lange, dass ich mich daran gewöhnt habe... Aber vielleicht fällt euch ja noch ein anderer Titel ein. |
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03.06.2008, 16:51 | #2 |
Hallo sevenmoons,
dein Gedicht scheint schon etwas älter zu sein, wenn du schreibst, dass es mit der Zeit zu einem deiner Lieblinge geworden ist und du dich auch an die besagte Zeile „gewöhnen“ konntest. Jetzt steht es hier, um möglichst besprochen zu werden, und grade bin ich drüber gestolpert. Überlegt hab ich schon kurz, ob ich rangehe, auch ob des Zusatzes, aber in der Vorstellung hab ich dann gesehen, dass du nicht erst seit gestern schreibst und auch Kritik erwünscht ist. Worin das Experimentelle des Textes bestehen soll, sehe ich noch nicht ganz, aber vielleicht erschließt sich auch das noch im Bezug nehmen auf die Struktur oder so. Mich als Fremde hat der Text im Grund, den Bildern und der sprachlichen Umsetzung noch nicht überzeugen können. Für’s Warum noch mal die Einzelstücke: Das Laub fiel im Herbst Zu Boden, um zu sterben, Um zu verfallen, damit Leben Neu kann erstehen, werden. … Das Bild beginnt deinen Zirkel also im Herbst, der Jahreszeit, die gemeinhin mit Sterben assoziiert wird, zumindest der spätere. Inhaltlich ist die erste Strophe ein sehr alter Hut, in Bild und Umsetzung leider für mich auch. Ich hab überlegt, ob ich die Bildkritik an der Dichte festmachen kann diesmal, gelingen will’s aber nicht richtig. Du bietest ein eingedampftes Bild aus einem Assoziationshintergrund, Leben und Sterben in wenigen Zeilen und Bildern. Es scheint mehr daran zu liegen, dass du sehr im Konkreten verhaftet geblieben und damit einzelne Bilder zu sehr ausgewalzt hast. Verdichteter Inhalt als Anfangsknüpfstrang des Zirkels ist da, aber sprachlich ist es für mich sehr hubbelig und teils redundant umgesetzt. Für so ein kleines Stück ist das manchmal fatal. Da ist z.B. schon der Eingang „Das Laub fiel im Herbst / zu Boden“. Denk ich mir als Leser: jo, Laub fällt halt im Herbst, und natürlich zu Boden. Wohin sonst? Mit V3/4 beginnst du eine Personifizierung der Naturbilder, und dass das missfällt, mag an der Stelle Geschmackssache sein. Auf mich wirkt vor allem das „um zu verfallen, damit Leben / neu entstehen kann, werden“ teils zu sehr in einem Bewusstsein verhaftet und daher überladen, künstlich aufgepolstert und teils romantisiert. Auch in den angesprochenen Versen sehe ich wieder die Redundanz als problematisch. Wenn ich herbstrieselnde Blätter serviert bekomme als Leser, gehe ich meist schon von Verfall- und Sterbensthematik aus, so dass das Erwähnen des Verfalls eher ermüdend wirkt. Was das Sprachliche betrifft, hakt es vor allem in eben jenen V3/4, da die Syntax verschwurbelt und unnatürlich wirkt, samt der Spachmelodie. Einserseits ganz passend zum harten Bruch der Sterbensbilder, andererseits konternd zu den natürlichen Vorgängen, die im Zirkel liegen. Das leicht assonant angehauchte „werden“ sitzt wohl ebendarum dort, um dem „sterben“ aus V2 als Assonanz zu dienen, wobei die Vokallänge einen Teilstrich durch die Rechnung macht. Die Bäume trauern um Jedes Blatt eine Träne, Die den Boden tränkt, drum Das Leben Wasser trinkt. … Hier hast du die Personifizierung weiter ausgebaut und um die weithin assoziierte, „automatische“ Trauer, die dem Sterben anhängt, angereichert und aufgeladen. Mag dem Bild und der Stimmung in eine ganz bestimmte Richtung dienlich sein, zumal ich hier Regentropfen nicht automatisch mit Tränen verknüpft hätte, aber es bleibt: die Personifizierung ist mir hier zu süßlich (trotz der Trauer) und deshalb hier nicht meins. Was nicht ganz ersichtlich ist, ist der Umbruch von V1 zu V2. Ich seh, dass er wohl gesetzt wird, damit V2 eben auch als Sinneinheit allein stehen kann, aber da V1 es nicht kann, ist das Enjambement sehr vorhersehbar und bringt mich nicht dazu, es zweimal zu lesen oder Bedeutungsschattierungen in beiderlei Richtungen zu suchen. Ebenfalls unschön liest sich mir die Inversion in V4, inklusive dem Anschluss, den du ihr durch das Finalwort in V3 verpasst hast. „Drum“ dient ja nicht zuletzt einer Begründung; wenn du noch mal liest, in der Version „[…] den Boden tränkt darum/ das Leben Wasser trinkt“ wird der Stolperstein vielleicht augenfälliger. „Aus diesem Grund trinkt das Leben(?) Wasser“, damit ist der gewünschte Bezug zum Teil zerschnitten, weil es sich nicht um das Wasser handeln muss, das im Vorvers eingeführt wird. Es kann alles mögliche Wasser sein, wird nur durch eine Art Mini-Kausalkette eingeleitet. Was das noch verstärkt, ist das Bild des Blattes, das die „Tränen“, Wassertropfen stellt. So wird das Wasser wieder rausgekippt und bleibt erstmal unverortet, weil das Leben/die Erde nicht die Blätter trinkt. Trotzdem trinkt die Erde Wasser, welches auch immer. Der Tod fiel wie ein Beil, Das Leben wie der Phoenix Aus der Asche schlagen Flammen, weil Das Laub fiel im Herbst. … Im Letzten brechen nun die Bildwelten auseinander. Anfangs lag der Zirkel ja begründet im langsamen Verwesen, Kompostieren und neu Nähren, nun fällt plötzlich „der Tod“ „wie ein Beil“. Darunter kann ich mir erstmal nichts vorstellen. Was ist in deinem Sinne „der Tod“ im Rahmen der Naturbilderwelt? Der erste Frost? Warum taucht das Bild nicht auf? Und dann gibt es den Phoenix, Feuervogel aus der Asche, aber „das Leben fiel wie der Phoenix“. Wo ich grade noch im Wald war, geht nun ein Feuervogel darnieder? Die letzten Instanzen brechen hart in den Gesamttext ein und sind auch im der Rhythmik weniger innerstrophlich verschachtelt als in den Vorstrophen. Was hat Asche und Flamme damit zu tun, dass im Herbst das Laub fiel? Was ich daraus verstehen kann, ist, dass der Phoenix nur deshalb die Feuerschwingen wieder ausbreiten kann, weil im Herbst das Laub fiel und Platz für neues Leben geschaffen hat. Aber der Nährboden ist ein anderer, und in der letzten Zeile kehrst du nicht mehr zurück in die Asche, aus der der Phoenix sich hebt, sondern auf den alten Waldboden zurück. Die Bilder passen nicht gut zueinander, auch, wenn ersichtlich wird, worum es dir in V3/4 hier geht. Also, meinerseits erstmal kein Begeisterungssturm. Die Idee halte ich nicht für so bildkonsequent & innovativ umgesetzt, zumal dieser Zirkelgedanke schon so unheimlich oft da war und schon origineller ausgestattet und gewandet daherkommen müsste, mit vielleicht ein, zwei neuen Aspekten, mögen sie vielleicht auch klein sein. Sprachlich und inhaltlich bleibt auch der Redundanzgedanke, strukturell eben die teils verquaste Grammatik und in meinen Augen nicht stützende Konstruktion. Funktionen habe ich für die besonderen Setzungen bislang nicht sehen können, wenn auch zwischendurch mal gesucht, ob es evtl. ein Akrostichon aus ausgewählten Monatsnamen oder so sein soll, in Kalenderfolge. Also: hat mich nicht angesprochen & überzeugt.. Aber hoffentlich wird so ersichtlich, warum. Soweit, erstmal frohe Werks- und Freudenstunden im Poetry, VG r~~~ |
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03.06.2008, 18:48 | #3 | ||||||||
hi blaue Raupe,
Danke für deine offenen Worte. Du hast Recht, es ist schon ein etwas älteres Gedicht. In ihm habe ich zum ersten Mal bewusst Enjambements verwendet, um die dadurch vermittelte Vergänglichkeit kontrastiv gegenüber die im Text thematisierte Neugeburt zu stellen. Auch das Bild der fallenden Blätter gebrauchte ich in ihm zum ersten Mal. Dabei faszinierte mich, dass der Tod der Blätter zum Leben späterer Pflanzen beiträgt. Als eigene neue Erkenntnis gewinnt der Gedanke an Wert, weshalb ich ihn wohl so ausführlich in der ersten Strophe behandelt habe. Zitat:
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Ich habe das Gefühl, dass du jedoch die zweite Strophe etwas missverstanden hast, zumindest in meinem Sinne: Das Motiv der Trauer ist klar, doch haben Regentropfen nichts damit zu tun (obwohl der Ansatz auch passend ist, aber eigentlich nicht beabsichtigt). Die Bäume trauern um die Blätter, während sie gleichzeitig die Blätter als Tränen weinen. Das war eigentlich die Aussage, die durch den Zeilensprung und Satzzerstückelung zustande kommen sollte... Die Tränen fallen zu Boden und bilden eine Humusschicht als Grundlage für neues Leben, genauso wie Wasser (eine Unterstreichung der Verknüpfung zwischen Blätter und Tränen). Das "drum" ist auch als Begründung gedacht. Ich habe auch etwas drüber nachdenken müssen, ob ich diesen meinen ersten Gedanken, tatsächlich zu Papier bringen sollte. Habe es dann aber doch getan, da ich diesen Denkansatz interessant fand: Das Leben benötigt Wasser, weil es da ist, weil es jedes Jahr immer wieder kommt (sei es nun durch Regen oder im herbst durch die Blätter). Aber ich gebe zu, dass es wohl für einen Leser sehr an den Haaren vorbei gezogen vorkommen muss. Es ist eben ein altes Gedicht und ziemlich eng mit meinen Vorstellungen verknüpft. Somit eignet es sich wohl auch nicht als "richtiges" Gedicht, das gezielt einen Gedanken oder ein Gefühl vermittelt. Zitat:
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Ja, dein Standpunkt wurde ersichtlich und vielen Dank noch mal für deine Mühe. Liebe Grüße, sevenmoons |
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