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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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22.11.2016, 03:21 | #1 |
Dabei seit: 11/2016
Ort: Mainz
Alter: 28
Beiträge: 1
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Damals wirkte mein Vater auf mich... [Poetry Slam]
Damals wirkte mein Vater auf mich...
wie ein Superheld... Mein junges Ich hofft weiterhin immerzu, eines Tages auch nur im Bruchteil zu werden wie du. Denn du bist schneller als The Flash und stärker als Superman und weißt bestimmt auch selbst: ich bin dein Nummer 1 Fan. Denn du kennst immer die Antwort auf jede Frage, behälst einen kühlen Kopf in jeder Lebenslage und auch wenn es das Publikum hier bestimmt verwundert, du kannst sogar weiter zählen als bis hundert! wie ein Clown... Bitte, tu mir einen Gefallen und hör auf so peinlich zu tanzen, wenn du den Mund nur öffnest, möchte ich mich in meim' Zimmer verschanzen. Die unwitzigen Dad-Jokes kannst du für dich selbst behalten, ich meine: du bist eh der einzige, den sie unterhalten. Nein, hol mich nicht an der Schule ab - ich kann laufen, und hör doch auf bei der Familienfeier jetzt schon so viel zu saufen. Bei dieser Menge Alkohol kann ich euch allen jetzt schon garantieren, die nächsten 10 Minuten lässt er ein Best-of meiner peinlichsten Momente Revue passieren. wie ein Tyrann... Ja, mein Imperator - natürlich werde ich noch den Abwasch machen, sollte ich der Prinz des Hauses sein, klassifiziert man dich wohl als Drachen. Ich habe das schlimmste Leben aller Kinder dieser Welt, und außerdem bekommen alle meine Freunde mehr Taschengeld. Du sagst ich darf nur bis 10 feiern gehen, aber ich bin allen Situationen gewachsen, und außerdem bin ich 15 und damit quasi schon erwachsen. Du wirkst auf mich wie ein Diktator und dein Vertrauen gegenüber mir ist so gering, dass neben dir sogar Adolf Hitler wirken würde wie Martin Luther King. Wie ein langweiliger Schlipsträger... Jetzt schau dich an du Sklave des Kapitalismus, malochst immer noch im alten 9/5-Rhythmus und bist ein Abbild dessen, was ich nie war, bin oder sein werden. Und auch wenn du heute noch über meine Vorstellungen des Lebens lachst, Ich werde einmal all das tun, was du nie geschafft hast, ich werde mir auch den kleinsten Traum erfüllen, nachts betrunken durch die Straßen brüllen, und später einmal sagen: ja - ich habe mein Leben gelebt. Wie ein Bodyguard... "Ja, hi - ich bins. Du, sag mal, wie sieht das denn mit dem Geld für nächsten Monat aus? Ja, nein, meinst du du könntest das schon jetzt überweisen - so im Voraus? Nein, nein, nein, du weißt doch - die letzten Wochen waren so viele Feste... puuuh, danke dir, machs gut - du bist der beste!" Ich bin zwar weder Superstar, noch Präsident, aber hab trotzdem einen Bodyguard, welcher mir beim Date sein schönes neues Auto leiht für die Fahrt. Und während du in meiner mittlerweile demolierten Karre rumfährst und sie volltankst, ist Geld oder ein "Danke" das letzte was du von deinem eigen Fleisch und Blut verlangst. Und irgendwann mal wie ich selbst... Denn eines Tages - vielleicht weilst du schon nicht mehr unter uns, kehre ich dann zurück in die Heimat zum alljährlichen Trinken mit den Jungs. Komme nachts wieder nach Hause in Gedanken versunken, laufe gegen unseren alten Schrank - ich hab ja auch schon ein bisschen getrunken. Und hinunter fällt eine kleine Kiste, innen drin Fotos, Erinnerungen und eine To-Do-Liste. Ich entnehme der kleinen Box die alten Polaroid-Aufnahmen, größtenteils Bilder von dir mit mir unbekannten Damen. Aber auch: Du - betrunken mit deinen Freunden auf der Straße, Du - in deiner damaligen Punker-Phase, Du - mit Mama im vom Vater geliehenen Van, Du - verkleidet als Robin und Opa als Batman. Und mein junges Ich hoffte immerzu, eines Tages auch nur im Bruchteil zu werden wie du. Doch ich sah nur vor lauter Bäumen den Wald nicht: Ich war schon lange du und du warst auch ich. Fin. |
22.11.2016, 12:09 | #2 |
Dabei seit: 10/2016
Ort: in einem sagenhaften Haus
Alter: 42
Beiträge: 5.271
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Das ist ganz toll geschrieben. Authentisch und gut nachvollziehbar.
Eine wunderbare Hommage an einen Vater und jeder erkennt ,in so mancher Zeile, seinen eigenen. Und auch den eigenen Konflikt. Man kann sich seine lieben "Ellis" (Eltern) nun mal nicht aussuchen. Wichtig ist doch, was man daraus macht. Du hast ein wunderbares Gedicht daraus gemacht, mit ganz viel herauslesbarer Zuneigung und Bewunderung. Unar Bei der letzten Zeile kullerte dann doch ein Tränchen. Ich bin auch wie mein Vater. Stehtramplerisch, die alten Werte schätzend, unspontan und spießig. Als Kind fand ich das ganz langweilig, jetzt ist es gut so. Jetzt bin ich gut so. |
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vater poetry slam |
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