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Humorvolles und Verborgenes Humorvolle oder rätselhafte Gedichte zum Schmunzeln oder Grübeln. |
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13.11.2018, 13:48 | #1 |
Falten - Meditation über ein alt gewordenes Gesicht
Mein Antlitz prägte nie das Ebenmaß aus Samothrake.
Die Nase, immer schon zu groß, blieb sich darin stets treu. Pfirsichhaut hat nicht lang vertraut der Mär vom glatten Leben. Erzählt inzwischen, ungeschminkt, von prall gefüllten Jahren. Von Siegen, die zu viel gekostet, von Niederlagen, die mir Not getan. Von stillen Glücksmomenten, ganz umsonst zu haben. Von wirren Eskapaden, viel zu hoch bezahlt. Von glatten Straßen ohne Ankunft und weglosem zufrieden sein. Zum Weichbild will ich mir nicht glätten, die Runen meines Seins, die sich dereinst entfalten zum oft durchkreuzten Wort, das bleibt. |
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15.11.2018, 21:30 | #2 |
Hallo AlteLyrikerin,
aus deinen Zeilen spricht irgendwie so eine Milde dem eigenen Ich gegenüber, so eine Weisheit und Größe im Rückblick auf das gelebte Leben und in Aussicht auf die Vergänglichkeit. Ich mag deine tiefsinnige Art zu schreiben. LG Schnulle |
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15.11.2018, 23:09 | #3 |
Hallo AlteLyrikerin,
Ich teile Schnulles Eindruck! Gibt es den Ausdruck "Selbstmilde"? Ich verstehe diese Art Milde, die sich in deinem Gedicht zeigt, nicht in erster Linie als Milde sich selbst gegenüber, sondern als Milde, die aus einem Selbst erwächst, das wirklich gelebt hat und wissend auf die Welt blickt, als einen gereiften Charakterzug. Hat die Skulptur der "Nike von Samothrake" vielleicht zuviel gesiegt und dabei ihren Kopf verloren? Du nicht! Liebe Grüße Flocke __________________________________________________ ___________ Ps (https://de.wikipedia.org/wiki/Nike_von_Samothrake) |
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16.11.2018, 11:54 | #4 |
Hallo Schnulle, hallo Flocke,
erst einmal herzlichen dank für Eure so positiven Rückmeldungen. Nun geht Ihr in Euren Kommentaren auch auf den Inhalt des Gedichtes ein. Eine schöne Wortschöpfung "Selbstmilde", aber die Psychologie spricht eher von Selbstannahme. Sich selbst annehmen können, mit allen Brüchen, Versagenserlebnissen und mit der Tatsache vielfach schuldig geworden zu sein. Das Gedicht ist ja nur eine Momentaufnahme, es sagt kaum etwas, wie der nun "weise" wirkende Zustand erreicht wurde. Das geht oft erst über einen langwierigen, schmerzlichen Prozess. Mir ging es in dem Text um folgendes: Gegen den Jugendwahn anschreiben. Gegen eine gesellschaftliche Entwicklung, die nach dem assistierten Suizid schreit. Das Alter kann auch schön sein! So ein Text transportiert immer mehr noch als man ihm bewusst mitzugeben meinte. Ich freue mich sehr, dass Ihr darin etweas gefunden habt. Herzliche Grüße, AlteLyrikerin. |
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16.11.2018, 13:36 | #5 | |
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Beiträge: 697
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Hallo AlteLyrikerin,
Zitat:
Ist das denn so? Ich meine, gibt es den gesellschaftlichen Ruf nach assistierten Sebstmord. Das soll keine rhetorische Frage sein, sondern ich frage, weil manches an mir vorübergeht. Ich gehe bisher davon aus, dass in einer Gesellschaft, in der Medizin Segen und Fluch zugleich ist, Menschen mit Ängsten konfontriert werden, bei Krankheit und Alter nicht die Kontrolle darüber zu haben, in wie weit sie ihr Leben beenden oder enden lassen können, wenn es tatsächlich zur reinen Qual geworden ist, derjenige aber nicht mehr in der Lage ist oder zur reinen Qual werden wird, sein Leben zu beenden. Das ist ein schwieriges Thema, was keine allgemeingültige Lösung zulässt. Dass es den Ruf nach unterstützten Suizid gibt, weil sich jemand hässlich, unnütz und nicht mehr auf dem Höhepunkt seiner Kraft fühlt, habe ich noch nicht wahrgenommen, was nicht heissten muss, dass es das nicht gibt. LG, Serpentina |
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16.11.2018, 13:46 | #6 |
Hallo Serpentina,
ja, das gibt es, wie ich aus meiner ehrenamtlichen Hospizarbeit weiß; oder denk nur an gesetzliche Regelungen wie z.B. in Holland bzw. Belgien. Aber ich denke, das geht über die Kommentierung eines Gedichtes hinaus. Wenn du magst können wir einen eigenen thread dazu aufmachen. Herzliche Grüße, AlteLyrikerin. |
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16.11.2018, 13:54 | #7 |
In der vermeintlichen Unvollkommenheit Perfektion zu sehen, oder zu vermitteln,
rein Kunst psychologisch betrachtet, oder gar alles als Vollkommen zu betrachten, das geht wirklich über eine Kommentar und Kritik/Lob - Plattform hinaus. Habe Dein Gedicht gerne gelesen und mich Deiner Worte, die eine Schwerkraft bilden, ergeben Grüße, Denis |
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16.11.2018, 14:02 | #8 |
Hallo Denis,
herzlichen Dank für Deine freundliche Rückmeldung, übr die ich mich gefreut habe. Dir noch ein schönes Wochenende, AlteLyrikerin. |
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16.11.2018, 14:09 | #9 |
Dabei seit: 07/2015
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Beiträge: 5.497
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Hab ich doch recht gehabt. Du hast mich an eine ausm Medirationszentrum erinnert. Und genau bei sonem Thema warmer Letzt mA.
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16.11.2018, 14:41 | #10 |
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Hallo AlteLyrikerin,
ah, ich vermute du meintest mit gesellschaftlichen Ruf eine Sterbehilfelobbie und die Gefahr einer ungenügenden Regelung, so dass Menschen, anstatt in ihrem Dasein und Leid unterstützt zu werden, schneller dazu veranlasst werden, sich aus zu rangieren Eine Extrathread brauchen wir von mir aus nicht, es sei denn es wäre dir ein Anliegen, das weiter zu diskutieren. Mir war nur nicht klar, was du mit gesellschaftlichen Ruf meintest und ich denke, ich weiss aus welchem Verständnis heraus du das geschrieben hast. Ich bin in der Hospizarbeit zwar nicht aktiv, ich hatte aber schon über Seminare Berührung mit ihr und habe grosse Achtung vor einer Lebenseinstellung, die dem Menschensein zugewand ist und den Menschen nach Möglichkeit in seiner Ganzheit unterstützen möchte. Lg, Serpentina |
16.11.2018, 15:07 | #11 |
Hallo Serpentina, hallo Dr.Frankenstein,
nochmals herzlichen Dank, dass Ihr Euch mit meinem Text auseinandergesetzt und eure Gedanken mit mir geteilt habt. Ein schönes Wochenende wünscht, AlteLyrikerin. |
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04.10.2019, 08:35 | #12 |
abgemeldet
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Hallo AL,
dass Gedicht ist wunderbar formuliert und sprachlich sehr fein ausgearbeitet. Ohne dabei, dass die Klage ins Verschwurbelte abrutscht, aber romantisch und poetisch genug, um den hohen Ansprüchen eines sehr guten Dichtwerks gerecht zu werden. Hier bedarf es auch keiner Korrektur der Metrik oder der Korrektur, der Füll- und Streckwörter. Wundervoll :-) In dem Forum gibt es tatsächlich noch gute Dichter! Ich bin positiv überrascht. Außerdem empfinde ich die gewählte Form für sehr ansprechend, aber auch herausfordernd. Sprachlich ist das Gedicht ein Hochgenuss! Ich danke Dir dafür. Schön auch, dass hier Samothraki ins Spiel gebracht wurde. Geändert von Ex-frankaaimy (04.10.2019 um 11:21 Uhr) |
04.10.2019, 11:49 | #13 |
Hallo frankaaimy,
herzlichen Dank für Deinen Besuch. Es freut mich, dass der Text Dir so ausnehmend gut gefallen hat. Noch viele schöne Entdeckungen hier im Forum wünscht Dir, AlteLyrikerin. |
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07.10.2019, 11:45 | #14 |
Wer bin ich?
Liebe Lyrikerin,
wenn man sich so betrachtet kommen Gedanken. Soll man es dabei belassen, soll man es bearbeiten oder hinnehmen.
Ein gedankenvolles Gedicht über Selbstbetrachtung. Herzliche Grüße -ganter- |
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07.10.2019, 12:20 | #15 |
Herzlichen Dank, lieber ganter,
für die Mitteilung Deiner Lesart! Ja, beim Blick in den Spiegel geht es immer auch um die Frage "wer bin ich" und letztlich um die Kunst der Selbstannahme trotz vieler Brüche in der Existenz. Herzliche Grüße, AlteLyrikerin. |
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07.10.2019, 12:59 | #16 |
abgemeldet
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servus -
abgesehen von der ästhetik der aussagen bräuchte ich eine erklärung zu SAMOTHRAKE, weil ich das nicht verstehe. was - wenn du die insel meinst - hat es mit dem altern menschlicher züge zu tun und was - wenn du NIKE meinst - was hat es mit der gesichtslosen statue zu tun? danke und vlg r |
07.10.2019, 13:05 | #17 |
Lieber Ralfchen,
Du vermutest richtig, dass die Verse eine Anspielung auf die Nike von Samothrake enthalten. Das griechische Schönheitsideal, wie es durch antike Statuen überliefert worden ist, steht damit als Ebene für einen ironischen Vergleich zur Verfügung. Dass der Kopf der Nike gar nicht wirklich für einen Vergleich existiert, ist ein zusätzlicher Witz, den ich mir erlaubt habe. Die heutigen Schönheiten, unter dem Messer der Chirurgen "gereift", vergleichen sich meiner Ansicht nach eben auch mit Chimären. Herzliche Grüße, AlteLyrikerin. |
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07.10.2019, 13:19 | #18 |
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ah danke - jetzt verstehe ich es. ja perfekte ironie!
vlg r |
08.10.2019, 12:24 | #19 | |
Dabei seit: 11/2014
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Beiträge: 2.583
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Liebe AlteLyrikerin,
ein sehr interessantes Thema das viele Tiefen und Untiefen beinhaltet; auch die Frage, wie es kommt, dass etwas als schön und wertvoll eingestuft wird und etwas anderes nicht. Und wie wir Menschen einander in Wirklichkeit betrachten. Ein tolles Gedicht, das in Frage stellt und dennoch Fragen beantwortet. Zitat:
von Sturm- und Spiegelsee geformt, durch einen Moment der Tiefe im Betrachter erkannt und geliebt wird. Liebe Grüße Zaubersee |
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08.10.2019, 17:05 | #20 |
Liebe Zaubersee,
herzlichen Dank für Deinen Besuch und Kommentar, vor allem auch, weil Du Dich nicht mit einem "gefällt mir" begnügt, sondern Deine Gedanken zum Text mit mir geteilt hast. Liebe Grüße, AlteLyrikerin. |
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12.10.2019, 16:22 | #21 |
Das ist ein wunderschöner, in ruhigen, so wunderbar dem Inhalt gleichenden Rhythmen geschriebener Text, der vielleicht so etwas wie einen Friedensschluss artikuliert, nach langem hin und her vielleicht und zerissen sein, um dann doch, nach allen Jahren und Furchen und Schrunden, in ruhiger Selbsgelassenheit einen Ruhepol zu finden und zu verweilen.
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18.10.2019, 11:40 | #22 |
Hallo milchmirzucker,
herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Ja, so habe ich es gemeint. Die Falten stehen nicht nur für einen biologischen Alterungsprozess sondern für überstandene Krisen, Versagen, …. Das Lyrische Ich hat letztlich zur Selbstannahme gefunden, ohne die ein harmonisches Leben nicht möglich ist. Herzliche Grüße, AlteLyrikerin. |
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