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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen. |
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17.01.2022, 15:30 | #1 |
Wendekreis
Wie Faust so wollt’ auch ich nun wissen was die Welt
Im Innersten und Äußersten zusammenhält Gut möglich, dass die Antwort mir dann nicht gefällt Es zählt allein, dass sich die Nacht in Licht erhellt Tausend Fragen wollte ich zu stellen wagen Tausend Fragen, keiner konnt’ mir ihre Antwort sagen Tausend Fragen, die wie Leuchttürme in den Nebel ragen Tausend Fragen, deren Lösungen sich mir verbargen. Ziel meiner Suche war’s die Schlüssel zu finden Die mir endlich verraten wie die Wege sich winden Ein jeder begann meinen Geist an sich zu binden Doch ließen sie auch meine Hoffnungen schwinden Zur Theologie fehlte mir Vertrauen doch vor allem Glauben Der Philosophie wollt’ ich nicht gleich hundert Wahrheiten erlauben Chemie behandelt weder größte, weder kleinste Weltenschrauben Kunst dagegen schien den Menschen nur die Zeit zu rauben Mit heiß’m Bemühn studierte ich Jahr auf Jahr Die Disziplin der Physik, sie schien so unfehlbar, Stets prüfend, stets fragend, stets Zweifeln nah Hoffte ich auf Wissen das nicht widerlegbar war. Mit Evidenzschwert und Formelflamme würde ich bald richten Die Gordisch’n Knoten kühn zerschlagen und dunkle Wälder lichten Auf den Schultern von Riesen wollt’ ich stolzerfüllt stehen Hoch über den Wolken würde ich endlich über jede Mauer sehen. Doch Beschreiben lernte ich und mich an Daten satt zu fressen, Lernte das Sein nur in Ziffern und Zeichen zu pressen, Keine Antworten auf “Was?”, nur auf “Wie?” fand ich stattdessen Konnte nichts begreifen, doch fast alles erklären und messen. Jede Antwort spuckte neuen Fragen nur So stand ich nun mit jenen allein auf weiter Flur Von wahrer Erkenntnis fehlte jede Spur War keinen Schritt weiter als beim Abitur Schleichend wie ein Fieber wurde mir erst später klar Wie ich ohne es zu ahnen bald verändert war Logik, Kausalität und Axiome war’n was ich nun sah Sodass mein Geist Gedanken wie Maschinen gebar Du bist was du isst und wirst was du denkst, Selbst wenn du im Geiste gerne Grenzen sprengst, Die Gedanken in unentdeckte Länder lenkst, Altes mit Neuem zu Unbekanntem vermengst Auch du wirst folgen was deines Faches Regeln sind Hoffend deine Kunst zu meistern recht geschwind Wer eifrig nur nach Nadeln sucht wird blind Für gold’ne Ähren, welche tief im Heu verborgen sind Je mehr ich den Herzschlag des Universums verstand, desto weniger hatte ich seine Wärme erkannt. Der Sternenhimmel war mir einst ein Wunderland Heute sehe ich nur Wüste angefüllt mit Lichtersand. Schlimmer noch, ein Auge musste mir nun reichen Denn die Worte schienen nun vor mir zu weichen Waren trocken und leer, träge und schwer, schweigende Leichen Ich verstummte vor einer Welt voller Fragezeichen. Liebe und Hass, Freude und Not, es stirbt wer ward geboren Ihr Widerstreit war einst ein dunkles Lied in allen Ohren Stumm nun bleibt das Herz, sieht doch hinter allem nur: Wie im Himmel so auf Erden, regiert allein die Natur. Nach Jahren kalten Rechnens will ich endlich wieder fühlen Wie die Herzschläge der Welt mich durchwühlen Will im Feuer junger Jahre wieder brennen Will der fernen Länder Küsten kennen Will die Welt in tausend bunten Farben malen Damit die Sterne im Glanze alter Zeiten strahlen Zwei Seelen sollen sein in meiner Brust Die eine schlägt mit Logik Fakten in den Stein Die andre aber soll ein zarter Pinsel sein Welcher zeichnet meiner Sinne feine Lust Mein Dürsten stillt die Wahrheit nicht allein Denn Wissen wird für immer rar, nur Gedanken frei sein Erkenntnis wird meinen Hunger niemals sättigen Nur der Glanz der Welt kann ihn bändigen Noch habe ich nicht vergessen Mensch zu sein Noch ist mein Herz nicht tot, es schlief nur ein Mehr als ich bin will ich wieder sein Will mein altes Ich von sich selbst befrein. |
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27.01.2022, 06:43 | #2 |
Dabei seit: 07/2006
Ort: Mauritius, stella clavisque maris indici
Beiträge: 4.889
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Hallo Sunyata,
ich habe mal wieder geschaut ob bei den unkommentiert gebliebenen Werken nicht die eine oder andere Sternstunde des Forums dabei ist, und so stiess ich auf dein Gedicht. Du hast ein grossartiges Werk geschrieben, jeder einzelne Gedanke berührt und veranlasst zum Nachdenken. Es ist ein Epos der besonderen Art und ich bin dankbar, dass ich es lesen konnte. Es gibt hier etliche sehr lange Gedichte, aber die stammen meist aus der Kategorie "Viel Lärm um nichts", deins ist anders, ganz anders. Du schreibst nicht abstrakt un zu vermeiden, dass jemand deinen Text als nur mit Luft gefüllte Blase erkennt und du verwendest keine exotischen Metaphern um Eindruck zu schinden. Jeder deiner Sätze ist glasklar wie ein fehlerloser Diamant. Ich bin echt froh, dass ich dein Gedicht fand. Kompliment und viele Grüsse Corazon |
27.01.2022, 11:46 | #3 | ||||
Hallo Sunyata
Mir ist der Text leider zu lang als dass ich ihn eingehend refferieren möchte, aber im lesen fiel mir auf, das viele Strophen sich klanglich untereinander unterscheiden. Der Grundtenor wechselt sehr oft. Es fängt an mit Zitat:
S2/Z3 stolperte ich über die Leuchttürme dann folgt aber Zitat:
Zitat:
Wer sind die "jenen" sie finden nirgendwo Erwähnung. Steht es im Bezug zu den "Fragen", oder ist es bezugnehmend auf weitere Philosophen? Manchmal wirken einige Strophen auf mich, als wüssten sie nicht ob sie da nun sein sollten. Ich weiß nicht wie ich das erklären soll, es ist einfach das Gesamtbild wenn ich es lese, als würde poetische Formulierung zu sehr auf Neusprech und Umgangston stoßen. In den ersten 2 Strophen wurde eigentlich eine klangliche Formulierung bereits festgelegt, aber vieles passt nicht zu der vorgegebenen Grundtonart. Ich bin auch kein Freund von Inversionen, aber in der ersten Strophe passen sie mir in den Grundtenor und dessen Formulierung. Ebenso steht es mit den Elisionen, die mir aber im Gesamttext irgendwann zu viel des Guten wurden. Auslassungen in Hexametern/Pentametern sind ja gang und gebe, sowie Dihäresen und Zäsuren, aber es wurde vermutlich nur der aufgeschnappte Grundton eines solchen Epos irgendwo versucht umzusetzen? Wie gesagt, die ersten zwei Strophen überzeugen mich in ihrem Formulierungsbild, aber viele Folgestrophen wirken auf mich etwas angetackert und stören mich sogar. Zitat:
Ein Text der in vielen Worten eigentlich nur um sich selbst herum tänzelt, mit dem Wunsch danach wieder unbekümmert anzufangen und nicht seine Erkenntnisbringende Zeit zu vergeuden. Es wirkt auf mich wie ein leiser Wunsch danach lieber unwissend zu sterben, weil es dem Protagonisten einfacher erscheint. Noch ist mein Herz nicht tot, es schlief nur ein hm, ein schwieriges Bild rein der Logik, ein Herz das schläft intendiert dass es nicht mehr schlägt, zumindest ist es inaktiv und wenn es nicht schlägt, dann schläft es selten nur, da ein Herz nicht einfach herunter fährt wie ein Computer um auf Standby zu schalten. befrein - hier wurde vermutlich eine Elision vergessen einzufügen, denn genau hier hätte eine Sinn gemacht. die Haufenreime wollen mir auch nicht recht ins Sprachbild passen... LG Mono |
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27.01.2022, 12:01 | #4 | ||
Forumsleitung
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Zitat:
Auf die Verbindung zum "Faust" verweist auch deutlich diese Strophe: Zitat:
Außerdem hat sich auch Goethe beim "Faust" nicht an ein einziges Versschema gehalten. |
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27.01.2022, 12:11 | #5 |
Dann sind meine Bemerkungen wohl eher als intuitive Bestätigung für den Text zu definieren?
Ich habe Goethes Faust nie gelesen, da sie mir vermutlich ebenfalls zu lang wäre. Mich schrecken lange Texte eher ab, da ich mich nicht derart lang auf sie konzentrieren kann. Viel Wischi Waschi um am Ende auf einen allumfassenden Punkt zu kommen indem alles negiert wird. Ich hoffe meine persönliche Ansicht wurde nicht als Denunziation aufgefasst. Ich respektiere die Arbeit die im Text steckt, ich würde mir diese nicht machen, da ich gar nicht soviel Kondition hätte. LG Mono |
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27.01.2022, 12:30 | #6 |
Forumsleitung
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Der Faust wurde auch nicht zum Lesen geschrieben, sondern für das Theater. Goethe hatte das gleiche Thema in einem Gedicht viel kürzer dargestellt: "Der Schatzgräber": "... meine Seele sollst du haben, schrieb ich hin mit eignem Blut." Hier treibt die Armut zu dem Handel, nicht wie im Faust der Wissensdurst. Letztendlich ist es aber egal, wofür sich der Mensch in etwas verstrickt, das ihn am Ende sein Heil kosten kann. Wie sagt man doch: "Der Mensch strebt, solang er lebt."
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27.01.2022, 12:40 | #7 |
ok ich vermute dein Zitat fasst es so ziemlich zusammen?
Ich bekomme den Eindruck, nur durch die Paar Worte, dass der Protagonist seine eigene Seele verkauft hat um Wissen zu erlangen, welches ihn mehr belastet als befreit. Ein sinnbildlicher Pakt mit dem Teufel. |
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28.01.2022, 13:28 | #8 | ||
Danke an alle für das Feedback!
Zitat:
Zitat:
Der Text ist tatsächlich vom Faust inspiriert, zumindest inhaltlich. Sprachlich bin ich davon natürlich meilenweit entfernt. |
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28.01.2022, 22:50 | #9 |
Es wirkte auf mich nicht störend, meine eigenen Vorlieben gehen da nur in eine andere Richtung. Hinzu kommt dass ich nicht wusste dass ich zuvor Faust studiert haben muss um etwas zu lesen und zu kommentieren, das eine Replik auf dessen Arbeit ist und das davon eine eigene Meinung zu haben abhängig ist.
Mein Kommentar war viel mehr als intuitiver Betrachtungsmoment zu verstehen. Ein Laienkommentar. LG Mono |
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