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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 17.09.2010, 11:16   #1
Thing
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Standard Alltag im KL 1943

Vorab:
Es stand in Frage, ob man das Grauen aus Sicht der Täter in Gedichtform verarbeiten kann, ohne selbst Täter gewesen zu sein.
Hier ein (auf gründlich recherchierten Fakten beruhender) Versuch:




"Komm her, Du fette , große Judensau!
Sowas fehlt mir noch. Du kommst genau
mir eben recht. Futter für meine Hunde? Nicht schlecht...
Ach nein, die reißen nur die Waden und's Gemächt.
Dich , Mantelträger, hab ich ausersehn,
vor meiner Pfeif zugrundzugehn.
Schön langsam, aber laut.
Ich berichte meiner blonden Arierbraut,
was ich an Dir verrichtete:
wie ich Dich vernichtete:

( Stoffe hast Du gewebt und und frommen
Ariern das Geld aus der Tasche genommen!)

Dein Mantel ist weg. Bald Deine Haut.
Aufzumucken hast Du Dich getraut?
Du eklige dreckige Judensau!
Ich stell mich dazu. Und ich schau:

(Zu spät jetzt: Juda verrecke
für Dich. Keine Verstecke).

Den Karren gefaßt jetzt, du Feister,
Frist hast Du nur vom Meister.
Der bin ich. Ich seh Dich schwitzen.
Steinbruch - fein zum Erhitzen.

(wolltest Du unsere Frauen
Du Krebsgeschwür, lüstern anschauen?)

Nun mach, die Treiber treten fest.
Schon wieder gestolpert, gefallen?
Schau, Jude, zu den Toten allen!
Aber Du bist noch zu fett für den Rest.

(Jud und Sozi - ich nehm meine Pfeif:
Ihr seid für mich gerade recht reif)

He, Dicker, hinauf und hinab!
Mit der Karre. Drunten wird Grab,
versuche, oben zu bleiben!
Kannst nicht, weil Stiefel Dich treiben.

(Und außerdem: das sei nicht vergessen,
haben die eklen Itzigs das Weltreich gefressen!)

Du, aus der Hure Schoß gekrochen,
hast grad Dich im Schmerz erbrochen?
Ha fein, da kommt die Judenlaus
aus deinem eignen Magen heraus.

Ich würde zu gerne Dich sterben sehn,
muß aber jetzt zur Zählung gehn.
Ich bin aber nahe und fast dabei:
ich hör Dein 24-Stunden-Geschrei.

(Und sowieso: Rassenschande
wirst Du mir büßen. Am Rande:
Nur arische Folter kann Schlaf mir versüßen).

Hei fein: ich habe gewettet:
Nach einem Tag hat er sich verfrettet.
Jetzt will ich aber wirklich wissen:
hat er sich vorher noch vollgeschissen?
Das ist meinem Mitarbeits-Arzt sehr wichtig.
Sind Leber und Magen und Därme noch schlichtig?

Ob die Prügel der Haut geschadet...
haha, was soll es...
ich habe in Tausenden Häuten gebadet


mit meiner Lorelei.
Arisch und judenfrei".






--------

Wer Bedenken hat, möge sie anmelden.
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Alt 17.09.2010, 11:25   #2
weiblich Ex-phönixe
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Hallo Thing,
erste Bedenken beim Wort Mett...nimm Tatar für die Hunde , solange du noch ändern kannst(ist Gift für Hunde, kannste selber nachlesen)

lg phönixe
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Alt 17.09.2010, 11:36   #3
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Es stand in Frage, ob man das Grauen aus Sicht der Täter in Gedichtform verarbeiten kann, ohne selbst Täter gewesen zu sein.
Der Fehler liegt in der eingangs gestellten Frage, Thing:

Was das Gedicht aus der Sicht des Täters beschreibt, ist nicht das Grauen, sondern der Genuss, den der Täter bei seinen Handlungen (sind es denn schon welche, oder sind es erst mal "nur" Drohungen?) und Beschimpfungen empfindet. Ich weiß nicht, wie es anderen Usern geht, aber bei mir wollte sich beim Lesen kein Grauen einstellen, sondern eher Abscheu vor diesem perversen Genussempfinden.

Aber es war den Versuch wert.

Besten Gruß
Ilka-M.
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Alt 17.09.2010, 11:54   #4
Thing
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Beiträge: 34.998

Halli Hallo!

@ phoenixe:
Ja, ich werde ändern.
Danke!

@ Ilka-Maria:

Das ist ja das Grauenhafte, daß Täter (wie bei jeder Gewalt, Vergewaltigung) Befriedigung - welcher Art auch immer - empfinden!
Ich habe Tatsachen geschildert, keine Phantasieen.
Das ist so passiert - und schlimmer!

Die Frage war, ob es überhaupt legitim ist, dieses Grausige in Gedichtform zu präsentieren.

Und ich selbst frage mich, ob sich jetzt ein Verteidiger für den Täter findet (wie es bei Sexualtätern oft geschieht).
Ich glaube nicht, daß bei diesem Lagerleiter ein sexueller Hintergrund zu finden war, es war die schiere 1000-jährige Machtanmaßung und der Vernichtungswille, gepaart mit ekelhaftem Sadismus.


Thing
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Alt 17.09.2010, 12:06   #5
weiblich Ex-phönixe
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ich hoffe es findet sich kein Verteidiger,
und befinde diese Erinnerung für sehr gut- besonders weil zur Zeit in einem Buch über Genetik ....was vererbt wird...geschrieben wurde; ich aber nicht weiss ob das hier mit verwertet wurde- was wir in unseren Genen haben- also der Schreiber des Buches ebenfalls...
komme später noch mal wieder- muss zur Arbeit

lg phönixe
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Alt 17.09.2010, 12:23   #6
weiblich Ilka-Maria
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Thing, ich halte es für durchaus legitim, jeden Stoff in Gedichtform zu bearbeiten, meine aber, das dies in vielen Fällen sehr schwierig ist, gerade wenn es um die Darstellung des Grauenhaften geht. Aber einigen Dichtern ist es ja gelungen.

Ich weiche jetzt ein bißchen vom Thema "Vernichtungslager" ab, denn ich möchte ein anderes Gedicht erwähnen, das ebenfalls einen grausigen Inhalt hat. Es geht um unterdrückte Sexualität: Ein kleines Mädchen bekommt eine Jungenpuppe geschenkt, was die Eltern "schmutzig" finden, weshalb sie der Puppe den Penis abschneiden. Später bekommt das Mädchen ein Brüderchen, und so, wie die Kleine sozialisiert worden ist, kannst Du Dir denken, wie das Gedicht endet, nämlich in einem Blutbad. Das Gedicht, übrigens von einer Frau aus der Mädchenperspektive erzählt, zeigt, daß man durchaus das Grauenhafte - auch aus Tätersicht - darstellen kann. Aber das ist meines Erachtens goße Kunst.

LG
Ilka-M.
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Alt 17.09.2010, 12:25   #7
Thing
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Hallo phoenixe,

ich las den Tatsachenbericht eines Überlebenden vor Dezennien.
Hat mich nie wieder losgelassen und mir viel Schlaflosigkeit bereitet.
Die Theorie des Genetischbedingten halte ich für eine Ausflucht.
M.E. haben alle Menschen dieses archaische Gewaltpotiental in sich (via Stammhirn).
Daß es sich einen Weg ins Denken und Handeln bahnen kann, liegt m.M.n. an einer ethischen und moralischen Minderwertigkeit des jeweiligen Individuums, das den Wert des Humanismus weder geistig noch seelisch verinnerlichen konnte.

Aber das war nicht der Kern meiner Frage.

LG

Thing
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Alt 18.09.2010, 01:01   #8
weiblich Ex-phönixe
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Hallo Thing,
deine Eingangsfrage, ob mans verdichten kann, ohne selbst Täter gewesen zu sein- würde ich bei diesem Thema - nachdem ich es gelesen habe und meine du bist wohl dafür zu jung( also 1943 nicht aktiv gewesen) bejaen.
Wobei das jetzt keine Denkoption von mir ist- für eine Generalabsolution für dich ( denn ich betrachte im weitesten Sinne, auch Schreib Foren als Konzentrations Lager ...wobei dann auch die virtuellen Übergänge fliessend sind und die Wahrnehmung, ab wann ein Täter bemerkt dass er einen Menschen quält- öfter verschwimmen)
Hier ist dir ein gutes Gedicht gelungen- ich könnte sowas nicht beschreiben;
also großer Respekt vor deiner Leistung


lg phönixe
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Alt 18.09.2010, 23:26   #9
Thing
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Hallo phoenixe,

es hat auch seelische Kraft gekostet, dieses eine , winzigkleine Kapitel in der tausendährigen Geschichte in ein Reimschema zu zwingen - dennoch ging es einigermaßen leicht von der Hand. Von Zorn, Wut, Trauer und ohnmächtigem Schmerz diktiert.

Man weiß ja nur von Wenigen, was aus ihnen ward.
Dieser Lagerleiter, "Pfeifchen" genannt, ist sicher davongekommen.
Der schreckliche Dr. Entreß - wo er wohl abblieb?

Ich habe nicht lange über Mitschuld rätseln müssen.
Als "Deutscher" : Ja, mitschuldig am Verbrechen. Das kostet Schlaf!
Von der Herkunft her:
Nein. Großeltern und Eltern waren im Rahmen ihrer Möglichkeiten sehr mutige Widerstehende, wenn auch keine Widerstandskämpfer.

Mein Großvater war Repressalien ausgesetzt, die er furchtlos auf sich nahm, ohne zu wanken.
Wurde aus der Reichspfarreikammer ausgeschlossen (mit all den Weiterungen) und hat sich dennoch nicht gebeugt.
Ihm habe ich meinen persönlichen Mut zu danken. Er hieß mich, immer daran zu denken, daß ü b e r uns nur Gott steht.

Thing
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