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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 14.08.2022, 18:18   #1
männlich Heinz
 
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Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Standard Zweifel

Ich IHM danken - wofür?
Hat er mir meinen Sohn,
den geliebten,
wiedergegeben?
War er zur Stelle,
als der Frau meines Lebens
eine Buche das Leben zerstörte?
Wozu taugt deine Allmacht,
wenn Tausende röchelnd verrecken,
ohne Verschulden von Bomben zerfetzt
mit ihrem Blut den Boden der Heimat tränken?
Hast du mit Balsam versucht
meine Schmerzen zu lindern
und je in die Hirne der Mächtigen
Einsicht zu träufeln und Vernunft?
Oder brülltest du hilflos
am Kreuze hängend:
Eli, Eli, lama sabachtani? *)
Pack dich und treibe
mit anderen deinen Spaß!
Ich werde leben
und Zweifel säen
an deiner Allmacht, deiner Gnade.

*) Mein Gott, warum hast du mich verlassen

Geändert von Heinz (14.08.2022 um 19:40 Uhr)
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Alt 14.08.2022, 18:28   #2
weiblich Mimi L.
 
Dabei seit: 05/2022
Beiträge: 34

Erinnert mich irgendwie an "Prometheus" von Goethe. Aber in einer modernen Form. Gefällt mir!
Mimi L. ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.08.2022, 19:39   #3
männlich Heinz
 
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Beiträge: 7.879

Liebe Mimi,
ich habe in meiner Antwort auf Beiträge zu meinem Gedicht "Habe Mut, dich..."
den beiden Kommentatoren mitgeteilt (hier ein Ausschnitt meiner Antwort): "...
ich habe - nehmt es als Antwort auf Eure Beiträge - ein Gedicht mit dem Titel "Zweifel" eingestellt (und leugne nicht den Einfluss Goethes "Prometheus)."

Ja, mein Gedicht "Zweifel" ist stark von Goethes "Prometheus" beeinflusst und ich freue mich, dass Du das a) sofort erkannt hast und b), dass es Dir auch noch gefällt.
Nebenbei: Goethes Gedicht "Prometheus" gehört zu meinen absoluten Favoriten. Er nannte es "Zündkraut einer Explosion" (ich sage lieber "einer Revolution"). Prometheus lehnt sich gegen Zeus auf, schafft "Menschen nach seinem Bilde". Ich bin da ein bisschen bescheidener und versuche nur, Zweifel in die Herzen zu säen.
Liebe Grüße,
Heinz

Geändert von Heinz (14.08.2022 um 21:03 Uhr)
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.08.2022, 19:29   #4
weiblich Donna
 
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Beiträge: 406

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Eli, Eli, lama sabachtani? *)
Pack dich und treibe
mit anderen deinen Spaß!
Ich werde leben
und Zweifel säen
an deiner Allmacht, deiner Gnade.
*) Mein Gott, warum hast du mich verlassen
Zum Glück richtest du dich nur gegen den Christengott. Bei Alláh z.B. hätte man dem Zweifelsäher eine gehörige Fatwa angeboten. Nichts destotrotz lebt der gläubige Christ, Jude oder Moslem nicht ohne seinen ständigen Zweifel, es bedingt sich auf seinem ernsthaften Weg. Nur ein hirnverbrannter Fanatiker würde uns seinen Glauben als Wissen verkaufen. Verkauft uns Heinz gerade seinen Nichtglauben als Wissen, oder hat er für sich auch eine Prise Zweifel übrig?
LG Donna
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Alt 15.08.2022, 21:16   #5
männlich Heinz
 
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Beiträge: 7.879

Liebe Donna,
mir wurde als Kind in einer katholischen Knabenschule das Glaubensbekenntnis (Credo) der katholischen Religion so nachhaltig eingetrichtert, dass ich es nach über fünfzig Jahren nach meinem Kirchenaustritt noch heute auswendig aufsagen kann. Zweifel kamen mir schon als Kind (ich bin erst mit neun Jahren aus pragmatischen Gründen getauft worden) an einigen grundlegenden Bekenntnissen der katholischen Kirche.

Nein, ich glaube nicht an einen allmächtigen Vater, der Himmel und Erde geschaffen haben soll.
Ich glaube auch nicht an Jesus, der dessen eingeborener und durch den Heiligen Geist Sohn gewesen und durch den Heiligen Geist empfangen worden sein soll.
Und nochmal nein zu der Story, dass er von einer Jungfrau geboren worden ist.
Schwer nachweisbar das Leiden unter einem römischen Statthalter, die Kreuzigung und das Begräbnis, das Hinabsteigen in die Hölle (letzteres - olle Kamellen aus anderen, älteren Mythen) und die Auferstehung von den Toten sowie die Himmelfahrt zu Zeiten, in denen es noch keine geeigneten Transportmittel für solche Unternehmungen gab.
Zur Rechten Gottes soll er sitzen und von dort soll er kommen, um die Abermilliarden von Toten und die noch Lebenden zu richten.
Abschließend soll der Gläubige noch beteuern, dass er an den Heiligen Geist und die heilige katholische Kirche glaubt und auch an die Gemeinschaft der Heiligen sowie die Vergebung der Sünden, die Auferstehung von den Toten und das ewige Leben.
Was die "heilige katholische Kirche" in zwei Jahrtausenden verbrochen hat, geht auf keine Kuhhaut und in die Gemeinschaft der Heiligen hat sich so mancher Verbrecher eingeschlichen.
An all diesen Glaubensbekenntnissen muss Zweifel erlaubt sein. Mehr noch: muss Zweifel geübt werden.
Ohne Zweifel an Althergebrachten hätte es keine Entwicklung der Menschheit gegeben. Ich hoffe, meine Zweifel meinen Kindern vermittelt zu haben.
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 16.08.2022, 09:48   #6
weiblich Donna
 
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Beiträge: 406

Die persönliche Abrechnung sei dir belassen, lieber Heinz, wobei die Rolle der Frau und der Queere- Szene , der Missbrauchsopfer in diesem patriachalen System rkK noch gar nicht erwähnt wurden. Die Herrschaftsinstitution der rk- Kirche mit ihrer menschgemachten Glaubenskongregation kann nicht kritisch genug betrachtet werden, da bin ich bei dir. In der bloßen Betrachtung und Fixierung auf die r.k. Kirche wird man Gott jedoch nicht abhandeln können. Denn es gibt nichts desto trotz in den Weltkirchen Menschen, welche das göttliche Prinzip verstanden und verinnerlicht haben, welche in Bereichen der Kultur und im sozialen Umgang außergewöhnliche Wege gefunden haben, die die Menschheit bereichern, und Zeugnis ihres Glaubens sind. Ein faules Ei diskreditiert keinen Weltglauben, auch wenn es viele faule Eier sind.
Der kritische und differenzierte Blick möge deinen Kindern gegeben sein.
lG. Donna
Donna ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.08.2022, 12:11   #7
männlich Heinz
 
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Liebe Donna,
meine Zweifel sind nicht auf die r.k. Kirche gemünzt. Das Aufbegehren des Prometheus deutet ja an, dass es sich um die von Menschen gemachten Götter handelt, um Menschen, die glauben, die Welt und Gott erklären zu können.
Dass Goethe in seinem Prometheus von Zeus spricht, kann doch nicht darüber hinweg täuschen, dass er die "falschen" Götter aller Religionen meinte. Der Mensch (so glaube ich jedenfalls) erschuf die Götter nach seinem Bild und ob ihm das gelungen ist, darf bezweifelt werden.
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.08.2022, 18:14   #8
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Beiträge: 406

Dein Anliegen wird etwas unglücklich in Szene gesetzt, lieber Heinz.
"Eli, Eli, lama sabachtani aus Psalm 23 der hebräischen Bibel ist für das Christentum von großer Bedeutung. So zielt dein Gedicht für den Leser erstmal eindeutig auf das Christentum ab. Aber wenn in Wirklichkeit dann doch der Prometheus gemeint ist und der titanische Geist, warum nicht. Im "lama" mag der eine oder andere sogar noch den Dalai erkennen.
Goethe galt als Universalgelehrter, und das will dann schon irgendwie alles mit seinem Prometheus zusammenpassen - könnte man meinen. Die antike Mythologe wird gerne nochmals erzählt und bemüht, sie lässt sich selbst von den strengen Regeln der Philologie, die seit dem Humanismus die Texte der Überlieferung sicherte, nicht begrenzen. Die Mythenparaphrase gilt ja schließlich auch als Königsdisziplin der modernen Literatur. Eine Symbolsprache steht hinter den Themen, welche in der griechischen Mythologie, im alten Testament, in einem Grimm'schen Märchen oder in der Nibelungensage abgehandelt werden. So stehen z.B. die leidenden Protanonisten wie Tantalos, Prometheus, Sisyphos, Odysseeus, Christus, für jeweils ganz andere Geschichten, und ob da nun ein Christus am Kreuz hängt oder ein Prometheus am Felsen, es ist nicht dasselbe.
Die menschliche Hybris, gelehrte Demut mit Nächstenliebe und die eigenen Erfahrungen in einem Pott verrührt und vermischt ergeben ein ordentliches thematisches Potpourri.
Auf was will das Gedicht hinaus? Welcher Disput will letztendlich angestoßen werden? Welche Botschaft steht im Raum? Religion = doof? Der unbeugsame Prometheus gegen die Rest- Religionen der Welt?
etwas ratlos Donna
Donna ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.08.2022, 21:16   #9
männlich Heinz
 
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Liebe Donna,
dass ich nicht auf die zahlreichen Mythen weit entfernter Länder und auf deren Glaubensgrundsätze eingegangen bin, hat wahrscheinlich den Grund, dass wir in Deutschland in erster Linie vom Christentum beeinflusst sind.
Vielleicht ist Dir aufgefallen, dass der Großteil meiner Verse mit einem Fragezeichen enden. Was ich in den ersten Versen beklage, anprangere, sind ganz persönliche Erfahrungen. Ja, mir ist ein Sohn "gestohlen" worden, ja, ich habe die große Liebe meines Lebens durch einen Verkehrsunfall verloren, ja, ich habe die Gräuel des Krieges, wenn auch als Kind, erlebt und ja, ich registriere die Hirnrissigkeit der Mächtigen. Und daraus ergibt sich die Frage "Ich IHM danken, wofür?"
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.08.2022, 09:36   #10
weiblich Donna
 
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Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Was ich in den ersten Versen beklage, anprangere, sind ganz persönliche Erfahrungen. Ja, mir ist ein Sohn "gestohlen" worden, ja, ich habe die große Liebe meines Lebens durch einen Verkehrsunfall verloren, ja, ich habe die Gräuel des Krieges, wenn auch als Kind, erlebt und ja, ich registriere die Hirnrissigkeit der Mächtigen. Und daraus ergibt sich die Frage "Ich IHM danken, wofür?"
Dieses war als Antwortgedicht auf eine philosophisches Thema (Gottesbeweis- "sapere aude") gedacht und ist deshalb nicht ganz von diesem Gedicht zu trennen. Auf der persönlichen Ebene ist das alles durchaus nachvollziehbar, und authentisch. Und es lassen sich weitere Überlegungen fortsetzen, warum Gott dieses menschliche Leid überhaupt zulassen kann. (Theodicee- Frage)
Wenn die persönliche Zweifelsäherei einen missionarischen oder fundamentalistischen Eifer als Revanche - Akt erreicht hat, läuft sie jedoch Gefahr, ins gleiche Horn zu stoßen, wie der religiöse Eiferer, weil sie mit der fertigen Antwort über den Leser hereinbricht. Die persönliche Betroffenheit mag Ausgangspunkt für ernsthafte Überlegungen sein, für eine nüchterne Conclusio im Sinne einer philosophischen Betrachtung ist sie mEa. ungeeignet. Kein Philosoph würde aus seinem Schicksal heraus argumentieren.
L.G.Donna

Geändert von Donna (17.08.2022 um 14:40 Uhr)
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