Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Gedichte-Forum > Zeitgeschehen und Gesellschaft

Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 08.07.2022, 18:05   #1
männlich Heinz
 
Benutzerbild von Heinz
 
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Standard Schreien müsst ihr

Schreien! Schreien müsst ihr, lauter schreien!
All die Schmerzen, Leiden, Wut und Trauer,
packt sie in das Wehgeschrei hinein!
Euer Schrei soll gellen, all die Toten
wecken und Despoten aus dem Schlafe
reißen, Trommelfelle platzen lassen,
Mördern deutlich machen, dass die Menschheit
Frieden wünscht und angstfrei leben will,
heute, morgen, allezeit.


Macht aus Schwertern wieder Pflüge, ächtet
alles, was der Terror ohn Erbarmen,
ohne Mitleid, mit Raketen, Bomben,
schweren Waffen, Flammenwerfern oder
Phosphor in Sekunden rasch zerstört und
glaubt auch niemals den Parolen jener
Hetzer, deren Geifer Zeugnis gibt, wie
geil des Krieges unheilvolles Wirken
Menschen schlicht unmenschlich macht.
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.07.2022, 18:27   #2
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.082

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Macht aus Schwertern wieder Pflüge, ...
Wishful thinking, Heinz, denn es funktioniert nicht. Wer sich wehrlos macht, kann nicht erwarten oder auch nur hoffen, dass jeder seinem Beispiel folgt. Das Gegenteil ist der Fall: Wer Schwäche demonstriert, wird gnadenlos in Stücke gehackt, und außerdem ist es nicht jedes Menschen erstrebenswertes Ziel, das Paradies auf Erden zu schaffen. Es geht um den knallharten eigenen Vorteil, unterfüttert mit total irren Ideologien.

Mein Sohn traf kürzlich im Rahmen eines international besetzten Wettkampfs auf einen Ungarn, der über unsere Haltung zur Außenpolitik gelacht hat und meinte: "Ihr Deutschen kapiert es nie. Ihr seid dafür viel zu naiv." Genau so blickt fast das gesamte Ausland auf Deutschland (und auf Westeuropa, insbesondere Frankreich), vor allem aber beobachten uns die totalitären Staaten im fernen Osten mit großer Aufmerksamkeit. Und ebenso intensiv richtet sich der Blick auf die aktuelle Situation in den USA, wo die Demokratie zu zerbröseln scheint. Traut sich jemand, Trump für seinen Aufruf zur Stürmung des Capitols zu verurteilen und eine zweite Amtszeit als Präseident zu verhindern? Nein, denn er hat die entscheidenden Schnittstellen der Justiz mit seinen Gefolgsleuten besetzt.

Die Ukraine ist erst der Beginn einer Umwälzung, von der ich keine Vorstellung habe, wie man sie abwenden könnte. Aber wir sind, obwohl es warnende Stimmen schon seit mindestens zehn Jahren gibt, immer noch im Schlafmodus.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.07.2022, 19:08   #3
männlich Heinz
 
Benutzerbild von Heinz
 
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Liebe Ilka-Maria,
ja, vielleicht gehöre ich zu den Träumern, die sich eine andere, eine bessere Welt vorstellen. Aber in meinem Leben habe ich die angeblich unverrückbarsten Vorstellungen zerbröseln sehen. Wer hätte vor dreißig Jahren geglaubt, dass die Apartheit, die Vormachtstellung einer Minderheit von Weißen in den afrikanischen Ländern, ein Ende beschieden war? (Nein, ich verschließe nicht die Augen vor den Fehlentwicklungen in Afrika). Wer hätte vor vierzig Jahren daran geglaubt oder nur zu denken gewagt, dass der Sozialismus, dessen Lauf weder Ochs noch Esel aufzuhalten imstande wäre, sang- und klanglos mit der Vereinigung der beiden Deutschländer endete? Wer hätte vor fünfzig Jahren damit gerechnet, dass ein deutscher Bundeskanzler den Friedensnobelpreis bekommt?
Trump - da ist das letzte Lied noch nicht gesungen. Sein Zwillimgsbruder (zumindest was den Wischmopp auf dem Kopf angeht) streicht zur Zeit die Segel.
Zum Schreien (das ist gar nicht meine Erfindung) hat Ralph Giordano aufgerufen, nachdem er Reportagen über die Slums in aller Welt und ihre unmenschlichen Lebensbedingungen gedreht und kommentiert hatte.
Mein Appell, zu schreien, wo es Ungerechtigkeiten gibt, ist ja kein Aufruf zum sinnlosen Plärren, sondern die Auffordeung, die Dinge laut beim Namen zu nennen und etwas zu tun.
Natürlich stellt sich die Frage, ob im Anfang das Wort oder die Tat war. Mit dem Aufruf zur Tat, so denke ich, fängt möglicherweise das Tun an.
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.07.2022, 19:48   #4
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.082

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Aber in meinem Leben habe ich die angeblich unverrückbarsten Vorstellungen zerbröseln sehen. Wer hätte vor dreißig Jahren geglaubt, dass die Apartheit, die Vormachtstellung einer Minderheit von Weißen in den afrikanischen Ländern, ein Ende beschieden war? (Nein, ich verschließe nicht die Augen vor den Fehlentwicklungen in Afrika). Wer hätte vor vierzig Jahren daran geglaubt oder nur zu denken gewagt, dass der Sozialismus, dessen Lauf weder Ochs noch Esel aufzuhalten imstande wäre, sang- und klanglos mit der Vereinigung der beiden Deutschländer endete?
Die Argumente überzeugen mich nicht. Es ist eine Binse, dass Zustände sich wandeln, aber das ist nicht das Kriterium. Die Frage ist, ob eine Änderung Gutes oder weniger Gutes nach sich zieht. Auch ist es ein Unterschied, ob ein Staat an systemischem Versagen und am Druck des wirtschaftlichen Wettbewerbs durch andere Länder mit anderen Systemen zugrundegeht, oder ob eine aufgehetzte und und bewaffnete Horde von Verschwörungsgläubigen versucht, eine Regierung zu stürzen, deren Ruf es war und noch ist, die erste Demokratie der modernen Welt zu sein. Und zwar angestachelt von einem narzisstischen Ex-Präsidenten, der die Kränkung einer Abwahl nicht verwinden kann. Ein Staat, der übrigens immer noch als unsere Schutzmacht fungiert und ohne den wir verteidigungstechnisch den Bach runtergehen.

Was die die Vorherrschaft weißer Männer in Afrika angeht, betraf das in erster Linie Südafrika, und da war die Abschaffung der Apartheid tatsächlich ein unschätzbarer Fortschritt. Aber man muss die Verhältnisse in jedem afrikanischen Land für sich sehen. Die Vertreibung und teilweise Ermordung weißer Großgrundbesitzer, die Arbeit und Auskommen geschaffen und die Lebensumstände der armen Bevölkerung gebessert hatten, war für die Leute alles andere als ein Segen. Die neuen Machthaber hatten keine Kenntnisse darüber, wie man das Land bestellt und die Erträge vermarktet. Die Besitzstände wurden von den Warlords und ihren marodierenden Truppen aufgebraucht, die Menschen massakriert, die Frauen vergewaltigt, bis nichts mehr da war, und dann ging es an das Kapern der Hilfskonvois aus Europa. Waffen, um ihr Faustrecht durchsetzen, hatten sie in Fülle, denn es gab genügend Lieferanten, um die Lager von dem alten Zeug freizumachen und neue, modernere Waffen zu beschaffen. In vielen dieser Länder hat sich bis heute daran nichts geändert.

Sozialismus? Den gab es nicht nur in der DDR. Mit der Wiedervereinigung der deutschen Staaten war er mitnichten aufgehoben. Vielleicht wurde er sogar nie aufgehoben, denn was wir heute in den ehemaligen sozialistischen und kommunistischen Staaten sehen, sind Mischformen aus Planwirtschaft und Kapitalismus. Und offensichtlich scheint das immer besser zu funktonieren, denn während wir am grünen Tisch jahrelang diskutieren und mehrere hundert Mal abstimmen, bis ein Projekt auf den Weg gebracht wird, wird in sozialistisch-kapitalistischen Staaten beschlossen und gehandelt. Wir haben Techniken entwickelt, die nicht bei uns, sondern in China zum Einsatz gekommen sind, und das sagt alles. Und was Russland angeht, haben wir den schlagenden Beweis, dass der Niedergang eines kommunistischen Regimes nicht automatisch zu Freiheit und Frieden führt.

Deine Argumente, Heinz, sind in meinen Augen zwar lobenswerte, weil humanistische Sichtweisen, gehen aber leider an der Realität vorbei. Es waren fast immer die stärksten Armeen mit den stärksten Bündnispartnern und/oder die Nationen, die zuerst die modernsten Waffen hatten, die gesiegt haben. Ein klassisches Beispiel ist die Abwehr der schwerfälligen Armada durch die wendigen Schiffe mit den neuentwickelten, extrem durchschlagkräftigen Kanonen der Engländer. Wenn es Ausnahmen gab, waren immer Fehleinschätzungen im Spiel, z.B. über geografische Gegebenheiten (Russland-Feldzug, Afghanistan), Verrat (Arminius) oder schlicht strategische Unfähigkeit und Unterschätzung des Gegners.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Schreien müsst ihr



Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Das Schreien der Lämmer Thing Düstere Welten und Abgründiges 55 05.04.2015 17:38
Schreien will gelernt sein nimmilonely Zeitgeschehen und Gesellschaft 2 04.01.2014 05:27
Auf ihr Worte, ihr die ihr wartet! (oder: Ungesagt) Kanone Liebe, Romantik und Leidenschaft 0 21.02.2011 23:07
Lass mich schreien oder auch Lass mich - lass mich weinen Etwas Sonstiges und Experimentelles 0 03.04.2007 14:43


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.