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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen. |
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08.06.2014, 20:05 | #1 |
Die Rückkehr des Echsenkönigs
Die Rückkehr des Echsenkönigs
Der Tag war lange schon verwelkt und die Nacht weckte ihre Geschöpfe mit silbernen Trompeten. Sie feierte die Entfesselung ihrer selbst. Ich schlief oder wachte (Gibt’s einen Unterschied?) und tat den Schritt zum Fenster. Nie tat ich dies sonst, nie verließ ich je mein Heim. Doch jetzt funkelte mich das Glas an wie lüsterne Diamanten, entließ sein apokalyptisches Verlangen. Endlich sah ich mich. Der Blick hinaus … Ein Lichtertanz auf Grau, das nicht eingelöste Versprechen der Zivilisation an die Menschheit. Elend und Verzweiflung paarten sich mit Hoffnung und Sehnsucht, zeugten aus ihrem Schmutz einen Moloch. Symbol des Fortschritts. Nemesis. Dahinter brachen Schatten vipernhaft aus fremder Dunkelheit hervor. (Wieder der Klang, den es nicht geben durfte!) Da! jetzt sah ich die Horden! Ungestüm in Bewegung, die wie eine Drohung und Verlockung zugleich wirkte. Fremde Wesen. Leiber aus schleimgrünem Mondlicht, deren Gebärden den menschlichen Verstand verspotteten, drängten auf die Stadt zu. Ihr Gesang war eine Kakophonie obszönen Quakens, und Irrsinn blickte aus ihren Augen den langen Weg in meine. Ich lächelte. Schlachtrufe aus den Äonen verkümmerter Instinkte erklangen in mir, rissen meinen Körper entzwei. Und aus seinen Trümmern entstieg die Seele des Universums – bereit, die Geschöpfe der älteren Welten zu befreien. Wie ein Gespenst schwebte ich über allem, meinem Heim entflohn. Nur ein Flüstern in den Krötenköpfen war ich, ein Befehl aus Urkraft, der sie durch die Straßen trieb. Da entpuppte ich mich aus meiner ätherischen Larve zu einem langzüngigen, grünen Schuppenwesen – ein präkosmischer Wille, frei von stagnierender Lähmung aus Vernunft. Verängstigt verkrochen sich die Menschen. Chaos – die Kraft, aus der sie einst entstiegen – lebte nur noch als verkümmerte Perversion in ihren Herzen – etwas, das Panik verhieß. Und während mein Pan den Schrecken hinter sich her in ihre Welt flötete, begatteten die Satyrn die Weiber, verführten die Nymphen die Möchtegernmänner in früher sicheren Straßen. Mein Echsenleib wuchs über die Welt, alles wurde Eins und wieder Alles. Reine Energie. Pulsieren. Die Erfahrungen aller Zeitalter tanzten auf meinen Schuppen, wurden zur Symphonie einer neuen Schöpfung. Endlich sehe ich mich. Ein kleiner Mensch hinter einem Fenster, der sich in mir ahnt, doch sich erst jetzt erkennt, da er durch meine Augen blickt. Immer ist er ich, immer bin ich alles. Nie kann er sein Heim verlassen, nie kann ich eines haben. Nur manchmal, wenn die Nacht dunkel genug ist, können die Augen sehen. Dann treffen sich unsere Blicke und öffnen die Tür zu alter Verheißung. Nur manchmal, wenn der Echsenkönig zurückkehrt … (dedicated to Jim Morrison) © Beteigeuze |
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08.06.2014, 20:17 | #2 |
gesperrt
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09.06.2014, 11:13 | #3 |
R.I.P.
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Rätselhaft und wortgewaltig.
Gefällt mir, auch wenn ich nichts verstehe. Einfach der herrlichen Sprache wegen. LG Thing |
09.06.2014, 16:35 | #4 |
Ich fühl mich auch geplättet!
Gefällt mir! lg, simba |
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10.06.2014, 11:02 | #5 |
" Once I had, a little game
I liked to crawl back into my brain I think you know the game I mean I mean the game called 'go insane' " -- Jim Morrison, The Celebration of the Lizard Sehr schön Dein Text schließt wunderbar an das Ende des "Originals" an, wie ich finde. Wie bei Morrison, eine geradezu fantasievolle Sprache. Ich bin fasziniert. LG, Meishere |
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10.06.2014, 11:10 | #6 | |
R.I.P.
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Zitat:
Jetzt komme ich mir regelrecht dumm vor. |
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10.06.2014, 12:35 | #7 |
Ich muss ja zugeben, dass ich "The Doors" (Die Band, in der Jim Morrison war) natürlich kannte, dieses Werk jedoch auch nicht. Aber nach ein wenig Recherche hab ichs gefunden und genossen
Vielleicht findet sich im Internet ja eine deutsche Übersetzung? Ansonsten könnte ich mich in einer ruhigen Minute auch mal dransetzen. Das ist für mich glücklicherweise keine "Monsteraufgabe" (trotz des Inhalts ) LG, Meishere |
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13.06.2014, 18:00 | #8 |
@shoshin
Manchmal reicht ein Wort Danke! @Thing Tatsächlich so rätselhaft? Mir kommt das alles so klar vor. Verdammt Freut mich trotzdem und gerade deswegen @simba Ich mich jetzt auch. Danke! @Meishere Ich finde es faszinierend, dass Du es so empfindest, dass es gut an den Schluss von The Celebration Of The Lizard anknüpft. Denn eigentlich habe ich außer dem Symbol des Echsenkönigs und etwas Bildgefühl nichts thematisch übernommen. Tatsächlich habe ich das Symbol einfach für meine "Zwecke" genutzt, aber bin zugegebenermaßen wahrscheinlich ganz im Sinne von Mr Mojo Risin vorgegangen Danke Dir dafür! @Thing Und deshalb muss man weder Englisch können, Jim Morrison oder das Gedicht von ihm kennen, um ganz hierbei sein zu können. Es würde lediglich bieten, sich mit einem Lächeln daran anlehnen zu können. LG Beteigeuze |
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13.06.2014, 21:51 | #9 |
Oh, das ist natürlich interessant
Vielleicht kommt dieser Eindruck daher, dass ich The Celebration of the Lizard erst nach deinem Gedicht eingehender gelesen habe? Ich kann mich erinnern gewisse Parrallelen gesehen zu haben. Aber das liegt wohl daran, dass beide Texte auch Interpretationsspielraum lassen, sodass ich wohl Parrallelen sehen wollte LG, Meishere |
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14.06.2014, 08:18 | #10 |
Beteiguze -
Ich möchte dein Gedicht wortlos kommentieren... Das geht.... Und allen anderen möchte ich erzählen, dass Jim Morrison ein begnadeter Poet war, was die wenigsten wissen. Leider zählt er zu den Künstlern , die schon mit 27 Jahren gestorben sind .... Einen guten Samstag Anna |
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20.06.2014, 13:50 | #11 |
@Meishere
Ja, warum sollte man es auch nicht so sehen?! Denn das Grundsymbol ist gleich, lediglich Aufbau und Inhalt unterscheiden sich, besitzen aber durchaus ihre Überschneidungspunkte. Und wie man etwas sehen will ist eine nicht zu unterschätzende (erlaubte) Komponente - Symbolismus lebt davon. @anna amalia Ja, das geht LG Beteigeuze |
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21.06.2014, 13:16 | #12 |
Sprachlich wirklich eine wahre Augenweide!
Gefällt mir sehr gut, auch wenn ich mich des Verständnisses wegen Thing anschließen kann, denn ganz klar ist mir der Inhalt nicht. |
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22.06.2014, 14:57 | #13 |
@TheLazyBum
Das scheinbar Fremde ist oft nicht leicht zugänglich, aber dann wieder leichter als man denkt. Mir hat immer geholfen, die Worte wirklich bildhaft und im Geschehen auf mich wirken zu lassen. Umgekehrt habe ich auch so meine Art des Schreibens gefunden. Ich danke fürs Lesen LG Beteigeuze |
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22.06.2014, 21:16 | #14 |
Howl?
Gewaltige Bilder! Es erinnert mich ein bisschen an Ginsbergs Howl. Ist es Teil deiner Inspiration oder hat nur der Moloch mich dahin gehend geleitet?
"What sphinx of cement and aluminum bashed open their skulls and ate up their brains and imagination? Moloch! Solitude! Filth! Ugliness!" |
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22.06.2014, 22:39 | #15 |
@Madasa Hatter
Howl kannte ich tatsächlich bisher noch gar nicht. Das habe ich eben aber gleich geändert. Vielen Dank, dass Du mich darauf gebracht hast, denn es hat sich wirklich gelohnt! Ich denke, der Moloch hat Dich dorthin geführt. Aber den findet man ja auch anderswo. Was mich vielleicht noch beeinflusst hat - wenn auch ganz und gar nicht unmittelbar -, ist Clark Ashton Smith mit The Hashish-Eater Or The Apocalypse Of Evil. Hat mit meinem Gedicht zwar rein gar nichts zu tun, dennoch liebe ich diese Visionskraft, die darin liegt und in die ich gerne selbst eintauche. Selbst hatte ich mich mal an einer Übersetzung ins Englische versucht. Zwar bin ich doch ganz gut in Englisch, doch da ich kein Muttersprachler bin, könnte sich der ein oder andere Fehler eingeschlichen haben. Wenn nicht, umso besser Danke Dir fürs Lesen! Hier also die Übersetzung: The Return Of The Lizard King The day was wilted long ago And the night awoke its creatures With silvery trumpets. It celebrated the unleashment of itself. I was sleeping or wakening (Is there a difference?) And did that step to the window. Normally I never did, I never ever left my home. But at this moment the glass sparkeled at me Like lustful diamonds, Released its apocalyptic desire. Finally I saw me. The view out ... A lights dance unto the grey, The dishonoured promise Of civilization to mankind. Calamity and desperation mated With hope and yearning, Conceived a Moloch out of their dirt. Symbol of progress. Nemesis. Behind it A viper-hearted outburst of shadows. (Again, the sound which shouldn’t exist!) There! now I saw the hordes! Hasty in movement, Which appeared like menace and temptation at the same time. Strange creatures. Bellies of slime-green moonlight, Whose gestures were lampooning the human mind, Thrusted toward upon the city. Their singing was a cacophony of obscenely croaking And insanity looked out of their eyes The long way into mine. I smiled. Battle calls from the aeons Of withered instincts sounded in me, Ripped my body in twain. And out of its ruins the soul Of the universe rised – ready To free the creatures of the elder worlds. Just like a ghost I floated over everything, Escaped from my home. I was just a susurration in the toad-heads, A command of elementary power, Which propeled them through the streets. Then I emerged myself out of my ethereal larva To a long-tongued, green scales-entity – A pre-cosmic will, free From stagnating palsy of reason. The humans holed up scared. Chaos – the power from which they rised once – Only lived as a rudimentary perversion In their hearts – as something which promises panic. And while my Pan Piped the horror behind him into their world, The satyrs were copulating the women, The nymphs debauched the wannabe-men In former safe streets. My lizard belly grew over the world, Everything merged and became everything again. Pure energy. Pulsation. All experiences of all ages were dancing On my scales, became a symphony, A new Creation. Finally I see me. A little human behind a window, Who suspected me in itself but recognize me just now While he is looking through my eyes. He is always me, I am always everything. He can never leave his home, I can never have one. Just sometimes, When the night is dark enough, The eyes can see. Then our glances will meet And open the doors to old promises. Just sometimes, When the Lizard King returns ... |
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22.06.2014, 22:55 | #16 | |
Wie gut, dass ich dieses Thema noch abonniert habe.
Fast hätte ich die Übersetzung ins Englische verpasst! Ich will mir nicht anmaßen über die sprachliche Qualität zu urteilen, mir fällt aber keine Unstimmigkeit auf. Natürlich erinnert es nun noch mehr an Morrison, wirklich schön. Besonders das Ende! Zitat:
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23.06.2014, 08:50 | #17 |
Beeindruckend!
Hey Beteigeuze.
Deine Übersetzung hat mir sehr gut gefallen und bewegt sich auf ganz hohem Niveau. Ich bin Englischlehrerin am Gymnasium und habe auch längere Zeit in Australien und Irland gelebt. Natürlich ist das kein Garant für gutes Englisch, aber wenn du willst schaue ich bei Gelegenheit mal genauer drüber. Als Vorgeschmack ein paar Anmerkungen zum Anfang: The Return Of The Lizard King The day was wilted long ago And the night awoke its creatures With silvery trumpets. It celebrated the unleashment of itself. I was sleeping or wakening (Is there a difference?) 1.awake And did that step to the window. Normally I never did, 2.Usually, do I 3.have never ever left my home. But at this moment the glass sparkeled at me Like lustful diamonds, Released its apocalyptic desire. Finally I saw me. 4.myself The view out ... A lights dance unto the grey, 5.a dance of lights Hier die Erlärungen dazu: 1. "wakening" geht natürlich auch, das hieße dann "am Erwachen", ich denke "awake" trifft deinen deutschen Text eher. Eine schöne Kollokation wäre "wild awake" 2. "usually" betont, dass du eine Gewohnheit des Ichs beschreibst, "normally" ist nicht falsch. "Do" oder "have done", siehe 4. 3. Das "I have" (oder "I've") muss hier, never ist ein Trigger für present perfect. 4. Hier brauchst du das Reflexivpronomen, "me" wäre Objektpronomen. 5. Das Englische erlaubt leider viel weniger Komposita als wir es vom Deutschen gewohnt sind. So würde jeder Muttersprachler das "dance" für ein Verb halten. Wenn du daran festhalten willst, muss mindestens ein Bindestrich her. Ich hoffe, das klang jetzt alles nicht zu belehrend... Es sind wie gesagt nur Anmerkungen. Nochmals Chapeau! Viele Grüße Geändert von Madasa Hatter (23.06.2014 um 08:56 Uhr) Grund: einheitliche Anführungszeichen für die Satzzeichenfans |
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23.06.2014, 09:52 | #18 |
@Meishere
Wie schön, dass Dich der Echsenkönig noch hält Ja, "the doors" am Ende ist natürlich ein Hinweis LG Beteigeuze @Madasa Hatter Nein, klang gar nicht belehrend. Im Gegenteil, ich hatte mir schließlich erhofft, meine Übersetzung noch ein bisschen auszubügeln. Sehr gut, dass ich da richtig gelandet bin Ja, an dem "Lichtertanz" hatte ich etwas gehangen, wohl wissend, dass man es im Englischen schlecht umsetzen kann. Muss also doch "dance of lights" her Hm, ja, Presend Perfect ist im Englischen dann wohl strenger als im Deutschen zu handhaben. Ich hatte an der Stelle im deutschen Text etwas gespielt, was man dann in Englisch so nicht machen kann. Wird gleich geändert. Wie baue ich "awake" ein? Denn in Deutsch steht ja "Ich schlief oder wachte", also nicht das Erwachen ist gemeint. Wäre dann nicht sogar "I slept or was awake" besser? Vielen Dank für die Hilfe! LG Beteigeuze |
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23.06.2014, 10:05 | #19 |
Freut mich, dass du das so siehst!
Es macht mir unglaublich Spaß über Sprache nachzudenken, nur treffe ich selten auf interessierte Ohren
Ich fände "I was sleeping or awake (bzw. wild awake)" am besten. Das geht, weil "awake" ein Adjektiv ist und man es zusammen mit dem Partizip verkürzen kann. Eine ganz nahe Übersetzung wäre dann: Ich war am Schlafen oder (hell)wach. Klingt auf Deutsch natürlich wiederum doof. Oh und vorhin hab ich übersehen, dass man "to do a step" nicht sagen würde. Wie wärs mit "...And took that step to the window"? Alles Weitere würde ich per PN klären, ist ja schon ein bisschen off-topic hier. Liebe Grüße und nen schönen Tag! |
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