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Liebe, Romantik und Leidenschaft Gedichte über Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft.

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Alt 05.11.2022, 20:17   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Lebendig begraben

Trübsal in Gemüt und Denken,
hob ich schwere Erde aus,
meine Liebe zu versenken,
schwitz' ich meinen Frust heraus,
und bei jedem Spatenstich
wünscht' ich, er zerteilte dich.

All ihr Wimmern, all ihr Flehen
hielt mich von der Tat nicht ab,
ohne ihr ins Herz zu sehen
stieß ich sie hinab ins Grab,
deckte sie mit schwerer Erde,
hoffend, dass sie sterben werde.

Und mit einem Wall aus Steinen
säumte ich die Todesstatt,
überzeugt: Ich bin im reinen,
hab die Liebe im Schachmatt.
Doch sie lässt mir keine Ruh,
raunt mir nachts ihr Leiden zu.

Und so geh ich in den Schuppen,
wo die Schlinge darauf lauert,
mich ins Totenreich zu wuppen,
achtlos dessen, was mir schauert.
Doch beim Anblick rauen Hanfs
denk ich: Nee, du blöde Gans!

05.11.2022
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Alt 06.11.2022, 09:11   #2
männlich Nöck
 
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Liebe Ilka,

dein Gedicht hebt sich wohltuend von vielen anderen ab, es ist originell und flüssig zu lesen. Besonders hat mir die "schwere Erde" gefallen, weniger, dass der Begriff zweimal auftaucht. Vielleicht könnte es auch "kalte Erde" oder so ähnlich heißen.

"Wuppen" allerdings zerstört mir die zuvor aufgebaute Stimmung.

Der Schluss ist genial.
LG Nöck
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Alt 06.11.2022, 09:37   #3
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Nöck Beitrag anzeigen
Besonders hat mir die "schwere Erde" gefallen, weniger, dass der Begriff zweimal auftaucht.
Gerade diese Wiederholung ist beabsichtigt. ich hätte aber auch schreiben können. "... mit gleicher Erde".

Zitat:
"Wuppen" allerdings zerstört mir die zuvor aufgebaute Stimmung.
Auch dieser Stilbruch ist Absicht.
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Alt 06.11.2022, 10:11   #4
männlich Anaximandala
 
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Ich würde mich Nöck gerne anschließen, das Gedicht ist dir gut gelungen.

Was ich nur nicht einordnen kann, ist die "Todesstatt". Mein erster Gedanke war, dass es "Todestat" sein sollte, aber schon des Reimes wegen glaube ich, du hast es bewusst so formuliert. Ich verstehe allerdings nicht warum.

An sonsten aber sehr schön!

Liebe Grüße
Anaxi
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Alt 06.11.2022, 10:35   #5
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Zitat:
Zitat von Anaximandala Beitrag anzeigen
Was ich nur nicht einordnen kann, ist die "Todesstatt". Mein erster Gedanke war, dass es "Todestat" sein sollte, aber schon des Reimes wegen glaube ich, du hast es bewusst so formuliert.
Da zeigt sich, dass viele Wörter nicht mehr bekannt sind.

Guten Morgen, Anaximandala.

Mit "Statt" oder "Stätte" bezeichnet man nichts anderes als einen Platz, eine Stelle oder einen Ort. Man spricht noch von der "Werkstatt", verloren ist jedoch ein Wort wie "Schlafstatt" (Bett, Ruhelager). Betten, wie wir sie kennen, gab es früher nur für den Adel, der gemeine Mensch ruhte auf einer Schlafstatt aus Stroh.

Eine Todesstatt (Todesstätte) ist nichts anderes als ein Grab. Deshalb spricht man von der "Bestattung": Man verbringt einen Toten zu seiner letzten Stelle.

Da ich schon im Vorschulalter lesen konnte und Bücher verschlang, in denen viel altes Wortmaterial vorkam, bin ich immer wieder erstaunt darüber, wieviel davon inzwischen im Orkus verschwunden ist. Es würde schon genügen, Grimms Märchen zu lesen, um sich mit alten Begriffen vertraut zu machen. Mittlerweile gibt es aber auch Lexika über ausgestorbene Wörter.
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Alt 07.11.2022, 01:59   #6
männlich Anaximandala
 
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Hi Ilka,
ja in der Form ist mir das Wort wirklich noch nicht begegnet. Natürlich, jetzt wo ich es weiß, ist es absolut klar... bisher ist mir auch die Verbindung von (Werk)statt zu (Werk)stätte noch nicht begegnet, zumindest nie bewusst, so hab ich es nie abgespeichert. Genauso der Bezug zur Beststtung.
Aber man lernt ja nie aus

Wortverwandtschaften und ihre Ursprünge sind an sich etwas, das ich ziemlich interessant finde. Gelesen hab ich früher selbst unglaublich viel, aber ich glaube da war nichts dabei, das mir alte Worte nähergebracht hätte.

Danke für die Erklärung!

Liebe Grüße
Anaxi
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Alt 07.11.2022, 16:17   #7
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Anaximandala Beitrag anzeigen
... bisher ist mir auch die Verbindung von (Werk)statt zu (Werk)stätte noch nicht begegnet, zumindest nie bewusst, so hab ich es nie abgespeichert. Genauso der Bezug zur Bestattung.
So ganz das gleiche bedeutet es auch nicht, unter "Werkstätte" kann man auch "Wirkungsstätte" verstehen.

Aber zum Gedicht:

Normalerweise nehme ich Kritik ernst, deshalb habe ich mir wegen Nöcks Anmerkungen Gedanken gemacht, was noch gehen könnte. Ich kann euch eine überarbeitete letzte Strophe anbieten:

... Doch sie lässt mir keine Ruh,
raunt mir nachts ihr Leiden zu,

bis ich um die stärkste Strebe
unterm Dach die Schlinge knote
zwischen Staub- und Spinngewebe,
dran zu baumeln bis zum Tode.
Doch beim Fühlen rauen Hanfs
denk ich: Nee, du blöde Gans!

Vielleicht kommt sie ja gefälliger rüber.

VG
Ilka
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Alt 07.11.2022, 20:58   #8
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria
Vielleicht kommt sie ja gefälliger rüber.
Das tut sie, auch wenn knote/Tode nach Brechstange riecht. Die düstere Stimmung bleibt so viel besser erhalten.

LG Nöck
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