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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 02.01.2023, 12:44   #1
männlich Erhard Gratz
 
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Standard Die Ordnung der Savanne

Die Ordnung der Savanne

Die Hitze ist lastend. Die Sonne verbrennt die Oase.
Ein Augenpaar mustert mich forschend und wach.
Knöpfe so schwarz wie die mondlose Nacht,
und aufgeregt schnuppert die winzige Nase.

Dann springt es zurück in den Bau, in das schützende Dunkel.
Gebannt aber ratlos, wer dieses Wesen wohl sei,
treibt nach Sekunden die Neugier es wieder herbei
und wieder ergötzt mich der Knöpfe Gefunkel.

So spielerisch ängstlich, so arglos verwegen im Zaudern,
entzückt mich noch lange das kindliche Biest.
Doch Ahnung, die jetzt schon im Künftigen liest,
läßt dennoch mich ratlos und zweifelnd schaudern.

Wohl kaum übers Jahr und dein Anblick verbreitet Entsetzen
bei denen, die du dir als Opfer gedacht,
die nicht mehr erleben das Ende der Nacht;
die du wirst gefühllos zum Tode hetzen.

Den lahmenden Büffel, die spielende junge Gazelle:
die Knopfaugen mustern sie, forschend und kalt.
Du und die Deinen, noch zögernd, doch bald
seid ihr zur Hatz auf die Beute zur Stelle.

Der Lauf der Hyäne, kein Kräfte verschlingendes Jagen,
geduldiges Traben doch eher, und dann
stürzt auch der Büffel. Der Zuschauer kann,
was kommt, nur schauen mit Furcht und Verzagen.

Mächtige Kiefer, sie graben sich in die Gedärme
des Opfers, das brüllend vor Qual mit den Hufen schlägt
und röchelnd das sehr, sehr langsame Ende erträgt.
Das Raubtier genießt die dampfende Wärme.

Das Stöhnen verstummt, die Savanne sinkt wieder in Stille.
Hyänen verdösen den lastenden Tag.
Ein Jegliches nimmt’s, wie es kommen mag
und beugt sich: es ist des Geschickes Wille.

So wirst denn auch du, knopfäugig kleine Hyäne,
einst Teil dieser Ordnung. - Der menschliche Blick
wird dir nicht gerecht, denn du bist ihm nicht schick:
Abfallender Rücken und schmutzige Mähne.
Erhard Gratz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.01.2023, 16:48   #2
männlich MonoTon
 
Benutzerbild von MonoTon
 
Dabei seit: 04/2021
Beiträge: 1.105

Hallo Erhard Gratz

Zitat:
Die Hitze ist lastend. Die Sonne verbrennt die Oase.
Ein Augenpaar mustert mich forschend und wach.
Knöpfe so schwarz wie die mondlose Nacht,
und aufgeregt schnuppert die winzige Nase.
xXxxXxxXxxXxxXx
xXxxXxxXxxX
XxxXxxXxxX
xXxxXxxXxxXx

Hmmm? Z3 was das? Haben wir da den Auftakt vergessen, oder gezielt weggelassen?
Vielleicht gibt S2 aufschluss.

Zitat:
Dann springt es zurück in den Bau, in das schützende Dunkel.
Gebannt aber ratlos, wer dieses Wesen wohl sei,
treibt nach Sekunden die Neugier es wieder herbei
und wieder ergötzt mich der Knöpfe Gefunkel.
xXxxXxxXxxXxxXx
xXxxXx||XxxXxxX
XxxXxxXxxXxxX
xXxxXxxXxxXx

Lese und kommentiere ich gerade ein Pentameter in elegischer Form? Die Zäsur lässt mich das glauben.
Z3 wiederholt sich aber in Z2 tritt etwas neues hervor, nämlich eine hörbare Pause in Form einer Zäsur. Gefällt mir gut weil es den monotonen und melancholischen Charakter des Daktylus aufbricht. Beide Strophen wirken wie ein sinnieren, ein in Erinnerung oder im Moment schwelgen. Friedlich, fast verspielt.

Zitat:
So spielerisch ängstlich, so arglos verwegen im Zaudern,
entzückt mich noch lange das kindliche Biest.
Doch Ahnung, die jetzt schon im Künftigen liest,
läßt dennoch mich ratlos und zweifelnd schaudern.
xXxxXxxXxxXxxXx
xXxxXxxXxxX
xXxxXxxXxxX
xXxxXxxXxXx

Okay, jetzt wirkt es etwas willkürlich, man erkennt zwar ganz klar Daktylus, aber der Grundton hat sich geändert im Gegensatz zu S1 und S2 klingt der Ton hier fordernd, fast agressiv-bedrohlich.
Das Metrum hat sich verknappt, es spielt nicht mehr. Lyr.ich wirkt hier sehr aktiv und aufgebracht.

Zitat:
Wohl kaum übers Jahr und dein Anblick verbreitet Entsetzen
bei denen, die du dir als Opfer gedacht,
die nicht mehr erleben das Ende der Nacht;
die du wirst gefühllos zum Tode hetzen.
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xXxxXxxXxxX
xXxxXxxXxxX
xXxxXxxXxXx

Wut und die Tatsache, dass sich das Metrum in S4 exakt so verhält wie in S3 verstärkt in mir das Gefühl, das Lyr.ich aufgebracht und in Rage ist.
Auch der Inhalt lässt dies vermuten.
S1 und S2 lassen mich an eine Katze denken
S3 und S4 und die Erwähnung eines "kindlichen Biestes" geben mir Rätsel auf. Schwarze Knopfaugen, aber kindlich (wild) verbiestert (unkontrolliert) zu Tode hetzend.
Im Rückblick auf die Überschrift, in der die "Savanne" erwähnung findet, wird es sich hier wohl um ein Raubtier der Savanne handeln. Kindlich kann als naiv aufgefasst werden, oder kindliches Verhalten wie weinen, kreischen, lachen.

Zitat:
Den lahmenden Büffel, die spielende junge Gazelle:
die Knopfaugen mustern sie, forschend und kalt.
Du und die Deinen, noch zögernd, doch bald
seid ihr zur Hatz auf die Beute zur Stelle.
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xXxxXxxXxxX
XxxXxxXxxX
XxxXxxXxxXx

die Betonung in Z4 finde ich schwierig gewählt. "Seid" ist ein sehr schwaches Wort um eine Betonung zu erhalten. Ausschließlich der Kontext wies mich darauf hin, dass hier eine Betonung statt findet. Ich glaube sogar dass die betonungsschwere eher auf "ihr" liegt, aber das würde den Daktylus kaputt machen.
Zudem vermute ich nicht, das hier ein erneuter metrischer Wechsel statt findet, da es sonst irgendwann zu verwirrend für den Leser werden könnte.

Zitat:
Der Lauf der Hyäne, kein Kräfte verschlingendes Jagen,
geduldiges Traben doch eher, und dann
stürzt auch der Büffel. Der Zuschauer kann,
was kommt, nur schauen mit Furcht und Verzagen.
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XxxXx|xXxxX
xX||xXxxXxxXx

Ich mag Zäsuren.

Zitat:
Mächtige Kiefer, sie graben sich in die Gedärme
des Opfers, das brüllend vor Qual mit den Hufen schlägt
und röchelnd das sehr, sehr langsame Ende erträgt.
Das Raubtier genießt die dampfende Wärme.
XxxXxxXxxXxxXx
xXxxXxxXxxXxX
xXxxX||xXxxXxxX
xXxxX|xXxxXx

Hier wird ganz toll deutlich wie unterschiedlich eine Betonung im Kontext ausfallen kann, auch wenn es sich um das selbe Wort handelt, welches sich aber im Zweiten Lautfolgen unterzuordnen hat. Klasse.

Zitat:
Das Stöhnen verstummt, die Savanne sinkt wieder in Stille.
Hyänen verdösen den lastenden Tag.
Ein Jegliches nimmt’s, wie es kommen mag
und beugt sich: es ist des Geschickes Wille.
xXxxXxxXxxXxxXx
xXxxXxxXxxX
xXxxX|xxXxX
xXx|xXxxXxXx

Zitat:
So wirst denn auch du, knopfäugig kleine Hyäne,
einst Teil dieser Ordnung. - Der menschliche Blick
wird dir nicht gerecht, denn du bist ihm nicht schick:
Abfallender Rücken und schmutzige Mähne.
xXxxX||XxxXxxXx
xXxxXx|xXxxX
xXxxXxxXxxX
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Okay zumindest brauche ich nicht mehr Rätseln um welches Tier es sich handelt, es steht im Kontext und heißt Hyäne.
Ansich fand ich den Text sehr spannend, aber tatsächlich war er etwas verwirrend. Das Metrum hielt sich zwar im Daktylus (mal im Auftakt, mal Auftaktlos) aber im Großen und Ganzen war das Metrum für mein Empfinden leider etwas zu hektisch.
Es sollte zwar die Jagdsequenzen darstellen wie ich vermute und sollte den Grundton Transportieren (das Tat es sogar, weil es hektisch wirkte) aber das erschwerte mir sehr das korrekte zuordnen der Phoneme.
Vielleicht hab ich mir aber auch deinen schwersten Text für einen ersten Kommentar ausgesucht. Ich hoffe du kannst aus der Kritik etwas für dich mitnehmen.
Es hat dennoch spaß gemacht und ich habe das Gedicht gerne gelesen.

Lg Mono
MonoTon ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.01.2023, 17:53   #3
männlich Erhard Gratz
 
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Hallo MonoTon,

Du hast Dir mit Deiner Kritik wahrlich viel Mühe gemacht und dafür schulde ich Dir Dank.

Dass Du zu Anfang rätseln musstest, war gewollt, so wie der Titel auch nicht “Die Hyäne” sondern “Die Ordnung der Savanne” hieß. Es ging nicht um die Tierspezies sonder um die Spannung zwischen Natur und unserer kulturell geprägten Wahrnehmung ihrer Geschehnisse.

Da ich etwas erzählen wollte, das sich nicht in abstrakten Höhen verlieren sollte, suchte ich nach der passenden Gedichtform. Es kam für mich eine Form in der Nähe von epischem Distichon und Ballade in Frage, ohne dass ich mich in der Reinform einer Gattung fesseln wollte. Deshalb ist auch der Daktylus nicht durchgängig rein gehalten, manchmal sogar bewusst gestört (S7, Z3), damit die Verse nicht “klappern”.

Wenn ich damit die Übermittlung einer Stimmung verfehlt habe oder gar eine Stimmung erzeugt habe, wo gar keine war, muss ich wohl damit leben. Das ist ja ständig das Problem in der Lyrik, die drohende Abweichung zwischen Senden und Empfangen.

Ein Wort noch zur Entstehung des Gedichts: Ich habe mich vor Jahren in der ostafrikanischen Savanne tatsächlich über das ambivalente Verhalten eines Hyänenbabys zwischen Furcht und Neugier amüsiert. Die Mutter döste etwas abseits, ohne groß Notiz von mir zu nehmen, und ansonsten lungerten einige ausgewachsene Hyänen um mich herum.
Ich sinnierte über meine zuneigenden Gefühle dem Hyänenkind gegenüber und den abweisenden Empfindungen gegenüber den Alttieren, deren grausame Jagdmethoden ich kannte. Sie fressen das zu Fall gebrachte Opfer irgendwo an, obwohl es noch bei wachem Bewusstsein ist.
Hyänen sind für uns keine Schönheiten und sie haben ein schlechtes Image, aber damit tun wir ihnen Unrecht. Auch wenn wir ihr Treiben kaum ertragen, haben wir kein Recht, es zu bewerten. Die Natur ist wie sie ist, und nur uns Menschen befällt bisweilen Mitleid.
Ich hatte damals keine besonderen Emotionen, (Lyr.ich war nicht aufgebracht und in Rage), aber ich habe immer mal wieder darüber nachgedacht.

Nochmals vielen Dank für Deine Kritik.

Erhard
Erhard Gratz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.01.2023, 13:24   #4
männlich Heinz
 
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Lieber Erhard Gratz,
ein Gedicht, das sich wohltuend von vielen anderen abhebt! Ob MonoTons Kommentar in allen Punkten zutreffend ist, weiß ich noch nicht.
Von mir kommt zunächst mal ein großes Lob und eine Frage:
"und wieder ergötzt mich der Knöpfe Gefunkel."
Wie kann etwas funkeln, wenn eine stern- und mondlose Nacht herrscht?
Ein Funkeln von Augen kann doch nur entstehen, wenn die Augen irgendeine Lichtquelle widerspiegeln. Da scheint mir (es ist eine Wínzigkeit) ein gedanklicher Lapsus vorzuliegen.
Über das ganze Gedicht werde ich noch meinen Senf dazu geben.
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.01.2023, 15:51   #5
männlich Erhard Gratz
 
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Hallo Heinz,

S1, Z3 beschreibt die Augen als Knöpfe, die so schwarz sind wie die mondlose Nacht.
In S2, Z4 steht das Lyrische Ich in der Sonne und ergötzt sich am Gefunkel der Knöpfe.
(Ich habe es im Nähkasten meiner Frau nachgeprüft: es geht.)

Gruß,
Erhard
Erhard Gratz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.01.2023, 15:59   #6
männlich Heinz
 
Benutzerbild von Heinz
 
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Beiträge: 7.879

ich gestehe nicht sorgfältig genug gelesen zu haben. Pardon!
H.
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.05.2023, 11:53   #7
männlich Erhard Gratz
 
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Guten Tag, lieber Heinz,
Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Über das ganze Gedicht werde ich noch meinen Senf dazu geben.
Heinz
Da es gestern Senfeier zu Mittag gab, wurde ich unwillkürlich an Deine Zusage erinnert.

Gruß,
Erhard
Erhard Gratz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.05.2023, 19:01   #8
weiblich Ex-LetterLady
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Beiträge: 108

Wonderful?
NoGo.
Ex-LetterLady ist offline   Mit Zitat antworten
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