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Alt 23.11.2022, 20:34   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Das Haus in Magiersfelden

"Dann hätten wir soweit alles besprochen." Axel Schönbohm klappte die Mappe mit dem Exposé zu, kramte in seiner Aktentasche und legte ein Schlüsseletui und ein gefaltetes Blatt darauf. "Hier sind die Eingangsschlüssel und die Schlüssel zum Keller und dem Schuppen. Und eine Kopie von der Ortslage. Der Weg zum Haus ist rot markiert."

Nadine und Christian geleiteten Schönbohm zur Tür. "Rufen Sie mich an, wenn sie es besichtigt haben und noch Fragen offen sein sollten", sagte er zum Abschied und ging zu seinem Audi, den er vor dem Garagentor geparkt hatte. Bevor er einstieg, winkte er den beiden nochmal zu. "Ich bin sicher, dass es ihnen gefallen wird."

Nadine schloss die Tür und lächelte Christian an. "Wann?"

"Gleich morgen? Ich bin wahnsinnig neugierig."

Nadine jauchzte, fiel Christian um den Hals und küsste ihn auf die Wange. "Du bist ein Schatz."

Das Fachwerkhaus in Magiersfelden war steinalt, aber gut in Schuss. Ohne Zweifel hatten seine bisherigen Eigentümer alles getan, um es zu erhalten, sowohl was die Außenansicht betraf als auch die Modernisierung des Innenlebens. Die Fenster waren brandneu. Obwohl die Zimmer längst mit einer Zentralheizung ausgestattet waren, hatte man den Kachelofen, der aus der Zeit des Alten Fritz stammen mochte, an seinem Platz in der Küche gelassen. Das Dachgeschoss war zu einem Gästezimmer ausgebaut, mit einer Kochnische und einer Dusche. Auf den Anbau einer Garage hatte man verzichtet, aber es gab einen Carport. Hinter dem Haus erstreckte sich eine Grünfläche bis zu einem schmalen Bach.

"Es ist phantastisch", schwärmte Nadine. "Wer verkauft ohne Not ein solches Anwesen?"

"Kann uns doch egal sein. Komm mit in den Keller."

Das Gewölbe unter dem Haus war trocken und kühl, ideal als Speisekammer und zum Lagern von Wein. "Nehmen wir's?", fragte Nadine. Christian sah den Glanz in ihren Augen. "Wir nehmen es." Er küsste sie auf die Stirn. "Dann wirst du hoffentlich deine kleinen Geister los."

Hoffentlich, dachte Nadine, wir müssen zur Ruhe kommen. Und klein waren ihre Geister keineswegs. Sie schätzte sich glücklich, dass Christian mit ihr geduldig und schließlich bereit war, ihr Haus, für das sie beide mit Leidenschaft geschuftet hatten, aufzugeben und nochmal neu anzufangen. Das Haus, in dem sie lebten, war ebenfalls alt. Sie hatten es kostengünstig erworben, gerade noch passend zu ihrem Einkommend. Aber die Atmosphäre in seinen Räumen hatte Nadine verstört, ihr Albträume bereitet und sie an den Rand eines Nervenzusammenbruchs gebracht.

Sie hatte lange gebraucht, um mit Christian darüber zu reden und sich einem Psychotherapeuten anzuvertrauen, denn sie hatte Angst, man könne sie für verrückt halten. "Der Psycho-Fuzzi findet nichts", teilte sie Christian nach zwanzig Sitzungen resigniert mit. "Er meint, wir sollten uns nach einer anderen Bleibe umsehen, dann könnte es besser werden."

"Na gut", meinte Christian lapidar, "wenn's hilft, ziehen wir halt um."

Der Umzug war an einem Freitag, und danach waren Nadine und Christian fix und fertig. Sie ließen sich auf ihren Matratzen nieder, die auf dem Boden lagen, und schliefen augenblicklich ein. Am Samstag stellten sie ihr Bett auf und liebten sich bis in die Morgenstunden. Sonntag war Ruhetag. Danach dauerte es eine geschlagene Woche, bis Hab und Gut an ihrem Platz standen. Nadine probierte den Kachelofen aus, der zu ihrer Überraschung funktionierte. Sie machte vor Vergnügen einen Hüpfer.

Nachts wurde sie wach. Jemand schlurfte über die Dielen, gedämpft wie mit nassen Füßen, und schien vor ihrem Bett stehenzubleiben. "Pass auf deine Lieben auf! Du bist schuld, wenn ihnen etwas zustößt. Du bist schuld, du bist schuld, du bist schuld …

"Nicht schon wieder!", brannte es in Nadines Kopf. Sie schaltete die Nachttischlampe an, aber niemand war zu sehen. "Wo bist du?", flüsterte sie, bekam aber keine Antwort." Ein kalter Hauch blies ihr ins Gesicht. Und da begann sie zu schreien. "Wer bist du? Wo bist du? Warum zeigst du dich nicht?"

Christian fuhr aus dem Schlaf und nahm Nadine in den Arm. "Schon wieder?" Sie senkte ihren Kopf auf seine Schulter. "Dieses Etwas ist wieder da. Ich weiß nicht, ob es weiblich, männlich, ein Engel oder ein Dämon ist." Sie schluchzte zum Gotterbarmen. "Ich werde diesen Geist nicht los, egal, wohin ich gehe. Hilf mir! Ich will nicht ins Irrenhaus!"

"Versuche, wieder zu schlafen, Nadine. Morgen sieht alles anders aus. Nichts währt ewig. Auch dein Geist wird irgendwann mal müde."

Aber es war Christian, der in der nächsten Nacht aus dem Schlaf gerissen wurde, weil er Schritte gehört hatte und ihn der eisige Atem einer Gestalt streifte, die an seinem Bettrand zu stehen schien. Er knipste die Nachtischlampe an: Niemand war da, aber er spürte wieder diesen eisigen Hauch in seinem Gesicht. Panik ergriff ihn, und er rüttelte Nadine an der Schulter. "Nadine, wach auf!". Sie schlug die Augen auf und erspürte den Raum im Bruchteil einer Sekunde. "Du hast es auch gehört?"

Christians Stimme war heiser. "Gehört und gespürt. Dieses Etwas steht direkt neben mir."

Nadine nahm Christians Hand und zog ihn aus dem Bett. "Raus hier!" Und während sie aus dem Haus flohen, spürten sie, wie der kalte Hauch ihnen zu folgen und sie einzuhüllen versuchte.

Erschöpft kauerte Christian an Nadines Busen. "Wo sollen wir jetzt noch hin?"

"Ich weiß es nicht", antwortete Nadine. "Wir bleiben einfach hier. Bis zu unseres Lebens Ende. Hier unten am Bach, zwischen den Birken und beim Gesang der Amseln, des Dompfaffs und zuweilen der Nachtigall. Neulich war eine da, ich habe sie gehört. Sie sang bis in die Morgenstunden, und solange sie sang, ließ der Geist von mir ab."

"Niemand wird uns glauben."

"Niemand."

Ein Nachbar entdeckte Nadine und Christian am Ufer des Baches, ineinander verschlungen und friedlich wie im Schlaf, aber mausetot. Sie starben in der Blüte ihres Lebens. Die Autopsie ergab null und nichts. Ihre Organe waren ohne Schaden gewesen und hatten ihre Arbeit getan. In den Lehrbüchern für Mediziner sind sie eine Fußnote der ungelösten Fälle.
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Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.11.2022, 10:11   #2
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Liebe Ilka,

eine schöne Gruselgeschichte mit ein paar Unstimmigkeiten.

Zitat:
Der Umzug war an einem Freitag. und danach waren Nadine und Christian fix und fertig. Am Samstag stellten sie ihr Bett auf .
Und wo haben sie von Freitag auf Samstag geschlafen, wenn Freitag der Umzug war? Die Betten stellt man immer zuerst auf.

Zitat:
. Christian fuhr aus dem Schlaf und nahm Nadine in den Arm. "Schon wieder?" Sie senkte ihren Kopf auf seine Schulter. "Dieses Etwas ist wieder da. Ich weiß nicht, ob es weiblich, männlich, ein Engel oder ein Dämon ist." Sie schluchzte zum Gotterbarmen. "Ich werde diesen Geist nicht los, egal, wohin ich gehe. Hilf mir! Ich will nicht ins Irrenhaus!"

"Geh zu Bett, Nadine.
Da ist sie doch schon ...man hätte: „Versuch zu schlafen, Nadine" schreiben können.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.11.2022, 10:19   #3
weiblich Ilka-Maria
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Völlig richtig. Das muss ich umschreiben. Immer gut, wenn jemand gegenliest. Außer der Sache mit dem Bett, man kann vorerst auch auf der Matratze am Boden schlafen. Hatte ich schon gehabt.

Mein Sohn pflegt nach einem Umzug zuerst seinen Computer aufzustellen und die Peripherie anzuschließen .

P.S.:
Habe die monierten Stellen überarbeitet.
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