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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 05.02.2023, 10:24   #1
weiblich Rumpelstilz
gesperrt
 
Dabei seit: 01/2023
Ort: Berlin
Beiträge: 311

Standard Heimfinden

Hier, in der Tiefe der Mitternacht,
in der hölzernen Stunde, sag mir:
Wem klagt der Tau, Liebster,
wenn er weint?

Wind war ich,
vergessen wie der Stumpf jener Buche.
Ohne dich Schmerz nur und Zorn.
Ich sah den Marmor im Auge
der Blinden.

Mit kühler Stirn
liege ich, lausche dem Rauschen
der Wände. Lehre mich sehen,
wundes Herz, in der
Finsternis.
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Alt 05.02.2023, 12:06   #2
weiblich Donna
 
Dabei seit: 02/2020
Beiträge: 406

Upps, liebe Rumpelstilz,

wie willst du bei diesen Bildern heimfinden, wie zumindest soll der Leser einen Sinn finden, oder sich zurechtfinden? - Stockdunkel in tiefster Mitternacht bleiben mehr Fragen als Klarheit.
Dein Gedicht ist für mich eine Herausforderung, weil ich schon an wesentlichen Erkennungsmerkmalen zu scheitern drohe. Welche Situation ist da beschrieben?
Ich will es fragmentarisch und mit kühler Stirn versuchen, vielleicht kommen andere Ideen noch hinzu, um das Bild zu ergänzen oder aufzuschlüsseln.
Wer ist das LI und wer ist das LD? Und warum will mir das Gesamtbild so ungeordnet erscheinen?
Die Überschrift "Heimfinden" könnte auf einen Sterbeprozess oder depressive Sehnsucht hindeuten, welche mit der Vorstellung einhergehen, wieder in die Natur eingebunden zu sein und in ihr aufzugehen. Ist der "Liebste" vielleicht die Natur? Ich nehme es in meiner Betrachtung einfach mal an, da zuviele Naturbegriffe Verwendung finden.

In der ersten Strophe befragt das LI die "Natur", was es mit dem Tau auf sich hat. In der Verbindung Tau und Tränen könnte die Verbundenheit zur Natur erkennbar sein. Die hölzerne Stunde? - in äußerlich hölzerner Begrifflichkeit ist vielleicht eine Sargsituation gemeint.

In der zweiten Strophe antwortet die Natur, ebenfalls in einer vermenschlichten Gestalt. Es hat anscheinend Sehnsucht nach einer Vereinigung mit dem LI "ohne dich Schmerz nur und Zorn" .
Tau, Wind und die abgebrochene Buche deuten zumindest auf eine fragile Natur hin. Sie ist genauso vergänglich wie der Mensch. Wind und Tau sind hier emotionale Ausdrucksweisen.
Marmor im Auge der Blinden? Soll wirklich die Farbschattierung getrübter Augen beschrieben werden, oder will Marmor mehr? Der Wind, der über blinde Augen fährt stellt das verbindende Element her.

Die dritte Strophe deutet einen Erkenntnisprozess an.
Blind, Zorn, wundes Herz in der Finsternis deuten auf ein menschliches Wesen hin, welches etwas waidwund unterwegs ist.
Aber vielleicht gehören die Gefühle gleichzeitig zu "beiden" Wesen. Sind beide blind, und aufeinander angewiesen?
Lehre mich sehen, wundes Herz... An welchen Erkenntnisprozessen will der vermeintlich Sterbende teilhaben? Warum wird hier wundes Herz in bewährter Herz- Schmerz Tradition bemüht? Ist das Herz das verbindende Organ zur Natur?

Will da jemand sehenden Auges sterben? Ist doch eine depressive Stimmung federführend?
Wird hier die Gleichzeitigkeit von Tod, Leben, Natur und Mensch beschrieben?
Im auffälligen Hinweis auf die Blindheit, die Finsternis und Dunkelheit scheint mir der Schlüssel zum Gedicht zu liegen, aber vielleicht tapse ich gerade in völliger Umnachtung auf einem hölzernen Weg.
Insgesamt noch etwas blind und ratlos, aber gerne gelesen,
LG Donna

Geändert von Donna (05.02.2023 um 15:12 Uhr)
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Alt 05.02.2023, 14:58   #3
weiblich Rumpelstilz
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Ort: Berlin
Beiträge: 311

Standard Heimfinden

Liebe Donna,

zumindest ist erkennbar, dass es sich um ein Gespräch zwischen Mann und Frau handelt. Und das in einer finsteren Zeit. Ich benutze die Metapher der Nacht, um sie zu bezeichnen. Auch die hölzerne Stunde für eine schreckliche Zeit ist eine Metapher. Auch Marmor im Auge der Blinden ist eine Metapher, genauso wie der weinende Tau. Benutzt du keine Metaphern? Von dir habe ich hier leider noch nichts gelesen. Wird nachgeholt.

Warum aber habe ich dem Gedicht den Titel "Heimfinden" gegeben? Man muss nicht von Ort zu Ort heimfinden, man kann auch nach einem Gespräch zu sich selbst finden. Auch das ist ein Heimfinden.

Ich habe Verständnis dafür, dass du beim ersten Lesen des Gedichts nur Bahnhof verstehst. Ja, das Gedicht ist nicht einfach zu verstehen, das soll es auch gar nicht, und das wird natürlich von der lyrischen Sprache unterstützt.
Letztlich schreibe ich im Gedicht keinen Prosatext.

Lieben Gruß, Rumpelstilz
Rumpelstilz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.02.2023, 15:13   #4
weiblich Donna
 
Dabei seit: 02/2020
Beiträge: 406

Zitat:
Zitat von Rumpelstilz Beitrag anzeigen
zumindest ist erkennbar, dass es sich um ein Gespräch zwischen Mann und Frau handelt.
Der Autor weiß, wovon er schreibt, aber woran sollte der Leser das so sicher festmachen können?

Zu den Metaphern im Dialog zwischen Mann und Frau:
Es sind zumindest sehr plastische Bilder, die ich gar nicht infrage stellen mag,
und welche ich gerne lese, zu welchen ich mir aber erst einen Zugang verschaffen muss, um es im lyrischen Kontext zu verstehen.
Für was genau steht die hölzerne Stunde? Meint es eine hölzerne steife Diskussion oder eine ausladende Diskussion vom Stöckchen aufs Hölzchen kommend? Ist es in einer art Analogie zur bleiernden Zeit gemeint, wo nichts passieren will? Das sind ja immerhin diametrale Bilder, welche solche Metaphern erzeugen.
Welches übertragene Bild meint das Marmor in den Augen der Blinden. Es beschreibt vordergründig die marmorierte Farbkonsistenz des erblindeten Augapfels. Soll es eine Steigerung bzw. Verstärkung der "geistigen Erblindung" darstellen? Gedacht quasi als " Pleonasmus"?
Beim weinenden Tau wird das Bild für mich schon etwas konsistenter, jedoch eher in der Naturverbundenheit, mit welcher ich dein Gedicht spontan gelesen hatte.

LG Donna

Geändert von Donna (05.02.2023 um 16:26 Uhr)
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Alt 06.02.2023, 08:17   #5
weiblich Rumpelstilz
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Dabei seit: 01/2023
Ort: Berlin
Beiträge: 311

Standard Heimfinden

Liebe Donna,

naja, so ungefähr. Hast es ja schon verstanden, aber etwas sträubt sich in dir, weil dir da einiges neu ist. Ja, die Analogie zur bleiernen Zeit ist in etwa gemeint, wenn ich von der hölzernen Stunde schreibe.

Zum Marmor im Auge der Blinden müsste ich eigentlich nichts erklären.
Ja, das ist das Problem mit vielen Menschen, sie halten sich nicht für blind, sondern für rundherum aufgeklärte Menschen. Aber man kann nur mit sehenden Augen etwas erblicken, das dürfte klar sein.

Hab vielen Dank für dein Interesse für dieses kleine Gedicht.

Lieben Gruß, Rumpelstilz
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Alt 06.02.2023, 14:20   #6
weiblich Donna
 
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Beiträge: 406

Ich mag das Gedicht, weil es Räume für persönliche Deutungen und Sichtweisen zulässt und eine Stimmung zu transportieren weiß. Wenn du dieses hier speziell als Mann/ Frau Dialog verstanden haben willst, brauchen begriffsstutzige Leser wie ich irgendeinen Ahaltspunkt, weil sich das Gedicht nicht selbst erklären kann, z.B. in der Überschrift, welche hier in eine völlig andere Richtung lenkt. Das Missverständnis muss vermutlich bei vielen erst ausgeräumt werden, ehe es verstanden werden kann, und das ist schade.
l.G.D.
Donna ist offline   Mit Zitat antworten
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