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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 13.01.2023, 14:17   #1
männlich Heinz
 
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Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Standard Nicht weinen!

Mit blaugefrorener Hand zieht ein Bub
seinen Schlitten den Gehweg entlang.
Die Kufen kratzen knirschend über gestreute Asche.
Lauschend bleibt er stehen, benutzt den Ärmel
der wärmenden Jacke zum Putzen der Nase
und sieht die eisenbeschlagenen Hufe des Pferdes,
des eingeschirrten Gaules schweren Hufe sieht er zuerst,
hört sie stampfen, treffen sie das Pflaster, klirren.

Kaum geräumt ist die glitschende, vom Eis bedeckte Straße.
Mit sicheren Schritten gleichen Maßes zieht das Pferd
den großberäderten Wagen. Zu schnellerem Gang vom Kutscher
getrieben, rutscht es aus und hilflos auf die Kruppe kracht
mit schlagenden Hufen unter Flüchen des Kutschers das große Pferd,
von Kinderaugen, schreckgeweiteten Kinderaugen und gaffendem
Volke, scheppernd lachendem, genau gesehen und der Pöbel grölt:
Ein Gaul ist gestolpert, gestürzt ist `ne Mähre.

Allein das Kind mischt nicht seine Stimme ins Geheul der Menge,
es tritt hinzu, schaut in die Augen des Pferdes hinein und sieht,
wie Träne auf Träne aus den Augen des Pferdes rinnt;
Tropfen um Tropfen verschwindet glitzernd in der geflochtenen Mähne.
Da entströmen Tränen des Mitleids, des hilflosen Zorns dem Kind.
"Mein Pferd, nicht weinen! Nicht weinen, mein Pferd!" Das Lachen
und Schreien der Menge ringsum übertönt fast die tröstenden Worte
des Kindes: "Ein bisschen Pferd...auf seine Art ist jeder ein Pferd."

Vielleicht weil es alt ist und seine Erfahrungen hat, vielleicht gibt
dem Tier der Trost des Kindes die Kraft, denn plötzlich springt
das Pferd mit einem gewaltigen Ruck auf die Beine, wiehert hell,
als gäbe es Antwort dem weinenden Knaben, hebt seinen Schweif
und legt sich wieder in das Geschirr, denkt wohl dabei, ein Füllen
sei es und heiter nach Hause zieht es den Wagen.
Ein Kind, ein kleines, sieht es und versteht:
Es lohnt sich zu kämpfen, zu leben! Zu leben lohnt, zu kämpfen!


(In Anlehnung an ein vor vielen Jahren gehörten Gedichts von Wladimir Majakowski)

Geändert von Heinz (13.01.2023 um 23:27 Uhr)
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