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#1849 |
Ich habe gerade „Am Ende des Schweigens" von Charlotte Link ausgelesen. Ihr Schreibstil fasziniert mich, ich könnte fast drauf wetten, dass ich jedes Buch von ihr spannend und schnell zu lesen finde, trotz (oder wegen?) der relativ einfachen Sprache.
Zum Inhalt: Jessica, eine Tierärztin, hat Alexander, einen geschiedenen Mann mit pubertierender Tochter geheiratet und alle drei verbringen ihren Urlaub zusammen mit Alexanders zwei besten Freunden, deren Ehepartnern und den Töchtern von einem der Ehepaare. Als Jessica eines Morgens vom Laufen zurück kommt, findet sie ihren Mann und vier andere Personen ermordet vor. Die Auflösung ist alles andere als vorhersehbar, und ich kam tatsächlich nicht drauf bis zum Schluss, wer der Täter ist und tippte mehrmals falsch. Zwar sind auch die Psychogramme, in denen Charlotte Link praktischerweise gleich selbst die Protagonisten Tagebuch schreiben lässt, ziemlich einfach. Allzu ernst aus psychologischer Sicht darf man das nicht nehmen, aber: Das Buch ist extrem spannend und flott geschrieben, obwohl auktorial erzählt (was sehr oft langweilig wird). Ich kann es empfehlen. |
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#1850 |
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Die Mandelbaumgasse“ von der noch jungen Dorit Rabinyan ist mal was anderes, und bleibt für mich ein unvergleichliches Unikat. Genre? Da tropft Blut aus den kreischenden Seiten und Gerüche werden lesbar. Wer dem Schicksal zweier Frauen in völlig unvertrauter Umgebung folgen möchte, ist hier richtig. Ein starke bildreiche Sprache führt uns in ein Ghetto mit orientalischen Düften und fremden Geräuschen, dennoch bleibt ein Nachhall und Nachgeschmack, der allen Menschen gemeinsam ist.
Bin gespannt, ob es hier jemand gelesen hat. |
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#1851 |
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Michel Eltchaninoff: "In Putins Kopf - Logik und Willkür eines Autokraten". Gotta 2016/2022
Das Buch war vergriffen, wurde jetzt aber aus aktuellem Anlass wieder aufgelegt. Es befasst sich hauptsächlich mit den ideologischen Quellen für Putins Denken. Wer es nicht lesen will, kann auch hier ein Gespräch mit dem Autor zum Thema anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=ASXAkkHTIG0 |
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#1852 |
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"Aber wo ist das Leben" von Paul Nizon.
Bin eher zufällig, in der Stadtbücherei, über diesen Autor gestolpert und gerade total fasziniert von seiner 'bildhaften' Sprache, von seiner lebendigen -und gleichzeitig so kunst- und gefühlvollen Ausdrucksweise. Wie er seine Kindheit, das Fußfassen im Berufsleben und seine 'Mensch/Schriftsteller-Werdung' auf Reisen beschreibt ... Wunderbar. Aber richtig abgeholt hat er mich mit dem Kapitel über "Van Gogh". |
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#1853 | |
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Zitat:
Ach ja, van Gogh. Das war der erste Maler, mit dem ich mit in meiner Jugend befasste. Eine tragische Figur. |
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#1854 |
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Robert Pfaller: "Erwachsenensprache - Über ihr Verschwinden aus Politik und Kultur". Fischer, Frankfurt, 2017 (3. Aufl. 2018)
Der österreichische Philosoph Pfaller behandelt den politischen Einfluss des Neoliberalismus auf den Einsatz von Sprache zum Zwecke einer zunehmenden Infantilisierung, Gängelung und Einengung der Bevölkerung, was nicht zur Gleichheit, sondern zur Entsolidarisierung der Gesellschaft führt. Aus dem Klappentext: "Überall wird im öffentlichen Diskurs heute auf Befindlichkeiten Rücksicht genommen: Es wird vor Gefahren wie 'expliziter Sprache' gewarnt, Schreibweisen mit Binnen-I empfohlen, dritte Klotüren installiert. Robert Pfaller fragt sich in seinem neuen Buch, wie es gekommen ist, dass wir nicht mehr als Erwachsene angesprochen, sondern von der Politik wie Kinder behandelt werden wollen." Pfaller berichtet zu Anfang des Buches von einem persönlichen Erlebnis auf einer längeren Reise. Gezeigt wurde im Flugzeug der Film "Liebe" (Trintignant, Riva, Huppert), nicht gerade kurzweilige Unterhaltung. Zu Pfallers Erstaunen kam im Vorspann ein Hinweis darauf, der Film enthalte Erwachsenensprache und könne möglicherweise Gefühle verletzen. Ihm war nicht klar, weshalb ein Erwachsener nicht die Reife besitzten sollte, selbst zu entscheiden, wieviel an Belastung er auszuhalten vermag. Als ich das las, kam mir zu Bewusstsein, dass mir derartige Warnungen in der letzten Zeit auch regelmäßig bei Filmen präsentiert worden sind, die auf ARTE gezeigt wurden. Zuletzt bei einer Reihe von Carlos-Saura-Werken - auch nicht gerade ein Filmemacher einfacher Themen. Letzten Endes konnte ich jedoch keine Szenen ausmachen, deren "schockierende" Inhalte ich nicht schon hundertfach in anderen Filmen gesehen hatte. Zu recht fragt Pfaller, weshalb es bei zu kriischen Filmszenen, die für sehr Jungen leute unverständlich und belastbar sein könnten, nicht einfach wie früher heißt: Freigegeben ab 18 Jahren. Diese Erfahrung auf dem Flieger ist jedoch nur der Einstieg in Pfallers Buch. Sein Hauptanliegen ist, den Leser für den Mechanismus sensibel zu machen, wie Erwachsene in der Rolle unmündiger Kinder gehalten werden sollen. |
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#1855 |
Sally Rooney - „Schöne Welt, wo bist du„
Sally Rooney bezeichnet in den Gesellschaftskritiker, die Millennials als „Zivilisationszusammenbruch“. Das Buch ist mit Gewissheit kein Salat und leicht verdaulich. |
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#1856 |
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Ich habe mich des neuesten Buchs von Ferdinand von Schirach angenommen - eher ein Büchlein von ca. 170 Seiten: "Nachmittage". Kein Roman, sondern eine Sammlung kurzer und etwas längerer Erzählungen. Wieder einmal bin ich beeindruckt, wie einfach und ungekünstelt man mit Sprache umgehen kann, ein Stil, der meinem Geschmack entgegenkommt. Wenn Schirach über einen Protagonisten schreibt, was er alles gelernt, gearbeitet und an Freizeit verbracht hat, und dann damit endet, er habe auf diese Weise "zwölf Jahre in vollkommenem Stillstand überlebt", ist das einfach grandios. Denn so banal sieht der Lebenslauf eines Menschen tatsächlich aus.
Bei Schirach fällt auf, dass er lakonisch schreibt und oft sein Lieblingswort "unangenehm" einfließen lässt. Er gebraucht es auch oft in Interviews. Für ihn scheint es nichts Superlatives zu geben, nichts Hassenswertes, Abscheuliches, Grässliches ... nur Erfahrungen, die entweder angenehm, neutral oder unangenehm sind. Interessant ist seine These, Romane zu schreiben gehöre nicht mehr in unsere Zeit, denn niemand wolle sich mehr durch hunderte von Seiten arbeiten. Das ist deshalb bemerkenswert, weil die Verlage in Fluten von Romanmanuskripten ersaufen und auf ihren Internetseiten darum bitten, von Einsendungen abzusehen. Und nicht nur mit Romanen werden die Lektoren erschlagen, sondern auch mit Biografien, nicht selten von Leuten, die sich für prominent und wichtig halten, aber noch keine dreißig Jahre alt sind. Vielleicht hat Schirach recht. Obwohl die Weisheit, die er vertritt, alt ist: In der Kürze liegt die Würze. |
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#1857 |
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K.M. Weiland: "Creating Charakter Arcs", PenForASword Publishing, 2016.
Im großen Ganzen gleichen sich Weilands Ausführungen den Inhalten der meisten Bücher über den Aufbau von Plots und der klassischen Heldenreise mit ihren 12 bis 13 Stationen sowie der Entwicklung ihrer Figuren anhand von Protagonist, Antagonist und Contagonist und der weiteren Archetypen. Weilands Buch unterscheidet sich dennoch in einigen Punkten. Er konzentriert sich nicht nur auf den Protagonisten, der am Ende der Story die Feuerprobe bestanden hat und geläutert aus ihr hervorgeht, sondern räumt auch einen großen Teil dem Helden ein, der bereits entwickelt ist und die "Wahrheit" kennt. Im Gegensatz zu ersterem muss er nicht sich selbst ändern, sondern er ändert seine Umwelt, so dass sich die anderen Figuren weiterentwickeln. Dieses Thema wird in den meisten anderen Büchern nur nebenbei erwähnt. Ebenso widmet Weiland ein gesondertes Kapitel dem Protagonisten, der sich zum Negativen entwickeln kann. Das ist nicht damit zu verwechseln, dass sich der Held einer Story für andere Menschen opfert, um sie zu retten. Vielmehr steht der tragische "Held" im Mittelpunkt, der aufgrund eines Irrtums und Festhalten an diesem Irrtum am Ende schlechter dasteht als am Anfang der Story. In all diesen Kategorien geht Weiland auf die drei klassischen Akte der Story und die drei Plot Points (Wendepunkte) gesondert ein. Jedem Kapitel ist eine Liste angeschlossen, in der die wichtigsten Punkte des Kapitels in Form von Fragen zusammengefasst sind, an denen sich der Autor bei der Entwicklung seiner Figuren orientieren kann. Insgesamt bietet das Buch nicht viel Neues, ist aber übersichtlich gegliedert und - schon wegen der Kürze der Kapitel - ein gute Ergänzung zu umfangreicheren Werken wie z.B. Voglers Klassiger "The Writer's Journey". |
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#1858 |
Ich hab mich da leider etwas gelangweilt durchgequält. Die Serie zu ihrem ersten Buch Normal People hingegen war ein absolutes Highlight.
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#1859 |
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Wolfgang Lohmeyer: "Die Hexe", area Verlag, Erftstadt, 2004.
Es handelt sich um den ersten Roman einer Trilogie ("Der Hexenwanwalt", "Das Kölner Tribunal"), dessen Handlung die Zeit des Dreißigjährigen Krieges umspannt. Im Mittelpunkt steht die Postmeisterin Katharina Henot, deren Konkurrent danach trachtet, sie aus dem Feld zu schlagen, um das Monopol auf das Postrecht an sich zu reißen. Sie gerät in ein Netz aus Intrigen und sieht sich alsbald der Hexerei angeklagt. Philipp, ein Jesuitenzögling, der in Katharina verliebt ist, setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um sie zu retten. In dem Roman treten historische Figuren auf wie z.B. Kurfürst Ferdinand von Bayern und der Geistliche Spee, letzterer als "Hexenanwalt" bekannt. Autor Lohmeyer erweist sich als fleißiger Rechercheur und detailverliebter Schreiber. Die Lebensweisen der Menschen der frühen Neuzeit, ihre Gewohnheiten, Sitten, Gebräuche, Denkarten - alles beschreibt er bis aufs Körnchen und bedient sich dabei vieler Wörter, deren Bedeutung ich manchmal nachschlagen musste, weil sie nicht mehr geläufig sind. Historisch interessierte Leser mag das begeistern, Leser, die sich mehr auf das Vorankommen der Handlung konzentrieren, könnte es zu viel werden. Vor allem deshalb, weil eine Unzahl von Personen auftritt. Ein Personenregister wäre hilfreich gewesen. Der Roman wurde vor grauen Zeiten für das Fernsehen verfilmt, das könnte in den 80er Jahren gewesen sein. Ich kann mich nur noch dunkel daran erinnern. Meine Ausgabe der Trilogie wurde 2004 in der Tschechischen Republik aufgelegt. Der Film (ca. 2 Std.) ist auf DVD unter "Die Hexe von Köln" zu bekommen. |
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#1860 |
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Da viel von dem Schreib-Ratgeber "Save the Cat! Writes a Novel - The Last Book on Novel Writing You'll Ever Need" (Ten Speed Press, New York) die Rede ist, habe ich es mir durchgelesen. Im Grund steht jedoch nichts anderes drin, als in fast allen anderen solcher Ratgeber, und auch Brody orientiert sich an der klassischen Heldenreise und der Aufteilung einer Story in Einführung, Konflikt, Grenzübertretung, Klimax, dunkelster Punkt der Seele, Endkampf, Sieg und Heimkehr des Protagonisten oder dessen Scheitern, natürlich mit mindestens zwei Wendepunkten.
Das Buch unterscheidet sich von anderen seiner Art jedoch in zwei Punkten: Statt Aufteilung der Heldenreise in 12 bis 13 Schritte zählt es 15 Schritte auf (wobei allerdings die beiden Wendepunkte mitgezählt werden, so dass es am Ende doch auf das gleiche herauskommt), und es geht nicht von den typischen Genres aus, sondern von zehn Konflikt-Typen wie z.B. Rites of Passage, Dude with a Problem, Monster in the House etc. Außerdem ist das Buch lockerer geschrieben, i.e. schlägt einen moderneren Ton an als der Klassiker über die Heldenreise von Christopher Vogler, der die Archetypen zugrundelegt, wie man sie aus der Mythologie kennt. Das Buch gibt es auch in Deutsch. |
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#1861 |
„Sturmhöhe" von Emily Bronte, einen Klassiker der Weltliteratur. (Ja, auch ich lese nicht nur Krimis
![]() Vieles wird im Roman nur angedeutet, das macht ihn erst recht spannend. Der Erzählstil ist überhaupt nicht altmodisch (was ich zunächst befürchtet hatte). Es ist Emily Brontes einziger Roman geblieben. Dafür aber Weltklasse. |
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#1862 | |
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Zitat:
1939 https://www.youtube.com/watch?v=aTANqJjVxrI (mit Laurence Olivier) 1958 https://www.youtube.com/watch?v=41pfrCJL8go (leider schlechte Bildqualität) 2009 https://www.youtube.com/watch?v=DKO3e9mxbtA (hervorragende Bildqualität) |
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#1863 |
Danke für die Links!
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#1864 |
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Heinrich Detering: "Das offene Geheimnis - Zur literarischen Produktivität eines Tabus von Winckelmann bis zu Thomas Mann", Wallstein Verlag, Göttingen, 1997/2017.
Wie die im Titel genannten Autoren vermuten lassen, geht es in dem Buch um Homosexualität in der Literatur. Genauer gesagt, befasst es sich damit, wie Literaten ihre Homosexualität zu einer Zeit, in der das offene Bekenntnis zur gleichgeschlechtlichen Liebe ein Tabu war, in ihren Werken camoufliert verarbeitet hatten. Der Autor hat dafür zahlreiche Ergebnisse aus der Forschung herangezogen, von denen vor allem die Werke Kleists, die Märchen von Hans Christian Andersen und Thomas Manns "Der Tod in Venedig" interessant waren. Bei Andersen war ich überrascht, wieviel von seiner unerwiderten Liebe an Evard Collin in dem Märchen "Die kleine Seejungfrau" steckt, aber auch in dem weniger bekannten Märchen "Der Schatten". Auf Deterings Buch war ich durch eine positive Besprechung aufmerksam geworden, doch wendet es sich eher an Studenten und Fachleute als an den interessierten Laien. Man muss gut über die ausgewählten Werke Bescheid wissen. Das ist bei mir nicht den Fall, ein Kapitel über Herman Bang habe ich übersprungen, weil mir dieser Litererat kein Begriff ist und ich nichts von ihm kenne. Aber ich habe mal wieder bestätigt bekommen, dass bei den Geschichten guter Autoren mehr zwischen den Zeilen steht, als man im ersten Moment zu lesen glaubt. |
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#1865 |
sylvia plath - zungen aus stein
gesammelte geschichten ich bin gespannt, scheint sich um geschichten aus ihre gesamten schaffenszeit zu handeln, aus ihrer jugend bis kurz vor ihren suizid. |
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#1866 |
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Bill Bryson: "Eine kurze Geschichte des menschlichen Körpers" - Goldmann, 2022.
Bill Bryson ist ein Garant für vergnügliches Lesen. Kurz kann man das Buch mit fast 600 Seiten allerdings nicht nennen. Doch es ist so kurzweilig und informativ, dass ich ruckzuck auf Seite 200 angekommen war. Bryson, der sich in seiner Autobiografie ein "Thunderbolt Kid" nennt, ist ein Autor, den ich immer wieder empfehlen kann: Er vermittelt Wissen, ohne akademisch zu wirken, und lockert seine Beschreibungen mit einer guten Portion Humor auf. |
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#1867 |
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Annie Ernaux: "Erinnerungen eines Mädchens". Suhrkamp, 2022.
Nachdem ich mir 2014 - nach der Lektüre des Nobelpreisträgers Patrick Modiano - geschworen hatte, nie wieder ein Werk zu lesen, das den Nobelpreis für Literatur erhalten hat, bin ich rückfällig geworden. Das Taschenbuch mit o.g. Titel lachte mich an und machte mich neugierig, weil in den Medien seit der Preisverleihung viel über Annie Ernaux geschrieben wurde, deren Markenzeichen autobiografische Aufzeichnungen sind. Ich bin halb durch das Büchlein (164 Seiten) durch, was ruckzuck ging, denn es ist zwar nicht anspruchslos, doch von leichter Hand geschrieben. Trotz des ansprechenden Stils bin ich abermals enttäuscht: Inhaltlich sind Ernaux' Erinnerungen (sie gehen zurück in das Jahr 1958) nichts weiter als die Aneinanderreihung erster, ausschließlich kränkender Erfahrungen mit der Sexualität, mit den Gehässigkeiten Gleichaltriger und deren Zurückweisungen sowie die quälende Auseinandersetzung mit einer nervigen Mutter-Tochter-Beziehung. Das riecht nach Suhlen in einer Opferrolle und dem Unvermögen, diese Erfahrungen jemals verarbeitet zu haben. Zwar bemüht sich der Text um einen nüchternen Ton und bleibt von der Perspektive her in der Außenansicht, als träte die Autorin aus sich heraus und betrachte sich aus einer anderen Welt, aber dennoch enthält er - jedenfalls für mich - eine unterschwellige Larmoyanz. Vielleicht ist diese Lektüre passend für Mädchen gleichen Alters (18 Jahre), die sich in einer ähnlichen Phase befinden; aber ältere Menschen, die solche Erfahrungen längst als Lehrgeld abgetan haben, könnten sich - so wie ich - beim Lesen dieses Buches langweilen. |
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#1868 |
Dann bin ich ja froh l, dass ich es mir nicht gekauft habe
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#1869 | |
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Aber zum nächsten Buch, das ich bis auf ein paar Seiten fertiggelesen habe: Werner Herzog, "Jeder für sich und Gott gegen alle - Erinnerungen", Hanser, München 2022. Herzog erzählt nicht nur ungewöhnliche Episoden aus seinem Leben und Schaffen, sondern gibt Einblicke in die Schwierigkeiten und Abenteuer, mit denen ein Mensch zu kämpfen hat, der nicht nur unabhängig sein will, sondern auch völlig verrückte Ideen umzusetzen strebt. Nichts, was er angepackt hat, erwies sich als Routine, wie man es von den Sets der Filmstudios zu kennen glaubt. Für mich als Liebhaber des Kinofilms war Herzog natürlich kein Unbekannter, aber welches Genie in ihm steckt, ist mir erst klar geworden, als ich kürzlich einige Interwiews mit ihm sah und jetzt sein Buch gelesen habe. Aber was sonst kann man von einem Menschen erwarten, der mitten im Dschungel filmt ("Aguirre") und seine Crew einem lebensgefährlichen Angriff von Wilden ausgesetzt sieht, der ein komplettes Schiff über einen Berg hieven lässt ("Fitzcarraldo"), mit einem Verrückten wie Kinski mehrere Filme übersteht, ohne selbst verrückt zu werden, und oft kein Geld mehr hat, um für die Crew das Essen für den nächsten Tag bezahlen zu können, oder der bei einem ärztlichen Eingriff die Schmerzen aushält, weil er seine paar Kröten nicht für Betäubungsmittel ausgeben, sondern sie lieber in sein Projekt stecken will? Was mir nicht klar war: Herzog hat weit mehr Kurz- und Dokumentarfilme als Spielfilme gedreht (über 40 zu knapp 20) und 17 Opern inszeniert. Viele dieser Dokus sind auf youtube kostenlos abrufbar. Wenig bekannt ist, dass Herzog zuweilen auch als Schauspieler in Filmen von Kollegen in Nebenrollen auftrat, so z.B. in dem Thriller "Jack Reacher" (mit Tom Cruise in der Hauptrolle) - ein Zeichen dafür, wie gut vernetzt Herzog in der internationalen Filmwelt ist. |
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#1870 | ||
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#1871 |
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Weiter oben hatte ich den Roman "Die Hexe" besprochen:
https://www.poetry.de/showpost.php?p...postcount=1859 Jetzt habe ich mir die Fortsetzung der Trilogie vorgenommen: "Der Hexenanwalt". Und nach knapp 100 Seiten das Handtuch geworfen. Der Autor Lohmeyer konnte sich offensichtlich nicht entscheiden, Geschichtsunterricht zu erteilen oder eine spannende Handlung zu entwickeln. Er ergeht sich in unendlichen Beschreibungen im Sachbuchcharakter, bombardiert den Leser mit unzähligen Namen, die in der Handlung kaum eine Rolle spielen, und lässt seine Figuren Monologe und Dialoge sprechen, die kein Mensch in so geschliffener Form von sich gäbe. Ein Roman der Geschwätzigkeit. Muss man nicht gelesen haben. Da gibt es bessere Quellen. |
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#1872 |
SF-Reihe Titan 1-20
bin ich scheinbar mal wieder durch. Zumeist eher US amerikanische Autoren und ein paar deutsche mit SF-Kurzgeschichten. Kam in den 70ern heraus, die Stories sind allerdings schon den 50ern geschrieben worden. Ich finde es immer noch sehr amüsant, wie man sich damals die westliche Zukunft vorstellte. Teilweise sehr naiv, zumeist unheimlich vorausschauend, manche Stories sind nach 70 Jahren auch für mich unverständlich geschrieben, logischerweise sind heutige wissenschaftliche Erkenntnisse nicht vorhanden, also wird hier noch die Venus besiedelt. Insgesamt gefallen mir solche Zusammenstellungen recht gut, weil man von einer Idee zu anderen weiter geleitet wird. |
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#1873 | |
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Zitat:
![]() Nach meinen Information bilden fast alle SciFi-Geschichten nicht die Zukunft ab, sondern die verschlüsselte Gegenwart im politischen, sozialen, philosophischen und psychologischen Bereich. Orwell rechnete in "1984" z.B. mit dem Stalinismus und in "Animal Farm" mit dem Kommunismus ab. Aldous Huxley hatte sich in "Schöne neue Welt" mit dem manipulierten "neuen" Menschen auseinandergesetzt, Arthur C. Clarke in "Odysee im Weltraum" mit dem Übergang der Herrschaft vom Menschen auf den Computer, Michael Chrichton in "Andromeda" mit der möglichen Gefahr neuer Seuchen und der Selbstauslöschung der Menschheit und Stanislav Lem in "Solaris" mit der Philosophie eines möglicherweisen lebendingen Alls mit einem immerwährenden Gedächtnis (was an die phisolophischen Lehren von Giordano Bruno aus dem 16. Jh. erinnert). Schriftsteller und Drehbuchautoren erfinden keine Geschichten, die reine Phantastereien sind, sondern bekommen ihre Anregungen aus den Wissenschaften der Gegenwart. Deshalb lassen sich die meisten SciFi-Geschichten am besten verstehen, wenn man sie zu der Zeit in Bezug setzt, in der sie geschrieben wurden. Manche dieser Geschichten erzählen auch schlicht und einfach altbekannte zwischenmenschliche bzw. gesellschaftliche Konflikte, nur eben im Genre des SciFi. So zeigt der Film "Outland - Planet der Verdammten" keine andere Story als "High Noon" im Wilden Westen, und bekannlich entstand "Die glorreichen Sieben" nach dem Vorbild des Films "Die sieben Samurai". Fast jeder Konflikt lässt sich in jedem Genre abhandeln. |
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#1874 |
... genauso sehe ich es auch, wahrscheinlich hab ich Satzzeichen falsch gesetzt und/ oder falsch formuliert.
Das Amüsante sind die selbst gebauten Elemente mit Wundereigenschaften, Superstrahlen, Superenergie usw.; die technisierten Kriegsschilderungen der "Zukunft" sind gelegentlich naiv, je nach Autor, gelegentlich beängstigend. Die Ökostrophe (heute sagt man Klimakrise, dabei hat das Klima keine Krise, sondern nur Wir) wurde auch in den 50ern schon gesehen, finde ich immer noch beachtlich. Ich kenne nicht alle Hintergründe der Autoren, nur die Zeit der Entstehung der Stories, reicht mir grundsätzlich bei SF für Kontext. |
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