Annäherung

[Heinz]

(Antiker Form beim Anblick der Hermes-Statue des Praxiteles in Olympia sich nähernd)

Nieder mit euch in den Staub des geheiligten Bodens,
beugt eure Knie und öffnet die Herzen beim Anblick des Hermes;
lasst die Augen trinken, die Sinne schwelgen und dankt dem
Schöpfer des herrlichen Kunstwerks im heiligen Haine der Altis. *)
Tief ergriffen erahnt ihr, was still im Busen euch schlummert:
Allem Schönen verwandt sind unsere Seelen und all unsre
Sinne erinnern dich stets an den Ursprung des Seins und zeigen
niemals irrend die richtigen Pfade zum Himmel dir an.
So wie die Rose der Sonne Küsse empfängt und errötend und
prächtig erblüht, so entfaltet unsere Seele die Flügel,
fühlt der Schönheit Kraft und der göttlichen Schöpfung Macht.

*) Altis: Die Altis, der Heilige Hain von Olympia, ist die Bezeichnung für den Kernbereich des Heiligtums von Olympia. Hier wurden die antiken Olympischen Spiele durchgeführt und im Museum steht die Statue des Hermes von Praxiteles.

[Roman Speta]

Lieber Heinz!

Ich fühle mich sehr geehrt, dass Du mich nach meiner Meinung fragst.

Vom Inhalt her bin ich ganz begeistert von Deinen hymnischen Worten. Pathos und Gefühl sprechen aus jeder Zeile zu mir. Die Problematik beim Hexameter besteht darin, dass in jedem Fuß zwei Kürzen durch eine Länge ersetzt werden können, was im Deutschen wegfällt, weil hier nur Hebungen und Senkungen den Rhythmus wiedergeben. Daraus ergibt sich, dass im Deutschen die Silbenanzahl pro Zeile verschieden ist. Allerdings muss im 6. Fuß, der nur aus zwei Silben besteht, die zweite Silbe eine Senkung sein.

Beispiel:

"So wie die Rose der Sonne Küsse empfängt und errötend" und (Das zweite "und" müsste weg. Daher: "und errötend prächtig erblüht")

"Allem Schönen verwandt sind unsere Seelen und all unsre" (Statt "all unsre Sinne" nur "alle Sinne", weil sonst eine Silbe zu viel ist).

"fühlt der Schönheit Kraft und der göttlichen Schöpfung Macht." (Hinter "Macht" sollte streng genommen noch eine Senkung sein. Allerdings haben meines Wissens auch die antiken Dichter aus inhaltlichen Gründen das strenge Maß manchmal verlassen und ich finde, dass das Wort "Macht" hier ein kraftvoller Schlusspunkt ist.

Ich bin von Deiner Dichtung sehr beeindruckt!

Liebe Grüße aus Wien,

Roman

Zitat von Heinz

(Antiker Form beim Anblick der Hermes-Statue des Praxiteles in Olympia sich nähernd)

Nieder mit euch in den Staub des geheiligten Bodens,
beugt eure Knie und öffnet die Herzen beim Anblick des Hermes;
lasst die Augen trinken, die Sinne schwelgen und dankt dem
Schöpfer des herrlichen Kunstwerks im heiligen Haine der Altis. *)
Tief ergriffen erahnt ihr, was still im Busen euch schlummert:
Allem Schönen verwandt sind unsere Seelen und all unsre
Sinne erinnern dich stets an den Ursprung des Seins und zeigen
niemals irrend die richtigen Pfade zum Himmel dir an.
So wie die Rose der Sonne Küsse empfängt und errötend und
prächtig erblüht, so entfaltet unsere Seele die Flügel,
fühlt der Schönheit Kraft und der göttlichen Schöpfung Macht.

*) Altis: Die Altis, der Heilige Hain von Olympia, ist die Bezeichnung für den Kernbereich des Heiligtums von Olympia. Hier wurden die antiken Olympischen Spiele durchgeführt und im Museum steht die Statue des Hermes von Praxiteles.

[Heinz]

Lieber Roman,
ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich über deinen Kommentar freue.
Die wenigen Ausrutscher verzeihe ich mir selbst, denn, weiß Gott, ich bin, was des Hexameters Maß angeht, ein Anfänger und Übender.
Was mich zu diesem Gedicht gebracht hat, war mein Besuch Olympias und der Besuch des dortigen Museums. Ich stand vor dem Hermes des Praxiteles und wäre tatsächlich fast auf die Knie gefallen. Stattdessen habe ich die Frechheit gehabt und habe, als der Museumswächter den Raum verließ, dem Hermes über den Po gestrichen und mir in einer Werkstatt den Kopf des Hermes gekauft. Seitdem steht er in meinem Wohnzimmer und noch nie habe ich Drachmen (damals noch die gültige Währung) so gern ausgegeben.
Liebe Grüße,
Heinz

[Roman Speta]

Lieber Heinz!

Über Deine Zustimmung und Deinen Bericht über Hermes habe ich mich sehr gefreut! Ich denke, aufgrund ihrer hochentwickelten Stufe ist die antike Kultur nie wirklich untergegangen, sondern lebt als Substrat in unserer Kultur weiter.
Dazu fallen mir zum Beispiel Renaissance, Barock, Rokoko, Klassizismus und Historismus ein.

An allen Ecken und Enden spüre ich noch die Antike in unserem Alltag!

Schöne Feiertage,

Roman

[Heinz]

Lieber Roman,
was soll ich sagen? Ich kann dir nur zustimmen und deine lobenden Worte spornen mich weiter an.
Liebe Grüße,
Heinz