Der kälteste Ort auf Erden
Früher war das ein Schlachthaus oder eine Ziegelei. Irgendwo in dessen geziegelten Eingeweiden steht ein Mann in einem dunkelblauen Anzug vor einem Fenster. Ich stelle mich neben ihn. Durch die Scheibe blicken wir auf eine sich über Hügel und Weidezäune und einsame Bäume hinziehende, schneebedeckte Winterlandschaft. „Vielleicht“, sagt er, gibt es irgendwo einen Menschen, der noch leerer ist als ich.“ Nicht mehr als dreißig, vierzig Schritte vom Fenster entfernt, zieht sich der Schnee zu etwas Großem, Schwerfälligen, Buckligem zusammen. Der Mann bemerkt es nicht. „In der Geschichte oder in der Weite des Alls, irgendwo muss es jemanden geben, der die Menschheit und das Alles-was-ist noch tiefer verleugnet, noch nachhaltiger zerstört, noch bösartiger beschädigt hat.“ Der Schneegestaltete hebt zwei Tannzapfen auf und setzt sie sich an die Stelle ein, wo bei uns Augen sind. Der Mann neben mir wird immer blasser, zwischendurch unsichtbar. Seine Stimme scheint nun von sehr weit weg herzukommen. „Sie würden lachen, junger Freund, wenn sie wüssten, was die Menschen nicht schon alles gemacht haben. Sie würden über mich lachen und zwar, weil ich mir so viele Gedanken mache.“ Der Schneegestaltete tritt an das Fenster heran. Er zeigt mit einer Hand, die sofort als Pulverschnee zu Boden fällt, erst auf mich, dann auf den Mann. Es wird Nacht hinterm Fenster. „Wer ist eigentlich dieser Ich, von dem Sie die ganze Zeit reden?“, frage ich ihn, doch neben mir ist niemand mehr.
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