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29.07.2012, 11:38 | #199 |
Die weinende Braut
Du warst so herrlich anzuschauen, So kühn und wild und doch so lieb, Dir mußt ich Leib und Seel vertrauen, Ich mocht nichts mehr, das meine blieb! Da hast du, Falscher, mich verlassen Und Blumen, Lust und Frühlingsschein, Die ganze Welt sah ich erblassen, Ach Gott, wie bin ich nun allein! Wohl jahrlang sah ich von den Höhen Und grüßte dich vieltausendmal, Und unten sah ich viele gehen, Doch du erschienst nicht in dem Tal. Und mancher Lenz mit bunten Scherzen Kam und verflog im lust'gen Lauf, Doch ach! in dem betrognen Herzen Geht niemals mehr der Frühling auf. Ein Kränzlein trag ich nun im Haare, In reichen Kleidern schön geschmückt, Führt mich ein andrer zum Altare, Die Eltern sind so hochbeglückt. Und fröhlich kann ich mich wohl zeigen, Die Sonne hell wie damals scheint, Und vor dem Jauchzen und dem Geigen Hört keiner, wie die Braut still weint. Die Frühlingslieder neu beginnen - Du kehrst nach manchem Jahr zurück, Und stehest still, dich zu besinnen, Wie auf ein längstvergangnes Glück. Doch wüst verwachsen liegt der Garten, Das Haus steht lange still und leer, Kein Lieb will dein am Fenster warten, Und dich und mich kennt niemand mehr. Doch eine Lerche siehst du steigen Vom Tal zum blauen Himmelsport, Ein Bächlein rauschet da so eigen, Als weinte es in einem fort. Dort haben sie mich hingetragen, Bedeckten mir mit Stein den Mund - Nun kann ich dir nicht einmal sagen, Wie ich dich liebt aus Herzensgrund. Joseph Freiherr von Eichendorff |
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30.07.2012, 13:46 | #200 |
Die weinende Braut
Geht auch nach so vielen Jahren noch zu Herzen.
Mancher macht aus dem Material einen Roman, von Eichendorff verdichtet es in fünf Strophen. Klasse ! Gern gelesen. Gruß, SC |
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30.07.2012, 17:20 | #201 |
Hallo Sylvester
ja, ich sehe das ebenso wie Du. Gruß, A.D. |
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30.07.2012, 19:06 | #202 |
Dabei seit: 04/2010
Beiträge: 1.026
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Damit in dieser Rubrik auch mal die Humordichter zu Wort kommen. Hier ein Poem eines solchen:
DAS LIED VOM DICHTER Was ein gerechter Dichter ist, Macht Verse fast zu jeder Frist, Er reitet seinen Pegasum Und dichtet Alles um und um. Darum wird er auch selten fett, Denn morgens früh in seinem Bett, Bevor ein Andrer kaum erwacht, Hat er schon ein Sonett gemacht. Terzinen werden eingestippt, Wenn er den Blümchen-Kaffee nippt; Verzehrt zum Frühstück er sein Ei, Macht er ein Triolett dabei. Und wenn er seine Suppe isst, Er löffelweis' die Jamben misst, Und wenn er seinen Braten kaut, Im Geiste er Trochäen baut! Thut weiter nichts in dieser Welt, Darum hat er auch nie kein Geld! Dies kümmert ihn zu keiner Frist, Weil's auch ein Stoff zum Dichten ist. Hat er kein Bett, hat er kein Haus, So macht er ein Gedicht daraus! Hat er ein Loch im Rock, im Schuh So stopft er es mit Strophen zu! Nichts ist zu gross, nichts ist zu klein: Er sperrt's in seine Verse ein. Nur was man nicht besingen kann, Das sieht er als ein Neutrum an. Der Frosch, der auf der Wiese hüpft, Die Maus, die in ihr Löchlein schlüpft, Der Käfer, der im Teich ersoff, Sind alle miteinander "Stoff". Was kühn noch in die Lüfte strebt, Was schon die Erde umgebebt, Ob heil und ganz, ob kurz und klein - In seinen Vers muss es hinein! So zählt er seine Silben ab Vergnügt bis an sein kühles Grab, Und unter seinen letzten Band Schreibt "finis" hin des Todes Hand. Was ein gerechter Dichter ist, Benutzet auch die letzte Frist, Macht eine Grabschrift noch zuvor Und legt sich auf sein Dichterohr. Die Leute stehen trauervoll Dann um sein Grab und schauervoll. Ein Jeder denkt sich, was er will, Doch meist: "Gottlob, nun ist er still!" Es wächst dann in der Jahre Lauf Dort eine Zitterpappel auf; Und ob der Wind schläft oder wacht: Die Blätter flüstern Tag und Nacht! Heinrich Seidel (1842-1906) |
30.11.2012, 18:51 | #203 |
Dora Rappard
Ich blicke voll Beugung und Staunen
hinein in das Meer seiner Gnad und lausche der Botschaft des Friedens, die Er mir verkündiget hat. Sein Kreuz bedeckt meine Schuld, sein Blut macht hell mich und rein. Mein Wille gehört meinem Gott; ich traue auf Jesus allein. |
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01.12.2012, 22:59 | #204 |
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Beiträge: 562
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Johann Gottlieb Willamov
Johann Gottlieb Willamov (1736-1777) |
04.12.2012, 17:48 | #205 |
Die Städte aber wollen nur das Ihre
Die Städte aber wollen nur das Ihre
und reißen alles mit in ihren Lauf. Wie hohles Holz zerbrechen sie die Tiere und brauchen viele Völker brennend auf. Und ihre Menschen dienen in Kulturen und fallen tief aus Gleichgewicht und Maß, und nennen Fortschritt ihre Schneckenspuren und fahren rascher, wo sie langsam fuhren, und fühlen sich und funkeln wie die Huren und lärmen lauter mit Metall und Glas. Es ist, als ob ein Trug sie täglich äffte, sie können gar nicht mehr sie selber sein; das Geld wächst an, hat alle ihre Kräfte und ist wie Ostwind groß, und sie sind klein und ausgeholt und warten, dass der Wein und alles Gift der Tier- und Menschensäfte sie reize zu vergänglichem Geschäfte. Rainer Maria Rilke |
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05.12.2012, 02:07 | #206 |
Jede Blüte will zur Frucht
Jeder Morgen Abend werden Ewiges ist nicht auf Erden als der Wandel als die Flucht Auch der schönste Sommer will einmal Herbst und Welke spüren Halte Blatt, geduldig still wenn der Wind dich will entführen Spiel dein Spiel und wehr dich nicht lass es still geschehen lass vom Winde, der dich bricht dich nach Hause wehen Hermann Hesse |
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03.01.2013, 11:33 | #207 |
Ich sehe dich in tausend Bildern |
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21.06.2013, 02:20 | #208 |
Dabei seit: 03/2013
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Beiträge: 35
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Rainer Maria Rilke „Zum Einschlafen zu sagen"
Ich möchte jemanden einsingen, bei jemandem sitzen und sein. Ich möchte dich wiegen und kleinsingen und begleiten schlafaus und schlafein. Ich möchte der Einzige sein im Haus, der wüßte: die Nacht war kalt. Und möchte horchen herein und hinaus in dich, in die Welt, in den Wald. Die Uhren rufen sich schlagend an, und man sieht der Zeit auf den Grund. Und unten geht noch ein fremder Mann und stört einen fremden Hund. Dahinter wird Stille. Ich habe groß die Augen auf dich gelegt; und sie halten dich sanft und lassen dich los, wenn ein Ding sich im Dunkel bewegt. http://www.youtube.com/watch?v=l0JFJkrTwP4 |
21.06.2013, 21:39 | #209 |
Dabei seit: 06/2012
Ort: Erstwohnsitz: Der Himmel, ein Schneeweißes Wolkenbett
Alter: 63
Beiträge: 1.722
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Es scheint als sei´s ein Traum
so stille hinter allem steht ein brüllen vor der Türe geht so wie ein Bruch des Lebens Was mich auch bricht und zweifeln lässt, hebt mich doch salzig Wellen nass schwemmt mich aus Bergen Sand und klein zerrieben Emotional eingestellt ohne Vorbereitung! In Liebe zu Panthern wie ihr es seid! Ach was ich noch sagen wollte: Ich liebe Dichter! kleine wie große |
28.08.2013, 17:23 | #210 |
Morgenländisches Liebeslied
Morgenländisches Liebeslied |
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28.08.2013, 17:36 | #211 |
R.I.P.
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Habe Dank für die Präsentation!
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16.09.2013, 15:27 | #212 |
Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte
“Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, im nächsten Leben, würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen. Ich würde nicht so perfekt sein wollen, ich würde mich mehr entspannen. Ich wäre ein bisschen verrückter, als ich es gewesen bin, ich würde viel weniger Dinge so ernst nehmen. Ich würde nicht so gesund leben, würde mehr riskieren. Ich würde mehr reisen, mehr Sonnenuntergänge betrachten, mehr bergsteigen, mehr in Flüssen schwimmen. Ich würde an mehr Orte gehen, wo ich vorher noch nie war. Ich würde mehr Eis essen and weniger dicke Bohnen. Ich würde mehr echte Probleme als eingebildete haben. Ich war einer dieser klugen Menschen, die jede Minute ihres Lebens fruchtbar verbrachten. Freilich hatte ich auch Momente der Freude, aber wenn ich noch einmal anfangen könnte, würde ich versuchen, nur mehr gute Augenblicke zu haben. Falls du es noch nicht weißt, aus diesen besteht nämlich das Leben, nur aus Augenblicken. Vergiß nicht das Jetzt! Ich war einer derjenigen, die nirgendwo hingingen ohne ein Thermometer, eine Wärmeflasche, einen Regenschirm und Fallschirm. Wenn ich noch einmal leben könnte, würde ich leichter reisen. Wenn ich noch einmal leben könnte, würde ich von Frühlingsbeginn an bis in den Spätherbst hinein barfuß gehen. Ich würde mehr Karussel fahren, mir mehr Sonnenaufgänge ansehen und mehr mit Kindern spielen, wenn ich das Leben noch vor mir hätte. Aber sehen Sie… ich bin 85 Jahre alt und weiß, daß ich bald sterben werde.” Jorge Luís Borges (1899 -1987)* |
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02.10.2013, 08:47 | #213 |
Ich hab auf deine Stirn gegossen Ich hab auf deine Stirn gegossen Den milden Hauch der Poesie, Und deine lieblichsten Gedanken, Ich tauchte sie in Melodie. Was suchst du auf der weiten Erde, Was doch nur meine Brust dir gibt, Wie könntest du es je vergessen, Daß du den Dichter einst geliebt. O schweife nicht ins Grenzenlose, In meinem Herzen ruht der Schatz, Und sieh, an deiner Schläfe dämmert Der Schatten eines Efeublatts. Theodor Storm |
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05.10.2013, 20:44 | #214 |
Das Bruderhaus
...Schon früh gab es Leute, denen das Gesumm der Waldbienen erbaulicher zu Gemüte sang als das Zungengeräusch am Stadtbrunnen; Leute auch, die im Rhythmus eines Mückenreigens den Taktstock eines allmächtigen Dirigenten ahnten. Auch mochte dem einen oder andern das Gebraus über Krone und Wipfel erhebender zu Ohren dringen als ein Prädikantenwort...
Hans Kägi - Johanniskraut |
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05.10.2013, 23:30 | #215 |
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Walter Rheiner 1895-1925
Expressionismus
Zerhau das Wort, die Form, den Ton. Begriff! Ob allen Trümmern wogend, Ätherschiff. Stürz nieder in die Schlucht! Zerbrich den Bau. Schlepp Brocken an, krystallisch und genau. Zerspreng den Unsinn! Hau den Knoten durch! Aus Fetzen bilde trunken Menschen-Burg! Bedenke nicht das Was und nicht das Wie. Der Kosmos weiß nicht seine Harmonie. O Menschgewimmel, Fetzen Fleisch und Blut, Schutt-Stadt und Pflanzgerüst und Lava-Glut! O Tier-Maschine! Seele breiter Fluß! Aus Blitzen alle Nahrung kommen muß. Pan-Teufel-Gott und Dämon-Engel-Tod. In tieferen Fernen rauschest du, Idiot! Aus Erde, Wasser, Luft und Feuer spie dich Menschen übermenschlich Symphonie Ja-:Flamme, Geist und Mord und ewiges Licht, entsteht dein Bild, dein Lied, dein Bau - Gedicht! |
06.10.2013, 14:39 | #216 |
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Hafis (1320-1390)
Als der Lichtglanz deiner Anmut
sich enthüllte vor der Zeit, Da entsprang der Liebe Lohe, Feuer zündend weltenweit. Engel schauten deine Schöne ohne Fühlen an; entbrannt Schleuderte die Liebe Flammen tief in Adams Menschlichkeit. Seinen Docht am Licht zu zünden, strebte der Verstand; sogleich Zückte Liebe eifersüchtig Blitze, warf die Welt in Streit. Dem geheimen Schauplatz nahte der Betrüger; doch es stieß Eine Faust aus dem Verborgnen ihn zurück, der ungeweiht. Mögen andre ihre Lose wählen, wie die Lust sie heißt; Ich, des Herz in Leid erfahren, wähle dieses Los voll Leid: In den Abgrund Deines Grübchens stürzt mich Sehnsucht, doch im Sturz Hoff ich, Deiner Locken Ringe hältst Du mir zum Heil bereit! Hafis schrieb an jenem Tage Deiner Liebe Wonnelied, Da er strich im Lebensbuche, was das Herze sonst erfreut. (Ghasel von Hafis übertragen durch Johann Christoph Bürgel) Hafis verwendet in der vorletzten Zeile angeblich das Wort "tarabname" = "Buch der Lust" oder "Lustbuch" |
18.10.2013, 13:45 | #217 |
Der Herbst des Einsamen |
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14.12.2013, 12:16 | #218 |
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Beiträge: 745
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Jeden Tag erbaulich, wie ich finde, oder die "Quintessenz"
Joseph von Eichendorff An die Dichter Wo treues Wollen, redlich Streben Und rechten Sinn der Rechte spürt, Das muß die Seele ihm erheben, Das hat mich jedesmal gerührt. Das Reich des Glaubens ist geendet, Zerstört die alte Herrlichkeit, Die Schönheit weinend abgewendet, So gnadenlos ist unsre Zeit. O Einfalt gut in frommen Herzen, Du züchtig schöne Gottesbraut! Dich schlugen sie mit frechen Scherzen, Weil Dir vor ihrer Klugheit graut. Wo find'st Du nun ein Haus, vertrieben, Wo man Dir Deine Wunder läßt, Das treue Thun, das schöne Lieben, Des Lebens fromm vergnüglich Fest? Wo findest Du den alten Garten, Dein Spielzeug, wunderbares Kind, Der Sterne heil'ge Redensarten, Das Morgenroth, den frischen Wind? Wie hat die Sonne schön geschienen! Nun ist so alt und schwach die Zeit; Wie steh'st so jung Du unter ihnen, Wie wird mein Herz mir stark und weit! Der Dichter kann nicht mit verarmen; Wenn Alles um ihn her zerfällt, Hebt ihn ein göttliches Erbarmen - Der Dichter ist das Herz der Welt. Den blöden Willen aller Wesen, Im Irdischen des Herren Spur, Soll er durch Liebeskraft erlösen, Der schöne Liebling der Natur. D'rum hat ihm Gott das Wort gegeben, Das kühn das Dunkelste benennt, Den frommen Ernst im reichen Leben, Die Freudigkeit, die Keiner kennt. Da soll er singen frei auf Erden, In Lust und Noth auf Gott vertrau'n, Daß aller Herzen freier werden, Erathmend in die Klänge schau'n. Der Ehre sei er recht zum Horte, Der Schande leucht' er ins Gesicht! Viel Wunderkraft ist in dem Worte, Das hell aus reinem Herzen bricht. Vor Eitelkeit soll' er vor Allen Streng hüten sein unschuld'ges Herz, Im Falschen nimmer sich gefallen, Um eitel Witz und blanken Scherz. O laßt' unedle Mühe fahren, O klingelt, gleißt und spielet nicht Mit Licht und Gnad', so ihr erfahren, Zur Sünde macht ihr das Gedicht! Den lieben Gott laß in Dir walten, Aus frischer Brust nur treulich sing'! Was wahr in Dir, wird sich gestalten, Das andre ist erbärmlich Ding. - Den Morgen seh' ich ferne scheinen, Die Ströme zieh'n im grünen Grund, Mir ist so wohl! - die's ehrlich meinen, Die grüß' ich All' aus Herzensgrund! |
15.12.2013, 18:29 | #219 |
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Wer glaubt noch...
Wer glaubt noch, daß uns drüben Korallenbäume erwarten, und Vögel, die das Geheimnis singen und ab und zu die beinernen Schnäbel ins rosa gefärbte Wasser tauchen, und daß man uns abholen wird zu Gerüchen nach aufgebrochenen Mandelkernen und den weißen Wurzeln seltener Pflanzen? Ach, der Tod wird nach Pfeffer und Majoran riechen, weil er vorher im Laden beim Krämer saß, der am silbrigen Schwanz eines Salzherings erstickte. Hertha Kräftner (1928-1951) http://diestandard.at/1207285391832/...et-haben-werde Dank Internet werden auch vergessen geglaubte Autor/innen wieder bekannter. |
13.01.2014, 16:13 | #220 |
R.I.P.
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Abschiedsworte an Pellka
Jetzt schlägt deine schlimmste Stunde, Du Ungleichrunde, Du Ausgekochte, du Zeitgeschälte, Du Vielgequälte, Du Gipfel meines Entzückens. Jetzt kommt der Moment des Zerdrückens Mit der Gabel! -- Sei stark! Ich will auch Butter und Salz und Quark Oder Kümmel, auch Leberwurst in dich stampfen. Musst nicht so ängstlich dampfen. Ich möchte dich doch noch einmal erfreun. Soll ich Schnittlauch über dich streun? Oder ist dir nach Hering zumut? Du bist so ein rührend junges Blut. -- Deshalb schmeckst du besonders gut. Wenn das auch egoistisch klingt, So tröste dich damit, du wundervolle Pellka, dass du eine Edelknolle Warst, und dass dich ein Kenner verschlingt. Joachim Ringelnatz 1883 - 1934 |
14.01.2014, 19:26 | #221 |
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George Gordon Noel Lord Byron (1788-1824)
Als sich mit Schmerzen Als sich mit Schmerzen, In Tränen und stumm, Trennten die herzen, Wer sagt, Warum?- Kalt dein Gesicht und blass, Kälter dein Kuss, O damals ahnt ich, was Nun kommen muss. Es taute der Morgen So schaurig kühl, Mich warnte verborgen Ein Vorgefühl Die Schwüre verwehten, Die Ehre zerbrach, Dein Ruf ist zertreten, Und mein deine Schmach Dein Name umklingt mich Wie Totengeläut Ein Schauer durchdringt mich, Als liebt ich noch heut. Wie gut ich dich kannte, Wem ist es bewusst? Wer weiß, wie mir brannte Von Reue die Brust? Verstohlen besessen, Verstohlen beweint, Das du mich vergessen, verraten den Freund! Nach langem Büßen, Wenn Jahre herum, Wie soll ich dich grüßen? In Tränen und stumm. Eins meiner absoluten Lieblingsgedichte! |
20.01.2014, 15:19 | #222 |
Auf die Gesundheit meiner Liebsten Was ich schlafe, was ich wache, Was mir träumet für und für, Was mir Angst macht, was Begier, Was ich lasse, was ich mache, Was ich weine, was ich lache, Was ich nehm an Kost zu mir, Schreibe, lese, denke hier, Was ich tu, was ich nicht tu, Nichts und Alles, Hast und Ruh, Angst und Freuden, Lust und Schmerz, Dieses alles, alles das, Tu ich hier ohn Unterlass, Tu ich nur für dich, mein Herz. Paul Flemming |
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20.02.2014, 19:51 | #223 |
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Im ersten Licht
Wennw ir uns gedankenlos getrunken haben
aus einem langen Sommerabend in eine kurze heiße Nacht wenn die Vögel dann früh davonjagen aus gedämpften Färbungen in den hellen tönenden frischgespannten Himmel wenn ich dann über mir in den Lüften weit und feierlich micht dehne in den mächtigen Armen meiner Toccata wenn du dann neben mir im Bett deinen ausladenden Klangkörper bewegst dich dumpf aufrichtest und zur Tür gehst und wenn ich dann im ersten Licht deinen fetten Arsch sehe deinen Arsch verstehst du deinen drüben verstimmten ausgeleierten Arsch dann weiß ich wieder daß ich dich nicht liebe wirklich dich einfach nicht liebe Karin Kiwus (Quelle: "Frankfurter Anthologie, Band 4", 1979) |
30.04.2014, 14:53 | #224 |
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FRIEDERIKE KEMPNER (1836 - 1904):
Sonnet Blümlein auf der Au, Bläumlein, wunderblau, Sag, was zitterst so? Murmelt's irgendwo? Bächlein, silberblau, Bächlein durch die Au, Gürtel ziehest so, Mündest irgendwo? Fischlein auf dem Grund Mit den Aeuglein klein, Fischlein, schlank und bunt; Wag es, Fischlein mein Wag's zu jeder Stund, Schwimm in's Meer hinein! |
30.04.2014, 15:13 | #225 |
R.I.P.
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Ja, der schlesische Schwan war wirklich trefflich!
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28.06.2014, 14:31 | #226 |
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Eine Erscheinung
I Die Finsternis In den Gewölben unerforschter Trauer, in die mich das Geschick hinabverbannt, in die kein froher Lichtstrahl Eingang fand und wo als Gast der nächtlich bösen Schauer ich einem Maler gleiche, den zum Scherz ein Gott verdammt zu malen, ach! im Düstern; wo ich, als Koch auf grause Speisen lüstern, dich sieden und verzehren will, mein Herz, dort funkelt plötzlich auf und wächst und weitet ein Schattenbild sich voller Reiz und Pracht, das träumerisch nach Art des Ostens schreitet; sobald zur vollen Größe es erwacht, erkenne ich den Geist so schön und flimmernd: denn Sie ist es! so düster und so schimmernd. II Der Duft Mein Leser, atmetest du schon die Luft voll Weihrauchwolken, die durch Kirchen schweben, dem trunkenen Genießen hingegeben, und eines Kissens alten Moschusduft? Wenn solche Reize magisch uns erheben, steigt die Vergangenheit aus ihrer Gruft! So pflückt man, wenn die Liebe wieder ruft, die Blumen, die in der Einnrung leben. Und dem geschmeidigen und schweren Haar, ein Düftekissen und ein Weihrauchfänger, entstieg ein Tiergeruch, ein wilder, strenger … Ihr Kleid, das ganz aus Samt und Seide war, das ihre reine Jugendfrische hüllte, ein herber Duft, wie Fellgeruch, erfüllte. III Der Rahmen So wie die Rahmen, die ein Bild umkleiden, mag es auch noch so schön und kostbar sein, ihm erst den ganz besondren Reiz verleihn, indem sie streng von der Natur es scheiden, so dienten Schmuck und goldne Herrlichkeiten als Fassung für der Schönheit Edelstein; nichts trübte mehr den wunderbaren Schein, umrahmt von schimmernden Geschmeiden. Bisweilen meinte sie, so schien’s, es sollte die ganze Menschheit sie nur lieben; tollte sie nackten Leibes und mit süßer Lust in Küssen von Damast und weichem Leinen, so wollte jede Regung unbewusst wie eines Äffchens zarte Anmut scheinen. IV Das Bild Die Krankheit und der Tod als Schlacken glühen der großen Feuersbrunst, die uns umfing. Von diesen Augen, die so zärtlich sprühen, von diesem Mund, an dem mein Herz verging, von diesen Küssen – mächtige Befehle – von der Verzückung lebensvollem Strahl, was bleibt davon? O schrecklich, meine Seele! nichts als ein blasses Bild, verwischt und fahl, das nun gleich mir verdirbt in Einsamkeiten; die Zeit streift es, ein Greis von schlechter Gunst, mit rauher Schwinge im Vorübergleiten … Du Mörder alles Lebens und der Kunst, du tötest die Erinnerung mir nimmer an sie, die Lust und Ruhm mir war für immer! – Charles Baudelaire – (Übersetzung: Carl Fischer) Geändert von Beteigeuze (28.06.2014 um 17:43 Uhr) |
28.06.2014, 17:39 | #227 |
R.I.P.
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Wer hat die Übersetzung geschaffen?
Meisterwerk. |
28.06.2014, 17:45 | #228 |
Dabei seit: 03/2014
Alter: 51
Beiträge: 113
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Hatte ich vergessen anzufügen, ist nun erledigt
Carl Fischer hat absolut meisterhafte Übersetzungen aus der französischen Lyrik geliefert. Ganz besonders muss man ihn für seine Leistung des an sich unübersetzbaren Stéphane Mallarmé rühmen. Aber natürlich empfinde ich auch seine Baudelaire-Übersetzungen mit als die besten. EDIT: Wieder beim Tippen geschludert Geändert von Beteigeuze (28.06.2014 um 18:58 Uhr) |
03.07.2014, 18:53 | #229 |
Kassia
Längst vergessen? Vielleicht doch nicht ganz.
Kassia, die früheste Komponistin des Abendlandes. Ihre Hymnen sind nicht nur wegen des Gesanges, sondern vor allem wegen der Texte eines des grossartigsten Erbes, das uns Byzanz hinterlassen hat. Ohne Kassia hätte es keine Hildegard von Bingen und keine gregorianischen Gesänge gegeben. Ihr Einfluss reicht weit bis in die Neuzeit und Gegenwart, ich erinnere nur an Michael Cretu und sein Musikprojekt Enigma. All das wäre wohl ohne Kassia nicht möglich werden, ihr Einfluss ist immer noch zu spüren, nur sie selbst geriet wohl in Vergessenheit. Schade. Zu diesem Thema eine Empfehlung für alle, die sich Kassias Hymnen mal in beeindruckender Qualität anhören möchten: |
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08.07.2014, 20:01 | #230 |
Dabei seit: 03/2014
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Venus Anadyomene
Grad wie aus einem grünen Blechsarg, voll Pomade Die braunen Haare, träge, faul, entsetzlich dumm, Hebt sich ein Frauenkopf aus einem alten Bade, Kaum ausgeflickt die Mängel, die man sieht ringsum; Dann fett und grau der Hals, ragende Schulterblätter; Der kurze Rücken, der sich senkt wie eine Bucht; Dann runde Lenden, die zum Scheine Schwung gesucht; – Wie flache Schuppen glänzt’s und macht die Haut noch fetter; – Das Rückgrat schimmert rötlich, und all dieses lässt Seltsam erschaudern; doch vor allem stellt man fest, Dass eine Lupe fehlt, manch eigen Ding zu knacken … Zwei Worte, Clara Venus, in die Lenden eingeritzt; – Der Körper reckt sich, spannt die breiten Hinterbacken, Wo scheußlich schön am After eine Schwäre sitzt. – Arthur Rimbaud – |
09.07.2014, 19:55 | #231 |
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Manche freilich
Manche freilich müssen drunten sterben wo die schweren Ruder der Schiffe streifen, andere wohnen bei dem Steuer droben, kennen Vogelflug und die Länder der Sterne. Manche liegen mit immer schweren Gliedern bei den Wurzeln des verworrenen Lebens, anderen sind die Stühle gerichtet bei den Sibyllen, den Königinnen, und da sitzen sie wie zu Hause, leichten Hauptes und leichter Hände. Doch ein Schatten fällt von jenen Leben in die anderen Leben hinüber, und die leichten sind an die schweren wie an Luft und Erde gebunden. Ganz vergessener Völker Müdigkeiten kann ich nicht abtun von meinen Lidern, noch weghalten von der erschrockenen Seele stummes Niederfallen ferner Sterne. Viele Geschicke weben neben dem meinen, durcheinander spielt sie alle das Dasein, und mein Teil ist mehr als dieses Lebens schlanke Flamme oder schmale Leier. – Hugo von Hofmannsthal – |
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