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25.07.2015, 23:30 | #1288 |
25.07.2015, 23:58 | #1289 | |
Zitat:
Bei dem hat mich halt das, was passiert, nicht so interessiert. |
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27.07.2015, 23:19 | #1290 |
Johannes Mario Simmel
Mein E-Book schafft Platz im Bücherschrank. Aber die alten Schätzchen aussortieren ist Herzensangelegenheit.
Peu a` peu nehme ich mir eins der alten Bücher vor und entscheide, ob ich es sofort wegwerfe oder für aufbewahrungswürdig halte in meinem Altersregal für Lieblingsbücher. Jetzt war Simmels „Hurra, wir leben noch“ dran. Ich begann mit dem letzten Kapitel. Nochmals den Beginn, als er seitenlang an einem Ast über dem Abgrund hing und sein bisheriges Leben Revue passieren ließ, wollte ich mir nicht antun. Aber nach eineinhalb Seiten des letzten Kapitels, als er wieder als Superheld mit Hosenklammern radelnd viel jüngere Radsportler überholte, da war für mich Feierabend. Der Simmel landete in der Papiertonne. -ganter- |
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28.07.2015, 00:25 | #1291 |
R.I.P.
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Hallo ganter,
meine Generation war Simmel-Fan. "Bis zur bitteren Neige" und "Jimmy ging zum Regenbogen" durfte in keinem Bücherregal fehlen. Aber vor Jahren schon habe ich die gesammelten "Simmel-Werke" unserer Leihbücherei überlassen, wo sie immer noch gerne ausgeliehen werden. Ergo: Nur der einzelne Mensch ändert sich und somit auch sein "Lesegeschmack", während die guten alten Schmöker ihre Wertigkeit behalten. Merith |
28.07.2015, 04:42 | #1292 |
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Kann ich bestätigen. Dass dies so war, hat gute Gründe. Simmel war ein Schriftsteller, der wie kaum ein anderer die Nachkriegsstimmung in Deutschland eingefangen hat. Seine Themen waren Wiederaufbau, Flucht aus Ostdeutschland, Kriegsschuld, Spießbürgertum usw. Damals als "Schreiberling" verachtet, ist Simmel längst dafür, dass er die Nachkriegssituation und das Lebensgefühl einer ganzen Generation gut recherchiert und wiedergegeben hat, längst in der Literaturwelt anerkannt. Natürlich kann er den Nerv heutiger Generationen nicht mehr treffen, ebenso wenig wie die damals populären Autoren Heinrich Böll und Willi Heinrich. Wobei Böll "nur" wegen seines politischen Engagements den anderen Autoren überlegen schien, tatsächlich aber war er ein ganz schlechter Stilist.
Es gab nur wenige Schriftsteller, die sich in den 60er Jahren den Befindlichkeiten der Nachkriegsdeutschen zuwandten. Simmels Themen taten der schweigenden, vergessen wollenden Mehrheit weh, viel mehr, als Böll oder Willi Heinrich das vermochten. Ich habe mich oft gefragt, weshalb im Deutschland der Nachkriegszeit die eigenen Schriftsteller so furchtbar streng unter die Lupe genommen und trotz annehmbarer Unterhaltung als "Schreiberlinge" abgetan wurden, während gleichzeitig eine amerikanische Autorin wie Jacqueline Susann ("Das Tal der Puppen") in den Himmel gehoben wurde. Wer auf sich hielt, gab jedoch auch dies nicht zu, sondern las Solschenizyn, zumindest solange, bis Rainer Werner Fassbinder die Deutschen wieder in ihren Alltag zurückholte. |
28.07.2015, 13:49 | #1293 |
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Simmel, Susann und Solschenizyn waren damals für uns tabu. Für mich nicht ganz, denn ich las Simmels "Es muss nicht immer Kaviar sein". Ich fand, mit den Kochrezepten war es ganz nett gemacht, aber ich empfand die Lektüre als unterhaltsam, nicht mehr. Susanns "Tal der Puppen" habe ich mal angelesen (ich glaube, es war als Serie im "Stern" abgedruckt), aber es war reine Zeitverschwendung.
Aber das war erst in den siebziger Jahren, vorher war ich noch zu jung. Über Krieg und Nachkriegszeit informierte ich mich bei Wolfgang Borchert und Heinrich Böll. Noch wichtiger als die Bücher waren damals für mich die Filme, Staudtes "Rosen für den Staatsanwalt" und "Wir Kellerkinder" von Wolfgang Neuss. Ja, und dann kamen schon die neuen deutschen Filmemacher dazu: Rainer Werner Fassbinder, Volker Schlöndorff, Alexander Kluge, Werner Herzog und für uns in Bayern natürlich Herbert Achternbusch. |
28.07.2015, 14:59 | #1294 | |
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Zitat:
Borchert und Böll waren zu intellektuell für die breite Masse. Ich hatte mit Leuten gesprochen, denen ein Roman wie "Ansichten eines Clowns" zu schwer zu lesen war - mir unverständlich, aber so war es. Simmel hat schlicht und einfach das Publikum besser erreicht. Übrigens stammt die Vorlage für den Klassiker "Der Schulfreund" auch von Simmel. "Rosen für den Staatsanwalt" ist natürlich ein Meisterwerk und war damals bestimmt nicht leicht verdaulich. Aber geschickterweise war der Film populär besetzt. Wir können es heute nicht mehr begreifen, dass die Menschen in den 60er Jahren mit zeitkritischen Schriften und "Importartikeln" nicht viel anfangen konnten. Wer wie ich Solchenizyn las, stieß auf Unverständnis. Macht aber nichts. Ich las alles, was mir in die Finger kam, die ganze Bandbreite. Das hatte den Vorteil, dass ich viele Haltungen einordnen konnte. Zu vergessen ist auch nicht, dass die Sprachkenntnisse damals nicht so ausgeprägt waren wie heute, zwei- oder dreisprachig aufzuwachsen war keine Selbstverständlichkeit. Es galt zunächst einmal, die Feindbilder aus dem Krieg loszuwerden. Es ist nicht zu unterschätzen, welche intellektuelle Entwicklung seit der 80er Jahren in Deutschland stattgefunden hat. Wobei es immer wieder Einbrüche gab, vor allem auf dem Filmsektor. |
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29.07.2015, 10:14 | #1295 | |
Unsere Literatur-Nobelpreisträger
Zitat:
Hallo Ilka, Böll ein ganz schlechter Stilist? Über Stil kann man natürlich unterschiedlich denken, aber „ganz“? Unsere Literaturnobelpreisträger der neueren Zeit auf männlicher Seite, Grass und Böll, hatten ihre Preise doch bei Begrenzung der Auswahl auf deutsche Autoren zu recht bekommen. Oder, Ilka, kannst Du verdienstvollere mit internationalem Renommee benennen? Böll ziehe ich persönlich Grass als Autor vor. Zwar habe ich von ihm seit Ewigkeiten nichts mehr gelesen, aber in Erinnerung ist mit seine Wahrhaftigkeit und sein Verzicht auf Phrasen. Seine schnörkellose Schreibweise. -ganter- |
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29.07.2015, 10:34 | #1296 |
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Es geht nicht um Verdienste, die Böll eher wegen seiner politischen Haltung zugesprochen wurden statt wegen seiner "Schreibkunst". Dass er kein guter Stilist war, ist herrschende Meinung der Literaturwissenschaftler, und wenn ich einen Roman wie "Ansichten eines Clowns" lese, kann ich dies nur bestätigen. Hervorragende Stilisten waren Süskind, Lenz oder - um ein Beispiel früherer Zeiten zu nennen -, Kleist. Auch sie waren keine Phrasendrescher, konnten aber mit Sprache umgehen. Dagegen konnte Böll innerhalb eines Satzes nicht mal den Konjunktiv korrekt einhalten, und weshalb man in die Küche gehen und den Kühlschrank aufmachen muss, um sich eine Flasche Cognac zu holen, ist mir nie recht klar geworden.
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29.07.2015, 12:39 | #1297 |
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Ich verstehe nicht ganz, warum Simmel über Böll gestellt wird, war dieser doch einer der wichtigsten Schriftsteller der Nachkriegszeit. Von Bedeutung waren vor allem die brisanten Themen, die er aufgriff. Er wurde deswegen geschmäht, und aus dieser Ecke mag wohl die Behauptung stammen, er sei kein guter Schriftsteller gewesen.
Carl Zuckmayer schrieb über Heinrich Böll: "Am meisten bewundere ich die Einfachheit, Klarheit, Genauigkeit seiner Sprache. Er macht keine Sprüche und er versucht niemals zu bluffen." |
29.07.2015, 13:02 | #1298 | |
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Zitat:
Richtig ist, dass Böll sich verständlich ausgedrückt und auf Phrasen verzichtet hat, guter Stil ist jedoch etwas anderes. Wenn das Komitee für die Vergabe des Literaturnobelpreises Bölls Stil für besonders gut gehalten hätte, wäre dies in der Begründung für seine Wahl erwähnt worden. So war es z.B. bei Winston Churchill und Ernest Hemingway. Die Begründung des Komitees lag jedoch auf Bölls literarischer Auseinandersetzung mit der Nachkriegszeit. Selbst von seinen Schriftstellerkollegen wurde ihm keine besondere stilistische Qualität zuerkannt, das Gegenteil war der Fall. |
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29.07.2015, 14:00 | #1299 |
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Carl Zuckmayer, Günter Grass, Siegfried Lenz, Robert Gernhardt waren doch ernst zu nehmende Schriftstellerkollegen?
Das Komitee würdigte durchaus Bölls Stil, als es ihm als erstem Schriftsteller der Bundesrepublik den Nobelpreis verlieh. Mit jedem neuen Buch wechselte Böll Perspektive und Erzähltechnik, spielte mit Form und Sprache. Kein Wunder, dass die Schwedische Akademie ihm den Preis zuerkannte. Man habe Böll ausgewählt, hieß es in der Begründung, für "eine Dichtung, die durch ihren zeitgeschichtlichen Weitblick in Verbindung mit ihrer von sensiblem Einfühlungsvermögen geprägten Darstellungskunst erneuernd im Bereich der deutschen Literatur gewirkt hat." (Kalenderblatt) Begründung für die Verleihung des Nobelpreises an Heinrich Böll, 1972 |
29.07.2015, 14:15 | #1300 | |
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Zitat:
Siegfried Lenz überrascht mich allerdings etwas, denn er ist stilistisch Böll haushoch überlegen. Ausgerechnet der Roman "Gruppenbild mit Dame", welcher der Nobelpreisverleihung zugrunde lag, wurde in den 70er Jahren von der Presse wegen seines schlechten Stils gnadenlos verrissen. |
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29.07.2015, 14:58 | #1301 | |
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Zitat:
http://www.rossipotti.de/inhalt/lite...iffe/stil.html Solidarität ist für Heinrich Böll kein politischer Begriff, sondern eine Grundeinstellung des Menschen, die durch die sozialen Verhältnisse in Vergessenheit gerät und schließlich zerstört wird. Politik und Gesellschaft haben seiner Meinung nach die Aufgabe, ständig an diese Grundvoraussetzung zu erinnern. Dem Schriftsteller kommt dabei die Rolle zu, wachsam auf soziale Kälteströme zu reagieren und dabei auch notfalls etwas lauter zu werden. Dabei sind Überzeichnung, Provokation und Polarisierung bewusste Stilmittel. (swr2 wissen) Woran würdest du "guten Stil" festmachen? Inwiefern ist Siegfried Lenz Heinrich Böll stilistisch "haushoch überlegen"? Bölls Sekretär meinte zu Gernhardts Satire: "Das ist ein sehr liebevolles, durchaus berechtigtes Bonmot." Heinrich Böll dürfte es nicht krumm genommen haben, hätte er es gelesen, denn auch er war ein Spötter. Ulla Hahn, nun ja, eine umstrittene Gestalt in der deutschen Literaturszene, deren Urteil für mich nicht unbedingt relevant ist. Wäre sie nicht seinerzeit von Reich-Ranicki protegiert worden, würde sich heute vielleicht kaum noch jemand durch ihr Werk quälen. Dass ihn die Presse verrissen hat, kann aufgrund der politischen Brisanz seines Werkes nicht verwundern. |
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29.07.2015, 15:18 | #1302 | |
Günter de Bruyn
Zitat:
Günter de Bruyn, Träger des Heinrich-Böll-Preises der Stadt Köln, sagte u.a.: „ Heinrich Böll zu verehren, sich ihn als Vorbild zu wählen und damit ein Gebiet der individuellen Verantwortlichkeit zu betreten, in dem Literatur und Politik sich berühren…Der Vorwurf der Kleinbürgerlichkeit und des Konventionellen, den Dogmatiker und Moderne hier und des Klassenkampfes dort schon häufig erhoben hatten…“ Solche Beispiele der Bewunderung lassen sich zu Böll zu Hauf finden, oft kritisch im Spiegel, SZ usw. aber immer in ehrender Anerkennung seiner Leistung. -ganter- |
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29.07.2015, 16:53 | #1303 | |
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Zitat:
Was "Gruppenbild mit Dame" angeht, wurde der Roman nicht des Themas wegen negativ bewertet, sondern seines sprachlichen Stils wegen. Reich-Ranicki hat es als schlampig geschrieben bezeichnet, andere Kritiker als eine Aneinanderreihung chaotischer Szenen, die offensichtlich im Schnellverfahren zusammengeschustert wurden. Geht man bei Amazon die Lesermeinungen durch, die über einen längeren Zeitraum entstanden sind, gibt es zwar in der Mehrheit lobende Worte für den Roman als Ganzes, aber auch hier sind Stimmen laut geworden, die ihn als mühsam lesbar oder gar "quälend" und "verschnörkelt" bezeichnen. Um gezielt auf Deine Frage einzugehen, Rosenblüte: Für mich hat guter Stil nichts mit einem Thema, mit Engagement oder mit einem Genre zu tun, sondern allein mit der Umsetzung von Sprache, mit Ausdruck, Struktur und Originalität. Es kommt nicht von ungefähr, dass der Literaturnobelpreis auch an Leute vergeben wurde, die nicht in der sogenannten "Literatur" tätig waren, sondern z.B. in der Politik, Geschichte oder Philosophie, also weder Romane noch Lyrik oder sonstwas Belletristisches schrieben. Großartige Stilistiker waren z.B. auch Sigmund Freud, Martin Luther und Werner Heisenberg - alle "Sachschreiber". Nicht ganz: Luther hat bekanntlich auch Lyrik geschrieben. Und über den Inhalt manch seiner Schriften kann man natürlich die Nase rümpfen - aber das ändert nichts daran, dass er mit Sprache brillant umgehen konnte. Für mich sind es zwei paar Schuhe, ob ich ein Werk vom Thema oder von der Sprachkunst her bewerte. Wenn jemand aus Sprache Kunst macht, weil er stilsicher ist, kann mich auch die absurdeste Geschichte begeistern. Böll war eher die Axt im Walde - macht aber nichts, denn die Schläge wurden gehört. |
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29.07.2015, 19:35 | #1304 |
Guter Stil - und was nun?
Mal wird die Klarheit von Bölls Schreibweise und seine inhaltliche Leistung anerkennt und dann wieder fehlende Sprachkunst bemängelt.
Was kann denn besserer Stil sein, als verständlich zu schreiben! Der Mann hatte einfach Stil. -ganter- |
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29.07.2015, 19:55 | #1305 |
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29.07.2015, 21:12 | #1306 |
Lindwurm
Liebe Ilka,
ist es Deine lobenswerte Absicht, eine endlich mal in Gang gekommene Literaturdiskussion am Köcheln zu halten. Stil hin oder her. Das ist bloß ein leeres Wort. Wenn Du nicht nur den altertümlichen Kleist nennen würdest, sondern konkrete Textpassagen als Positivbeispiele, kämen wir vielleicht etwas weiter. Gruß -ganter- |
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29.07.2015, 21:56 | #1307 |
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29.07.2015, 23:04 | #1308 |
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Wo? Und welche Art stilistisches Mittel wäre es? Ein Paradoxon?
Die von Heinrich Böll verwendeten stilistischen Mittel (u.a. Symbolik, Rückblenden, authentische Sprache, Ironie, Sarkasmus, Übertreibungen, antithetische Wortspiele, sentimentalisierte Wortwahl - seine Intention war dabei immer, die Gegenstände "ins rechte Licht zu rücken") werden in folgender Dissertation anhand von Beispielen aus Bölls Frühwerk umfassend dargestellt: Die Formen der Symbolisierung in der frühen erzählenden Prosa Heinrich Bölls |
30.07.2015, 04:03 | #1309 |
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Nun, auch in dieser Dissertation wird das Thema aufgegriffen, dass es Bölls Sprache an Ästhetik mangelt. Dies wird damit erklärt, dass nach dem Krieg aufgrund einer gewissen Sprachlosigkeit, die jeden Ausdruck schwierig machte, nach neuen Ausdrucksformen gesucht werden musste. Seltsamerweise gab es aber Schriftstellter, die sich sehr wohl auszudrücken verstanden.
Zudem befasst sich die Dissertation mit Bölls Frühwerk, das wohl kaum jemand kennt, nicht einmal den Titeln nach. Mir ist das durchaus verständlich, denn ich bin in dieser Zeit aufgewachsen. Da wurde "Das Brot der frühen Jahre" heftig vermarktet, auf jeder Litfaßsäule prangten große Plakate, und meinem damaligen Alter nach zu schließen, handelte es sich wohl nicht um das Buch, sondern um die Verfilmung. Die Reaktionen, die ich hörte, liefen alle in die Richtung: "Kann man uns mit solchen Themen nicht endlich in Ruhe lassen!" Kein Mensch hat sich für Bölls Themen interessiert, und auch in den 70er Jahren, als er politisch engagiert in den Fokus der Öffentlichkeit rückte, gab es niemanden, mit dem ich über seine neueren Werke hätte sprechen können, denn kaum jemand wollte sie lesen. Die Verfilmung von "Ansichten eines Clowns" stieß auf Ablehnung, und "Gruppenbild mit Dame" bezog seine Anziehungskraft lediglich von der Besetzung durch Romy Schneider. Ich erfuhr über Böll mehr aus der Tagesschau im Zusammenhang mit russischen Exilanten als aus dem Literaturteil der Tageszeitungen. Da musste ich mir schon die Mühe machen, seine Bücher zu lesen. Gebracht hat es mir nichts, denn es gab keinen Identifikationsstoff. Ich musste weder nach Ausdruck suchen, noch mich mit dem Katholizismus auseinandersetzen. Eine Dissertation ist kein Indiz für was auch immer, sondern der Versuch, einen Titel zu erlangen. Wollte ich eine Dissertation schreiben, trüge sie den Titel: "Der Mythos Böll". Und sie läse sich ganz anders. |
30.07.2015, 09:20 | #1310 | |
Wohltemperiert
Zitat:
-ganter- (mein Rotwein steht auch im Kühlschrank, glücklicherweise bin ich auf Stil nicht angewiesen) |
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30.07.2015, 12:01 | #1311 | |||
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Zitat:
Das Böllsche Werk verlieh der Menschlichkeit Inhalt, und die Menschlichkeit verlieh dem Böllschen Werk Ästhetik; daraus entsprang die Böllsche „Ästhetik des Humanen“, die als des Autors Vorhaben galt. Mit den ersten Worten seiner „Frankfurter Vorlesungen“ sagt Böll den Hörern, was er beabsichtige: „eine Ästhetik des Humanen zu behandeln – das Wohnen, die Nachbarschaft und die Heimat, das Geld und die Liebe, Religion und Mahlzeiten.“ (...) Die oft einseitige Konzentration der Literaturwissenschaft auf die moralischen Dimensionen des Böllschen Werkes führt zu der Geringschätzung seiner ästhetischen Qualität; dabei bleiben seine formalen Aspekte häufig unbeachtet, während seine emotionale Seite eindringlich betont wird. Diese formalen Aspekte werden in der vorliegenden Arbeit ausführlich behandelt. Über den Roman „Kreuz ohne Liebe“ heißt es u.a.: Ein komplexeres Abendbild (...) setzt sich aus gravierenden Antithesen, ästhetischen Metaphern und Vergleichen zusammen: „Der Dämmer hatte sich wie eine kostbare graue Seide über die Stadt gesenkt; er war wirklich wie ein zarter Stoff, der schmeichelnd Wangen und Stirn berührt... er milderte die gräßlichen Fassaden der Häuser in den Straßen des Elends fast bis zur Schönheit; mild und grau verschwamm alle grausige Deutlichkeit des Schreckens unter seinem Lächeln; die Stadt, diese Ansammlung von Stein und Not, schien aufzuatmen wie ein Schwerverwundeter unter den behutsamen Händen einer liebevollen Pflegerin; [...] Freude, Sehnsucht und Hoffnung schienen auf den Gesichtern wach zu werden, für diese kurze Stunde, um bald wieder zu erstarren unter den lüsternen Fingern der Nacht. Gier und Hetze versanken für eine kleine Weile im Abgrund des Vergessens, während man friedlich auf den sanften Teppich des Dämmers sich gleiten ließ. Träume und Phantasien blühten sogar auf in den Herzen der gröbsten Jäger nach dem Geschäft, als werde ihre Seele für einen Augenblick frei und tauche aus der schrecklichen Tiefe der verworrensten Lüste für einen Atemzug an die Oberfläche ihres Wesens...“ Die Sommerlandschaft wird in einer hoch ästhetisch, impressionistisch gefärbten Sprache ausgemalt. Ausdruckstarke Adjektive wie glühend für die Sonne, flimmernd für die Luft, unsagbar für die Stille und kochend für die Hitze zusammen mit Metaphern und Vergleichen heben jedes einzelne Bestandteil der Landschaft sorgfältig und einzeln hervor: „An den stillen Ufern des Mains brütete die glühende Sonne des Sommers die Pracht des Herbstes aus; die Luft stand still über den Uferwiesen wie der heiße Atem eines Ofens... In der flimmernden Luft über den Halmen tanzten die Insekten wie winzige Schwimmer in einer ätherischen Flüssigkeit; unsagbare Stille und die kochende Hitze lagen in stummer, atemloser Umarmung, als wären sie in der Stunde Pans aufeinanderzugetaumelt, um sich in lodernder Leidenschaft zu verbrennen zu nichts; nur manchmal klang das kleine Plätschern des bescheidenen Flusses über den Rand der Stille wie das verschämte Kichern eines harmlosen Lauschers...“ In Bölls Versuch, die Mystik der romanischen Kirchen in Worte zu fassen, beeindruckt die ästhetisch-bildhafte Sprache, die aber wie in den folgenden Darstellungen aufgezeigt, in der Wiederkehr von Merkmalen (romanische Sanftmut, Innigkeit) verfällt: „Sie betraten den leeren, großen, stillen Raum von romanischer Sanftmut und Innigkeit. Sie atmeten beide schwer und tief, oben in der Kirche unter dem Turm stehend; es war, als atmeten sie mit einer schmerzlichen Seligkeit die Stille und die Ruhe dieser unsagbar innigen Kirche. [...] Sie hatten beide das Gefühl, in die Ewigkeit gleichsam hineinzusinken... zu gleiten über die schmale Brücke der Zeit in die Ewigkeit (S. 158). [...] innig und schön war die romanische Sanftmut und der trauliche Dämmer des Raumes... [...] Er fühlte sich in dieser kleinen Kirche, [...] eingetaucht in die Unendlichkeit; und ein dunkler Schrecken erfüllte ihn... ja, es war als habe die Unendlichkeit ihren geheimnisvollen Mantel aufgeschlagen und ihn unterschlüpfen lassen [...] er preßte die Hände zusammen, um sich selbst zu spüren und sich der Unendlichkeit der Zeit zu vergewissern.“ Die Natur, die Musik, die Liebe und der Glaube erwecken in den Menschen das Humane, das, vom Leid gepeinigt, zu verschwinden droht. Diese Art von Erlösung wird in hochästhetischen Metaphern und Vergleichen, romantisch gefärbten Illustrationen und poetischen Übertreibungen erfasst. Die Sprache bildet dadurch einen klaren Kontrast zu der expressionistischen Darstellung des Leids. Die Natur erweckt die Hoffnung, dass der Krieg doch nicht alles zerstören kann, und ihre Harmonie bildet ein Gegenbild zu der Gewalt der Menschenwelt. Zitat:
Zitat:
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06.08.2015, 01:03 | #1312 |
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William B. Helmreich:
"The New York Nobody Knows - Walking 6.000 Miles in the City" Ein spannendes Buch über eine faszinierende Stadt. Der Autor hat jahrelang die fünf Stadtteile - Manhattan, Bronx, Queens, Brooklyn und Staten Island - durchwandert und seine Beobachtungen und Begegnungen mit den Menschen festgehalten. Eine Stadt der Zuwanderung: "The diversity of the immigrants is truly amazing. They come from virtually every corner of the globe ..., and they speak more than 170 languages." |
27.08.2015, 19:19 | #1313 |
Frieder Lauxmann: Profile großer Denker - Exemplarische Skizzen von Sokrates bis Bloch
Spannendes Jugendbuch |
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28.08.2015, 10:26 | #1314 |
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Jean Paul: "Blumen-, Frucht- und Dornenstücke oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten F. St. Siebenkäs im Reichsmarktflecken Kuhschnappel", kurz "Siebenkäs". Es ist der Roman einer Ehe, einer Freundschaft und einer Erbschaft in vier Bändchen. Das Buch wurde 1796/97 veröffentlicht. Jean Paul verarbeitete darin seine damaligen Probleme: Nach literarischen Misserfolgen musste er vor seinen Gläubigern fliehen und kehrte als gescheiterte Existenz ins Haus der Mutter zurück. Zu dieser Zeit starb auch sein Freund, und sein Bruder beging Suizid. Trotzdem ist es auch ein heiteres Buch voller grotesker Einfälle. Aber schon wie der Titel zeigt, ist dieses Buch eine Herausforderung. Jean Pauls Stil kann nur als außergewöhnlich, als einmalig bezeichnet werden. Es fällt mir extrem schwer, mich in den verschlungenen Handlungspfaden und weitschweifigen Sätzen zurechtzufinden. Aber ich gebe nicht auf, und ich denke, die Mühe lohnt sich, weil das Buch etwas Besonderes und ein gutes Beispiel ist, was die deutsche Sprache zu bieten hat. Geändert von Rosenblüte (28.08.2015 um 12:56 Uhr) |
03.09.2015, 02:03 | #1315 |
Lautréamont - Isidor Ducasse
Lautréamont - Die Gesänge des Maldoror _ Dichtungen ( Poésies) / Briefe Das Gesamtwerk - Verwirrend stark, surrealistisch, an denen sich die ersten literarischen Surrealisten richteten. - Erschreckend fesselnd, und zu gleich ekelerregend poetisch verfasst worden ist. - Gewalthandlungen im übertriebenstem Sinne vorgeführt. - Maldoror weiß genau das er in diese Welt nicht passt, denn Glasgow-Smiles sind nicht in Mode. - Übersetzt aus dem frz. von "Ré Soupault" Keine leichte Kost, dennoch sehr empfehlenswert für das Volk, dass sich dem Surrealismus stark hinzugezogen fühlt. - eigentlich ein MUSS. Gruß Leandra - |
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03.09.2015, 10:11 | #1316 |
Virginia Woolf: Mrs. Dalloway
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03.09.2015, 17:44 | #1317 |
Forumsleitung
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Nachdem Buch von Syd Field "Das Drehbuch - Die Grundlagen des Drehbuchschreibens"
habe ich mir jetzt von Christopher Keane "Schritt für Schritt zum erfolgreichen Drehbuch" vorgenommen: Auch für Leute, die keine Drehbücher schreiben wollen, aber den Kinofilm lieben, sind die Bücher informativ und erweitern das Verständnis dafür, wie wichtig ein gutes Drehbuch für einen gelungenen Film ist. Leider enthält das Buch von Christopher Keane nicht nur zahlreiche Rechtschreib- und Grammatikfehler, sondern auch einige Sach- und Übersetzungsfehler, was vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass der Übersetzer mit der Filmmaterie ungenügend vertraut war. |
04.09.2015, 15:36 | #1318 |
fℓυє¢нтℓιиgє єятяαєикєи
єιи ιитєяєѕѕαитєя αятιкєℓ ∂єя ωєℓт zυя fℓυє¢нтℓιиgѕρяσвℓємαтιк мιт єιиєм ιитєяєѕѕαитєи νσяѕ¢нℓαg. υикσиνєитισиєℓℓ αвєя нσ¢нαктυєℓℓ:
http://www.welt.de/satire/article145...rtraenken.html |
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06.09.2015, 00:05 | #1319 |
Marion Tauschwitz, Selma Berbaum
Die Hilde Domin Kennerin Tauschwitz nähert sich der Lyrikerin und Cousine Paul Celans, die mit 18 Jahren bereits in einem Arbeitslager starb. Für mich ist diese Lyrikerin die Entdeckung des Jahres..... Anna |
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06.09.2015, 00:40 | #1320 |
R.I.P.
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Robert Neumann
"Mit fremden Federn" Verlag Kurt Desch München (Ausgabe von 1952) Die köstlichsten Parodien. Bekannte (und heutzutage unbekannte) Dichter und Schriftsteller werden mit der Feder aufgespießt. Ein Beispiel: GOTTFRIED BENN Frühling, adipocyre Batrachomyomachie, heut greif auch ich zur Lyre -- aber wie? Jünglinge, Kater - das Mühen läuft auf dasselbe hinaus: die Gonorrhöen blühen, die Stirnen schlagen aus. Bild Tizians, Cimabues, Aar mit Aortendefekt, zwischen Leda und Lues scheidet doch nur der Aspekt. Was bleibt von Venus, der Putte, wenn ich sie lyrisch zerstückt? 'ne nymphomanische Nutte! -- Kommt ins Kaffeehaus zurück! |
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