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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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30.01.2008, 11:08 | #1 |
Boden ständig
Die Anlässe werden
selten und Haut ein brüchiges Tuch durch das vergessene Wörter gleiten Noch geerdet schreie ich uns die Vögel aus der Stimme |
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31.01.2008, 13:39 | #2 |
hallo franke,
im titel das in der regel positiv besetzte "bodenständig". das ist einer mit realblick, keine narreteien, keine luftsprünge in irgendwelche wolkenkuckucksheime. die "normalen" biografischen erwartungen werden in der bodenständigkeit vorhersehbar, berechenbar. die durch die trennung erfahrene zweite bedeutung drückt den leser selbst schon nach unten in richtung boden, denn ständig am boden bedeutet dann auch der verlust der phantasie und der vorstellung fliegen zu können, entfliehen zu wollen, das spontane und nicht vorhersehbare zu unternehmen. dieses thema wird im gedicht weiterentwickelt. wobei mir die wahl des wortes "anlässe" sehr gefällt, denn es bleibt vieles offen. ich kann hier assoziieren, die anlässe in einer beziehung werden selten, die aus dem alltagstrott herausragen und die welt plötzlich ganz klein erscheinen lassen, als flöge man und schaute von oben herab. doch das gegenteil geschieht, die s2 zieht den leser auf den boden der tatsachen, das ist das altern, die brüchigkeit der worte, das heißt auch das verblassen des dialoges, des sich etwas zu sagen haben. die vergessenen wörter stehen für die unfähigkeit, das richtige wort zu finden. es gibt keine gemeinsame sprache mehr und die worte aus der erinnerung finden keinen halt mehr im alltag. in der s2 stemmt sich das lyrich gegen diese zerfallserscheinungen und die eigene ohnmacht. der schrei erscheint fast schon als flugversuch. dabei kann man "schreie ich uns die vögel aus der stimme" mehrdeutig lesen. einerseits als ein aggressiver akt, dann reiße ich uns den letzten traum aus dem leib, um nicht im spannungsfeld zwischen anspruch und realität zu leiden, andererseits eine beschwörung ein herbeirufen von anlässen, flugversuchen und ein entfernen vom geerdet sein. das gefällt mir gut. lg tamiflu |
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31.01.2008, 13:53 | #3 |
Hallo tami!
Danke für deine ausführliche Interpretation. Du hast wie immer den Text sehr feinfühlig erfasst. Zur Strophe 2: Hier trifft der "aggressive Akt" meine Intention am besten. Aber die zarteren Gemüter dürfen natürlich die angenehmere Version wählen. Danke und liebe Grüße Manfred |
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31.01.2008, 19:10 | #4 |
RE: Boden ständig
Hi Franke,
Deine Zeilen klingen so schön ehrlich, trotzig und aufmüpfig. Das mag ich. Da merkt ein bodenständiges LI, das auch sehr wohl weiß, wie angenehm das ist, bodenständig zu sein und wie gut es ihm tut, dass immer Boden manchmal richtig nervt. Ständig am Boden bringt den Bodenständigsten um. Wenn das also das LD schon nicht kapiert, muß man schreien und sich ganz unkonventionell in die Lüfte erheben, um die Träume zu erhaschen, die das bodenständig sein so süss machen und es ermöglichen, überhaupt wieder gewollt bodenständig zu sein. Mabel |
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31.01.2008, 19:19 | #5 |
Hallo Franke,
nachdem schon alles gesagt wurde, sage ich; das gefällt mir sehr, nüchtern, trocken und dann ein Aufbegehren. Gerne gelesen, LG, LW (Helau!) |
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31.01.2008, 19:58 | #6 |
Hallo lyrwir!
Danke fürs Lesen und Mögen. Ein Schrei in die Stille, bzw. Brüchigkeit kann manchmal Wunder wirken. Liebe Grüße Manfred |
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02.02.2008, 14:50 | #7 |
Hi Franke,
diese gefällt mir. Vor allem da die Bildlichkeit so deutlich den Titel des Textes trifft, was nicht leicht zu immitieren ist. Auch klanglich passt das. Es sind keine Worte dabei die mich inhaltlich stören bzw. schlecht für den Sprachfluss sind. Wie ich finde, eine schöne, tiefe Sprache. LG Inline bzw. Wolfgang |
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02.02.2008, 16:22 | #8 |
RE: Boden ständig
Hallo Franke,
ich kann mich dem Lob nur anschließen. Die durch die brüchige Haut gleitenden Wörter sind mir zwar etwas zu surreal (wozu hat man einen Mund), aber dafür ist das Schlussbild einfach Klasse!. LG Perry |
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03.02.2008, 13:59 | #9 |
Hallo Wolfgang und Perry!
Danke fürs Lesen und Kommentieren. Anscheinend bin ich hier meinem Wunschbild, mit wenigen Worten viel zu sagen, etwas näher gekommen. Die brüchige Haut meint, dass unsere dicke Haut, die uns manchmal einiges übersehen bzw. überhören lässt, nun durchlässig geworden ist. Liebe Grüße Manfred |
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