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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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19.10.2023, 22:50 | #1 |
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Ich fließe in den Bächen mit dahin
Ich fließe in den Bächen mit dahin,
die nur das Fließen kennen und nicht mich. Wie könnt ich sie auch rühren, denn ich bin ein Mensch, gering und sanft gelegentlich. Ein Ufer schwimmt, an dem die Weiden stehn, an ihren Ästen hängt die Traurigkeit, ich wag es nicht bis hin zum Stamm zu sehn, ist es nur Sehnsucht oder Eitelkeit? Ich bin allein im Trugschluss der Gezeiten. Ich lege meine Wangen auf das Gras und meine Hände streicheln sanft die Saiten der Halme bis zu ihrem Rand aus Glas. Ich steige auf, wie jemand, der nur steigt: Von hier aus kann ich alle Lichter lenken, durch Wind und Abende mir zugeneigt erscheint das Mondlicht, um sein Haupt zu senken. Vertont: https://m.soundcloud.com/eisenvorhan...chen-mit-dahin Fürs Archiv hier, ursprünglich in der Lyrikwiese gepostet |
20.10.2023, 20:45 | #2 |
Dieses Gedicht entfaltet eine tiefgreifende emotionale Intensität, die für mich beim Lesen unausweichlich Fragen über meinen eigenen Platz in der Welt aufwirft. Das lyrische Ich erscheint wie verlassen, eingehüllt aus Melancholie und zugleich Hoffnung. Besonders beeindruckt mich die Sprachwahl: Die Beschreibung der Halme, deren Saiten mit Glasrändern versehen sind, vermittelt nicht nur die Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit des Daseins, sondern suggeriert dem Leser eine klangvolle, fast onomatopoetische Ebene, dies sehr subtil. Durch die Worte kann ich beinahe das Rascheln des Windes in den Wiesen vernehmen, wie er sanft über die Grashalme streicht. Witzig ist auch der Unterschied zur gesprochenen Version. Denn da lässt es sich nicht ausmachen, ob die "Seiten" oder die "Saiten" gemeint sein könnten. Wenn man das Gedicht erst hört und dann liest, erlebt man eine kleine Überraschung.
Das lyrische Ich legt seine Wangen behutsam auf das Gras und empfindet eine tiefe Ehrfurcht davor, alles in seiner Umgebung wahrzunehmen. Die Sprache des Gedichts ist schöngeistig, und das Bild des Mondlichts, das sein Haupt demütig neigt, vermittelt eine Atmosphäre von Frieden, Unaufhaltsamkeit und Akzeptanz. Es verschmelzen die Natur, die menschliche Seele zur einer stimmigen und harmonischen Einheit, die mich in eine Welt des Nachdenkens und der inneren Reflexion entführt. Es ist ein schmaler Grad, lieber EV. Eigentlich möchte ich die eine oder andere Formulierung kritisieren, weil sie irgendwie ungewöhnlich ist, andererseits gehen mir die Bilder auf merkwürdige Art und Weise nahe. Beispielsweise "Das Ufer schwimmt". Beim Lesen war ich verwirrt, aber dann musste ich daran denken, wie ich auf der Autobahn fahre und obwohl ich mich fortbewege, scheint es manchmal so zu sein, als würde ich stillstehen, wenn ich aus dem Fenster blicke. In Bezug auf das Gedicht passt das wundervoll in die Szenerie und wirft für mich elementare philosophische Fragen auf, wie beispielsweise die Relativität von Zeit und wie wichtig es im Leben ist, verschiedene Perspektiven einzunehmen. Emilie |
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20.10.2023, 21:34 | #3 |
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Hey Emilie,
joar, jeder entwickelt sich durch die Sprache auf seine eigene Weise. Eigentlich schreibe ich ja nicht mehr aber wer weiß, vielleicht irgendwann wieder. Bzw. eins habe ich in der Mache, ein Sounfreundlich, aber das liegt seit einem Jahr irgendwo in der Stube und setzt Masse an. Danke für deinen Kommentar und für das Vorbeiguggn! Schön von dir zu lesen. LG EV |
21.10.2023, 16:33 | #4 |
Berührend
Hallo Eisenvorhang, Deine Zeilen berühren in ihrer Wortwahl, als auch den Bildern und sind sprachlich sanft und eindringlich.
PS: Ich denke nicht, dass das Mondlicht sein Haupt neigen kann, weiß aber dennoch, was gemeint ist. Liebe Grüße Silver |
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21.10.2023, 16:59 | #5 |
Forumsleitung
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Die Bilder wirken, wie es beabsichtigt ist. Sie sind - als Allegorie (das Haupt des Mondlichts, das schwimmende Ufer) und als Metaphern sorgsam gewählt, da hat Eisenvorhang nichts dem Zufall überlassen. Bei den "Saiten der Halme" kann man das Gras förmlich klingen hören. Es macht natürlich auch eine Menge aus, einen versierten Schauspieler für das Einsprechen des Gedichts gewonnen zu haben. Da spürt man die Ausbildung und Erfahrung eines Profis.
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21.10.2023, 21:13 | #6 |
Danke Ilka-Maria, aber
ich denke, EV kann selbst, wenn er es für nötig erachtet, auf meinen Einwand eingehen.
Noch einen schönen Abend, Silver |
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21.10.2023, 21:34 | #7 |
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Ich hoffe, mir lastet kein Fluch an. Denn irgendwie gibt's in meinen Fäden - zum Leidwesen meinerseits - immer Schlägereien. Please don't. Und ich habe wirklich keine Lust, dass Ilka wieder einen Faden von mir schließen muss.
Ilka, kannst du den vielleicht wieder aufmachen? https://www.poetry.de/showthread.php?t=89585 Seid bitte freundlich zueinander! Merci LG EV |
21.10.2023, 21:49 | #8 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Ich wünsche dir einen entspannten Abend. |
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21.10.2023, 22:02 | #9 | |
Forumsleitung
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Zitat:
keine Sorge, der Faden wird nicht geschlossen. Silvers Reaktion ist Pillepalle. Ich hätte dich mit meinem Kommentar persönlich ansprechen sollen, das war ein Versäumnis. Ich hatte ihre Anmerkung zu deinem Gedicht nur aufgegriffen, weil ich beim ersten Lesen natürlich auch an den ungewöhnlichen Metaphern kleben blieb. War halt mein Fehler, dich nicht zu adressieren, aber ich gehe grundsätzlich davon aus, dass ein Forum nicht auf Dialoge beschränkt ist, sondern ein allgemeiner Austausch in großer Runde stattfindet. Vielleicht haben andere User hierüber ein anderes Verständnis. Dann ist es eben so, ist aber nicht mein Problem. Das andere Gedicht habe ich freigeschaltet. Schönen Abend, Ilka |
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21.10.2023, 22:06 | #10 | |
Es tut mir leid, wenn ich falsch verstanden wurde
Zitat:
Ich werde den Abend nutzen, um meine Gedanken und Gefühle im Bache mitfließen zu lassen. Das Gedicht lädt dazu ein. Es grüßt Silver |
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21.10.2023, 22:18 | #11 |
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Ich danke euch! Silver habe dir was geschrieben.
Auch dir Ilka fürs Unlocken und dem Lob. LG EV |
23.10.2023, 22:21 | #12 |
Hallo EV,
Wasser ist auch mein Element von dem ich mich gern treiben lasse, auch wenn ich "Gezeiten" real eher mit dem Meer als mit Bächen verorte.
Da der Text aber insgesamt von Metaphern getragen wird, kann man die Gezeiten auch als "Kommen und Gehen" interpretieren. Gerne deinem Vortrag gelauscht, der dem Text eine zusätzlich gut Note verleiht. LG Perry |
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23.10.2023, 22:47 | #13 |
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Hallo Perry!
Google mal "Gezeitenbäche", da wirst du mit Sicherheit viel Inspiration finden! Schön, dass du hier warst und dich mit meiner Arbeit beschäftigt hast. Zitat: "...Nährstoffe und organische Stoffe werden stromabwärts an Lebensräume geliefert, in denen diese normalerweise fehlen, während die Bäche auch Salzwasserorganismen Zugang zum Lebensraum im Landesinneren bieten..." Lg EV |
05.11.2023, 13:04 | #14 |
Danke für diesen lyrischen Moment, Eisenvorhang. Die gelungene Vertonung. Und das bleibende Bild, das Einzug erhalten hat in meine Erinnerungen und Sehnsüchte an melancholische Fluss- und Ufererkundungen. Ich sehne mich im Novemberblues nach einem Sommerabend am Fluss und dem Studium von Halmen bis zu ihrem Rand aus Glas.
Gruß Lizard |
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05.11.2023, 16:59 | #15 |
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Hallo Lizard,
ich bedanke mich bei dir für deinen wohlwollenden Kommentar. Schön, wenn der Text etwas in dir bewegen konnte. LG EV |
Lesezeichen für Ich fließe in den Bächen mit dahin |
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