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Fantasy, Magie und Religion Gedichte über Religion, Mythologie, Magie, Zauber und Fantasy. |
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04.10.2023, 17:55 | #1 |
Absaloms Tod
Tief im Wald, fern jedes Steges,
geht ein Maultier seines Weges. In der Bäume grünem Dämmern tönt nur eines Spechtes Hämmern. Sinnend reitet Absalom, wohlgestalt, doch nicht sehr fromm, der den Vater wenig ehrte, ihm sogar den Krieg erklärte, denn es strebt der Königssohn selbst nach seines Vaters Thron. Üppig fällt die Lockenmähne fast bis zur Achillessehne. Es wär Zeit, dass man sie schert, da sie sehr sein Haupt beschwert, mehr noch, als für ihn gesund. Vier und noch ein halbes Pfund bringt die Haarpracht dieser Tage auf die königliche Waage. Während ruhig sein Maultier schreitet, fühlt er, der so einsam reitet, von den Zweigen einer alten Eiche sich zurückgehalten, als sich seine schönen, langen Haare im Geäst verfangen. Langsam zieht das Maultier weiter, achtet nicht auf seinen Reiter. Ohne dass es dies begreift, hat es ihn schon abgestreift. Schwebend hält ihn das Geäst zwischen Erd und Himmel fest. Wie er so im Lauf gehemmt in des Baumes Armen klemmt, muss er den Gedanken fassen: "Wird man mich so hängen lassen? Bin ich schon zum Tod erkoren oder bleib ich ungeschoren?" Plötzlich scheint es ihm, als seh er dort im Zwielicht einen Späher. Da erscheint mit einem Mal König Davids General mit dem Hüfthorn an der Flanke und drei Spießen in der Pranke. "Schuft, von meinen eignen Händen sollst du hier als Schaschlik enden!" Dieses sind die letzten Worte, welche an des Todes Pforte in des Prinzen Ohren klingen, als die Spieße ihn durchdringen. Man beerdigt auf die Schnelle ihn im Wald an Ort und Stelle. Friedvoll ruht des Prinzen Leiche an dem Fuß der alten Eiche. Joab lässt sein Horn erschallen, um es zu verkünden allen: "Israel, der Sieg ist mein!" Dann wirds wieder still im Hain. In der Bäume grünem Dämmern tönt nur eines Spechtes Hämmern. |
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04.10.2023, 20:16 | #2 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.877
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Lieber Cornelius,
morgen habe ich das außerordentliche Vergnügen, Deine Namensvetterin Cormelia in MeckPomm begrüßen zu dürfen. Ihr werde ich Dein Gedicht vorlesen, denn so ein Gedicht verdient die Bewunderung auch durch hübsche Frauen. Mich hast Du veranlasst, Davids Klagelied nach langer Zeit einmal wieder zu lesen. Gut gemacht - Chapeau! Liebe Grüße, Heinz |
04.10.2023, 20:36 | #3 |
Forumsleitung
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Guten Abend, Cornelius,
deine Gedichte, ob humorvoll (meistens), gefühlvoll oder düster, kommen sprachlich enorm leichtfüßig und in stolperfreiem Rhythmus daher. Obwohl du dich einer klaren Sprache bedienst, klingt sie niemals anspruchslos und monoton, sondern sie ist bildhaft und farbig. Das muss man können, man schüttelt so etwas nicht auf gut Gelingen aus dem Ärmel. Deshalb vermute ich, dass du die Dichterei nicht erst seit wenigen Monaten betreibst, sondern aus einem langangelegten Fundus schöpfst. Ich habe deine Ballade mit Vergnügen gelesen und schließe mich Heinz an: Bravourös gedichtet! Beste Grüße, Ilka |
05.10.2023, 12:18 | #4 |
Danke Euch beiden...
Guten Morgen Ilka,
Hilfe...mit einem so dicken Lob habe ich nicht gerechnet. Danke erstmal dafür. So ein Lob erhöht natürlich auch den Druck, in Zukunft Vergleichbares liefern zu müssen... Die ältesten Gedichte in meinem Fundus sind übrigens vor gut drei Jahren entstanden. In der Regel stelle ich hier jede Woche ein neues Gedicht ein sowie ein älteres, das ich noch einmal gründlich prüfe und gegebenenfalls (also praktisch immer) überarbeite. Manche der Urfassungen lassen mich heute erröten... Seit ich Mitglied hier im Forum bin, ist meine Produktivität deutlich gestiegen und ich habe hier in den vergangenen fünf Monaten mehr gelernt als in x Jahren zuvor. Wünsche auch dir weiterhin viel Freude beim Verse schmieden! Gruß Cornelius *** Lieber Heinz, freut mich, wenn ich dich dazu anregen konnte, mal wieder das Buch der Bücher zur Hand zu nehmen. An eine Nachdichtung von Davids Klage wollte ich mich nicht wagen, aber die Geschichte von Absaloms Ende verfolgt mich buchstäblich jeden Tag. Mein täglicher Weg führt nämlich an einer Altrheinwiese mit schönen alten Eichen vorbei, von denen besonders eine es mir angetan hat, deren Äste wirklich bis hinunter zum Boden hängen. Mangels einer Haarpracht, die mit derjenigen Absaloms zu vergleichen wäre, kann ich allerdings gefahrlos unter ihr hindurchgehen. Danke dir und herzliche Grüße an Cornelia! Gruß Cornelius |
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