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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen. |
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01.08.2023, 23:01 | #1 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Der Tod und das Leben
Ich bin der große Schnitter, bin der Tod,
die Augenhöhlen leer und hohl die Wangen. Ich bringe Siechtum, Sorgen, Furcht und Not, verbreite Kummer, Horror, dumpfes Bangen, und Bruder Charon kommt mit seinem Boot, in dem schon Viele Klagelieder sangen, die dunkle Styx zum Orkus hin zu queren - die Toten werden niemals wiederkehren. Ich schenk dir den Hades, denn ich bin das lachende Leben, besieg dich am Ende der Zeiten im steten Bestreben nach Wachsen und Blühen in heitrer Natur, ja, ich liebe die Farben, die Sonne, das Flimmern der Sterne, die Triebe, die jeden erfassen, das Jauchzen der Mädchen, das Lachen der Knaben, wenn keck sie versuchen, verbotene Sachen im Grünen zu machen, denn Käfer als auch Elefanten, die Stare und Amseln, Cousinen, die Onkel und Tanten vergnügen sich heiter in ähnlicher Weise und freu‘n sich gar mächtig des prächtigen Lebens und finden‘s behaglich ein Gläschen des perlenden Weines genüsslich zu trinken, einander verliebt in die wartenden Arme zu sinken. Du weißt doch: Allem was da heut gedeiht, wird einst die Totenglocke schallen, für alles wird, und ich bestimm die Zeit, der Zeiger fallen. Und bringst du den Menschen, den Tieren, den Pflanzen auch Unheil, Gebrechen und endest ihr irdisches Sein, wird alles was weiterhin lebt auf den Grabstätten tanzen - das Leben wird siegen, du fahles Gerippe, der Sieg ist doch mein! Denn ständig erneut sich die herrliche Welt, es erröten die Rosen, es summen die Bienen, das Leben ist stärker als alles Verderben, verspottet den Tod und die Sorgen, denn siehe, wie Phoenix erneut sich die Sonne in Purpur gekleidet an jeglichen Morgen, es sprudeln die Quellen und schau nur: Die Blumen erblühen getrost auf Ruinen. Geändert von Heinz (02.08.2023 um 00:11 Uhr) |
02.08.2023, 00:27 | #2 |
Forumsleitung
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Au weia, gruselte es mich spontan, als ich die erste Strophe las. So düster habe ich mir den Tod nie vorgestellt. Schließlich kann er auch als Erlöser an die Pforte klopfen, und statt mit der martialischen Sense mit einem Scherchen in der Hand, das ausreicht, den mit der Zeit dünn gewordenen und kaum noch widerstandsfähigen Lebensfaden zu kappen.
Aber dann ein Aufatmen: Das Leben wehrt sich, und zwar nach Strich und Faden (um im Bild zu bleiben). So einfach soll es der Gevatter mit der Erledigung seiner Aufgabe nicht haben, und überhaupt: Ist er in seinem Pflichtbewusstsein vielleicht zu früh erschienen? Oder hat er sich gar in der Adresse geirrt? Er sollte nochmal seine Agenda prüfen, Zeit dazu hat er genug. Und Irrtümer sind nicht exklusiv für die Menschheit reserviert. Aber egal, ob der Tod oder das Leben spricht, beide sind hervorragende Poeten. Und das müssen sie wohl auch sein, um ihre Positionen würdevoll und überzeugend zu vertreten. Dafür haben sie ein hervorragendes Medium namens Heinz gefunden, der ein Gespür für wundervolle Sprache hat. Das "Gespräch" erinnert mich an die Dialoge in der mittelalterlichen Schrift "Der Ackermann aus Böhmen" von Johannes Tepl: Ein Mensch, dem die Gattin in noch jugendlichem Alter gestorben war, hadert mit dem Tod, klagt ihn an, nimmt ihn ins Kreuzverhör und zwingt ihn in die Verteidigung wie in einem Gerichtsprozess. Eine bemerkenswerte Schrift für jene Zeit, denn bis dahin galt jeder Tod als ein Gottesurteil, dem man sich demütig zu beugen hatte. Dagegen aufzubegehren tüpfelte ans Ketzerische. Tepl hatte diesen Mut, genährt von seinem Schmerz über den Verlust der geliebten Frau. Aber dies nur zusätzlich. Heinz, deine Verse, deine Sprache sind einfach spitze. Das Ausrufezeichen schenke ich mir, denn erstens liegt es bereits in meinem Satz, und zweitens will ich vermeiden, dass du wie ein Düsenjet abhebst . |
02.08.2023, 12:14 | #3 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Liebe Ilka-Maria,
ein Abheben ist nicht zu befürchten, es widerspräche allen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, wenn jemand, den neunzig Kilo näherem als den achtzig, selbst bei schwirrenden Armen eher einer übergewichtigen Hummel gleichend als einer buntschillernden Libelle, sich anmaßte, die Naturgesetze zu überwinden. Aber Dein Kommentar eröffnet neue Möglichkeiten. Tatsächlich: Es ist Dir gelungen, mich wenigstens zu einem Hopser zu veranlassen, den ich dank meiner Gehhilfe überlebt habe. Mit anderen Worten: Ich danke Dir für Deinen Beitrag zu meiner in Verse verpackten Überzeugung, dass Optimismus eher als Überlebensstrategie taugt als ständiges kummervolles Stöhnen. Liebe Grüße, Heinz |
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