wir sehen uns

[Perry]

kürzlich bin ich zum hauptfriedhof gefahren um das
grab eines langjährigen freunds zu besuchen er wurde
dort im engsten familienkeis in aller stille beerdigt

von der größe des gottesackers überrascht dauerte
es lange bis ich den namen an einer urnenwand fand
kippte in gedanken einen kurzen den er gerne trank

nach einem schlaganfall war er nicht mehr ansprechbar
deshalb behalte ich ihn so lebensfroh und gesellig in
erinnerung wie wir oft gemeinsam unterwegs waren

[Ilka-Maria]

Lieber Perry,

es ist schade, dass deine Gedichte im Forum so wenig Beachtung finden. Sie leisten nämlich das, was Lyrik soll: das Leben abzubilden.

Von Covid-Sünden bis hin zu dem, was "nüchtern" oder "phantasievoll" sein soll, um Geschmäcker zu bedienen, kommst du daher und zeichnest einfach auf, wie das Leben ist.

Welch eine Wohltat!

Jedes deiner Gedichte ist wie eine Auster, die eine Perle gebiert. Es bedarf der Taucher, sie zu entdecken.

Aber auch unentdeckt bleibt eine Perle eine Perle.

Zum Gedicht an sich:

In meinem Alter wird man nachdenklich. War ich zwar immer, aber die Gedankenschwere nimmt zu. Es brechen immer mehr Leute weg. Aus dem eigenen Kreis, aber auch aus dem, was man Boulevard nennt. Neulich war es Belafonte (den ich live erleben durfte), gestern Tina Turner. Diese Todesnachrichten sind ein Messband: Man selbst wird alt. Ich sehe, wie jeden Tag einer abtritt, der meine Jugend geprägt und meinen Lebensweg begleitet hat. Das waren Menschen, die Einfluss auf mein Lebensgefühl und auf mein Weltbild hatten, in dem ich wie ein Amöbentierchen in einem Wassertropfen geschippert bin und mich heimisch gefühlt hatte.

Jetzt geht einer nach dem anderen. Der Wassertropfen scheint seine Konsistenz zu verlieren und mich irgendwann nicht mehr davor schützen zu können, aus ihm herausgespült zu werden.

Die Beerdigungen, zu denen ich anwesend bin, haben deutlich zugenommen.

In deinem Gedicht hast du einen Freund verloren. Eine LÜcke mehr im Leben, in dem die leeren Stellen immer mehr werden und für die keine Zeit der Welt mehr reicht, sie neu neu zu füllen. So ist es eben.

Lieben Gruß und danke, dass du uns immer noch deine Perlen zu Füßen legst.

Ilka

[Perry]

wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.
Da ich aus Zeitgründen hier nur noch sporadisch posten kann, ist die verhaltene Resonanz erklärbar.
Über alle Foren in denen ich schreibe wird ein Text von mir im Schnitt ca. 300 mal gelesen und ich erhalte 8 Komms. Das reicht mir durchaus, auch weil ich natürlich für jeden Komm auch einen Text kommentiere.
Danke fürs "Perlentauchen" und LG
Perry
PS: Wenn Du mal bei Poeten.de reinschaust kannst Du meine Texte auch mit Bild- und Musikuntermalung gesprochen erleben.

[Ilka-Maria]

Zitat von Perry

PS: Wenn Du mal bei Poeten.de reinschaust kannst Du meine Texte auch mit Bild- und Musikuntermalung gesprochen erleben.

Habe ich aufgerufen und mir angehört. Hübsche Idee. Mir kam allerdings die musikalische Untermalung zu fröhlich für das Thema vor.

[Perry]

der Tod ist zwar das Ende eines gemeinsamen Lebens, aber die Erinnerungen an Erlebtes hat für mich auch einen Hauch fröhlicher Melancholie, die ich gerne auch mal hinterlassen würde.
Danke fürs Feedback und LG
Perry

[dunkler Traum]

... wolltest du dich überzeugen, dass er wirklich unter der Erde liegt?
Als Kind bin ich noch gern über Friedhöfe gestreunt. Inzwischen müsste ich jedesmal 500 km fahren, da meine Verwandschaft weit gestreut ist.
Nein, ich benötige keinen Ort, meine Lieblingsmenschen wohnen in meinem Herzen.

wsT
dT

[Perry]

ich wollte nur wissen, wo er liegt, da ich bei seiner Beerdigung nicht dabei sein konnte. Ansonsten haben Menschen denen wir nahestanden immer einen Platz im Herzen.
Danke fürs reinschauen und LG
Perry